Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die CDU braucht viel Disziplin
Eine beliebte Kanzlerin, der die Menschen in der Krise vertrauen, eine Partei im DauerUmfragehoch: Auf den ersten Blick scheint die CDU-Welt in bester Ordnung. Gleichwohl sorgt die Verkürzung oder gar Verschiebung des für Dezember geplanten Stuttgarter Parteitags in der Partei für Unruhe. Denn der CDU droht damit die Verlängerung ihres bereits Monate andauernden Führungsvakuums und ein zähes Gerangel um die MerkelNachfolge.
Vor mehr als einem halben Jahr hatte die erst Ende 2018 gewählte Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer entnervt ihren Posten zur Verfügung gestellt. Und auch wenn die Saarländerin coronabedingt immer noch im Amt ist: Die Gründe für ihr Hinschmeißen sind immer noch da. Die Merz-Fans, die dessen Niederlage nicht verwunden haben und das Partei-Heil in der konservativen Abkehr vom Merkel-Kurs sehen. Die Teile der Ost-CDU, die die Abgrenzung zur AfD aufweichen wollen. Neu hinzugekommen ist das Selbstbewusstsein des CSU-Chefs Markus Söder, der der Schwesterpartei die Kanzlerkandidatur nicht überlassen will und selbst mit der Merkel-Nachfolge flirtet.
Bereits 2018 warnte Wolfgang Schäuble die CDU vor Grabenkämpfen nach SPD-Art. Dass die Union trotz großer innerer Differenzen viel besser dasteht als der Koalitionspartner, liegt vor allem an der Kanzlerin und an Disziplin: Während die SPD Differenzen bisher in lustvoller Selbstzerstörung zelebrierte, konnte die Union meist durch frühe Personalabsprachen Ruhe in die eigenen Reihen bringen. Wo das nicht gelang, bekam man ein Problem, wie die Südwest-CDU bei ihren Kampfkandidaturen bitter lernen musste.
Dass ausgerechnet die SPD ihren Kandidaten Scholz ohne Störfeuer kürte, lässt in der CDU ebenso die Alarmglocken schrillen wie die gegenseitigen Seitenhiebe der eigenen Vorsitzkandidaten. Die Partei braucht viel Selbstdisziplin, um dem Wähler weiter merkelsche Stabilität versprechen zu können. Ein verschobener Parteitag ist eine Gefahr für die vermeintlich heile Welt der CDU.