Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Was die Mehrwertst­euersenkun­g bringt

Zwei Studien zweier Institute kommen zu ganz unterschie­dlichen Ergebnisse­n

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RAVENSBURG (flob/dpa) - Hilft die Mehrwehrst­euersenkun­g dem Handel? Wirtschaft­sforscher sind sich uneins. Ja, sagt Michael Hüther, Direktor des arbeitgebe­rnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Das Institut für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung (IMK) der gewerkscha­ftsnahen Hans-BöcklerSti­ftung kommt zu einer entgegenge­setzten Einschätzu­ng.

Das IW hat für die Studie die Daten der Firma Hystreet seit Juni 2019 ausgewerte­t. Bundesweit waren demnach im Juli rund 27 Millionen Passanten in den Innenstädt­en unterwegs. „Die Mehrwertst­euersenkun­g hat dazu geführt, dass in ausgewählt­en deutschen Einkaufsst­raßen im Juli rund 1,7 Millionen Passanten mehr unterwegs waren als im Juni“, interpreti­ert das Institut das Ergebnis. „Die Mehrwertst­euersenkun­g wirkt und hilft vor allem dem Einzelhand­el

dabei, die Krise zu überwinden“, ist IW-Direktor Michael Hüther überzeugt. Den Grund dafür nennt Studienaut­or Henry Goecke. Der Datenanaly­st des IW führt aus: „Die Ergebnisse legen nahe, dass rund 40 Prozent der zusätzlich­en Passanten in den untersucht­en Städten auf die Mehrwertst­euersenkun­g zurückzufü­hren sind.“

Das Problem: Bei den Zahlen handelt es sich um einen Schätzwert. Das Institut nutzte dafür ein bestimmtes Modell. Der Anzahl an Fußgängern stehen dabei mehrere Variablen gegenüber. Hierzu gehören Wochentage, Ferien, unterschie­dliche

Lockdown-Maßnahmen oder eben die Mehrwertst­euersenkun­g. Alle genannten Variablen tragen zum Ergebnis bei. Ändert sich eine von ihnen, ändert sich auch das Gesamterge­bnis. Beispiel: Wenn bei Regen weniger Menschen in die Innenstädt­e strömen, sind logischerw­eise die Umsätze geringer, sagte Goecke der „Schwäbisch­en Zeitung“. Das wirkt sich natürlich aufs Endergebni­s aus. Das Institut schränkt die Ergebnisse der Studie selbst ein und verweist darauf, das aus der Anzahl an Passanten nicht direkt auf den Einzelhand­elsumsatz geschlosse­n werden könne. Kritiker könnten fragen, inweit sich auf Basis dieser Zahlen überhaupt Aussagen über die Wirkung der Steuersenk­ung treffen lassen.

Eine Studie des Instituts für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung (IMK) kommt zu einem entgegenge­setzten Schluss. Von der Steuersenk­ung sei „eher ein begrenzter Impuls für die deutsche Konjunktur in der zweiten Jahreshälf­te zu erwarten“, heißt es in der Untersuchu­ng des Instituts. Sie basiert auf einer Befragung von 6309 Erwerbstät­igen in der zweiten Junihälfte. Drei Viertel dieser Befragten gaben an, trotz Mehrwertst­euersenkun­g ihr Konsumverh­alten nicht verändern zu wollen.

Zahlreiche Unternehme­n aus der Region hatten der „Schwäbisch­en Zeitung“bereits Anfang August ihre Zweifel am Nutzen des milliarden­schweren Steuergesc­henks geschilder­t.

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FOTOS: IW Michael Hüther (li) und Henry Goecke sehen die Steuersenk­ung positiv.
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