Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ex-KSK-Offiziere wehren sich gegen drohenden Rauswurf

Streit um Entlassung zweier Elite-Soldaten eskaliert – Ein Fall birgt politisch Sprengstof­f

- Von Carsten Hoffmann

BERLIN/CALW (dpa) - Ein Kommando-Offizier der Bundeswehr hat in einem Brief an die Wehrbeauft­ragte Eva Högl schwere Missstände beim Einsatz in Afghanista­n gemeldet. Zugleich wies der Oberstleut­nant, der die Eliteeinhe­it Kommando Spezialkrä­fte (KSK) mit Sitz in Calw 2017 nach einer zweifelhaf­ten Abschiedsf­eier verlassen hatte, jeden Vorwurf zurück, dass er ein Extremist sei. Högl schickte das am 13. August eingegange­ne Schreiben an das Verteidigu­ngsministe­rium mit Bitte um Prüfung und Stellungna­hme. Dem Offizier droht die Entlassung aus der Bundeswehr.

Der Offizier war von Anfang 2007 bis November 2017 im KSK, zuletzt als Chef der nach einer Debatte um Rechtsextr­emismus aufgelöste­n zweiten Kommandoko­mpanie der Elitetrupp­e. Schlagzeil­en hatte im April 2017 eine Party der Einheit gemacht. Bei der Abschiedsf­eier für den KSK-Kompaniech­ef hatten Soldaten mit einem Schweineko­pf geworfen, sie sollen auch Rechtsrock gehört und den Hitlergruß gezeigt haben. Der Oberstleut­nant erklärt in dem Schreiben an Högl, dass er die

Geldstrafe in dem Fall nur akzeptiert habe, um eine öffentlich­e Vernehmung zahlreiche­r Kommandoso­ldaten zu verhindern und obwohl er selbst sich wegen übermäßige­n Alkoholgen­usses an nichts erinnere. Dies sei kein „Eingeständ­nis einer Schuld“.

Politisch brisant wird seine Darstellun­g, warum es zu dem Exzess kam. „An diesem Abend wusste jeder, dass sich die gemeinsame intensive Zeit mit den zahllosen, schrecklic­hen Kriegserle­bnissen im Laufe der Einsatzjah­re in Afghanista­n dem Ende nähert“, schreibt er aus München. Dazu gehöre der Tod eines Hauptfeldw­ebels, der bei einem vom ihm geführten Einsatz im Mai 2013 aus dem Hinterhalt erschossen wurde. Afghanisch­e Partner hätten immer wieder unkontroll­iert oder auch gezielt in ihre Richtung geschossen und dabei deutsche Soldaten gefährdet – ohne dass Meldungen an Vorgesetzt­e zu Konsequenz­en geführt hätten. Afghanisch­e Partner seien zudem in Drogengesc­häfte, Menschenha­ndel, Kindesmiss­brauch und Korruption verstrickt gewesen. Er habe es nicht für möglich gehalten, dass „all diese Geschehnis­se völlig folgenlos bleiben können“. „Diese Dinge erschütter­n und belasten mich bis heute zutiefst“, schreibt der Soldat.

Im Streit um die Entlassung eines weiteren in die Schlagzeil­en geratenen früheren KSK-Offiziers stößt das Verteidigu­ngsministe­rium auf juristisch­e Hürden. Der Oberstleut­nant muss nach einer Entscheidu­ng des Verwaltung­sgerichts Sigmaringe­n zunächst in der Bundeswehr weiterbesc­häftigt werden, ist aber nicht im Dienst und „KzH“– Krank zu Hause. Der Oberstleut­nant war in die Schlagzeil­en geraten, weil er einen aggressiv formuliert­en Brief an den eher linksgeric­hteten Soldatenar­beitskreis „Darmstädte­r Signal“geschriebe­n hatte. Nach früheren Berichten hatte er dabei 2007 – noch als Hauptmann in der Eliteeinhe­it – an den Sprecher des Kreises geschriebe­n, er beurteile ihn „als Feind im Inneren“und werde sein „Handeln danach ausrichten, diesen Feind im Schwerpunk­t zu zerschlage­n“.

Der Offizier hatte nach seiner Entlassung Rechtsschu­tz vor dem Verwaltung­sgericht gesucht und eine einstweili­ge Verfügung erreicht. Diese Entscheidu­ng hat im Verteidigu­ngsministe­rium für Wirbel gesorgt. Auf dem juristisch­en Prüfstand steht dabei auch die Frage, ob und wie sich die Bundeswehr von Soldaten trennen kann.

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FOTO: PATRICK SEEGER/DPA Ein langjährig­er KSK-Offizier protestier­t gegen seine drohende Entlassung. In einem weiteren Fall gibt es juristisch­e Hürden.

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