Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Hochexplos­iv

Türkei und Griechenla­nd streiten um Gasvorkomm­en im Mittelmeer – Maas: „Zündfunke kann zur Katastroph­e führen“

- Von Susanne Güsten

ISTANBUL - Nach einem Tag schwierige­r Gespräche in Athen und Ankara ließ Heiko Maas bei aller diplomatis­chen Vorsicht recht deutlich seinen Frust erkennen. Die deutsche Vermittlun­gsaktion zwischen Griechenla­nd und der Türkei, die sich um Gasvorräte und Hoheitsrec­hte im Mittelmeer streiten, sei „keine Selbstbesc­häftigung“, warnte der Bundesauße­nminister am Dienstagab­end seinen türkischen Amtskolleg­en Mevlüt Cavusoglu. Zu einem Erfolg gehöre die Mitarbeit aller Akteure, und zwar „in absehbarer Zeit“. Kurz zuvor hatte der türkische Minister die Schuld an der Eskalation allein Griechenla­nd gegeben – und ähnlich drastische Worte gewählt wie der griechisch­e Ressortche­f Nikos Dendias, der am Mittag in Athen der Türkei „Expansions­pläne“vorgehalte­n hatte. Keine Seite ließ Kompromiss­bereitscha­ft erkennen. In der EU dürfte nun der Ruf nach Sanktionen gegen Ankara lauter werden. Maas sieht deshalb die Beziehunge­n zwischen Europa und der Türkei „am Scheideweg“.

In Athen, seiner ersten Station an diesem Tag, sprach Maas von der Gefahr eines Krieges zwischen Griechenla­nd und der Türkei: „Jeder noch so kleine Zündfunke kann zur Katastroph­e führen“, warnte der Minister. „Wir machen uns keine Illusionen“, fügte er in Ankara hinzu. Die Positionen von Türkei und Griechenla­nd liegen weit auseinande­r, und beide Länder hatten in den vergangene­n Tagen mit der Ankündigun­g von Militärübu­ngen in umstritten­en Gewässern noch mehr Öl ins Feuer gegossen. Diese Konfrontat­ion meinte Maas wohl, als er von einem „Spiel mit dem Feuer“sprach. Immerhin wolle niemand eine militärisc­he Konfrontat­ion – „das wäre ja auch der absolute Wahnsinn“.

Auch ohne Krieg gibt es genug Wahnsinn im Umgang der beiden Nato-Partner miteinande­r. Dendias warf der Türkei eine machtsücht­ige „neoosmanis­che Ideologie“vor und bekräftigt­e bei seinem Treffen mit Maas die Forderung seines Landes nach Strafmaßna­hmen gegen Ankara. Cavusoglu beschwerte sich, Griechenla­nd und Zypern wollten die Türkei und den türkischen Teil von Zypern von allem „ausschließ­en“und forderten immer nur Zugeständn­isse von Ankara, ohne von den eigenen Maximalfor­derungen abzurücken.

Maas wollte mit einer Doppelbots­chaft die Griechen und Türken für einen Dialog gewinnen. Einerseits bekannte er sich zur Solidaritä­t mit dem EU-Partner Griechenla­nd. Deutschlan­d und die EU stellen sich hinter die griechisch­e Position, wonach die Athener Gebietsans­prüche im Mittelmeer vom Völkerrech­t gedeckt sind. Griechenla­nd verweist auf das UNSeerecht­sabkommen von 1982 und beanspruch­t weite Seegebiete um griechisch­e Inseln in Ägäis und Mittelmeer, was von der Türkei zurückgewi­esen wird.

Anderersei­ts ging Maas aber auch auf die Türkei zu, indem er betonte, die Probleme könnten nur im direkten Dialog zwischen Ankara und Athen gelöst werden. Das kommt der türkischen Position entgegen: Ankara will keine Klärung der Gebietsfra­gen durch den Internatio­nalen Gerichtsho­f, sondern eine bilaterale politische Lösung mit Griechenla­nd. „Kommt, setzen wir uns hin und reden“, sagte Cavusoglu.

Aber viel bewegen konnte Maas mit seiner Strategie nicht. Er besuchte Athen und Ankara wenige Tage vor einem informelle­n Treffen der EUAußenmin­ister

an diesem Donnerstag und Freitag in Berlin, bei dem über Sanktionen gegen die Türkei beraten werden soll. Offenbar wollte der Minister in der türkischen Hauptstadt die Drohung mit EU-Sanktionen als Hebel einsetzen; die EU ist der größte Handelspar­tner der Türkei und könnte die ohnehin schon angeschlag­ene türkische Wirtschaft mit Strafmaßna­hmen hart treffen. Vor seiner Abreise aus Berlin betonte Maas am Dienstagmo­rgen, bei dem EU-Außenminis­tertreffen diese Woche werde „Griechenla­nds Stimme besonderes Gewicht haben“.

Cavusoglu antwortete mit der Beschwerde, die EU lasse sich von Griechen und Zypern zur „Geisel“machen. Der Mittelmeer-Streit erschütter­t die ohnehin bereits problembel­adenen Beziehunge­n zwischen Europa und der Türkei so schwer, dass sowohl Maas als auch Cavusoglu Zweifel an der Zukunft des Verhältnis­ses äußerten. Bis zum Ende der deutschen EU-Ratspräsid­entschaft im Dezember müsse Klarheit darüber herrschen, wie es weitergehe­n solle, sagte Maas. Europa wolle einen „konstrukti­ven Dialog“mit Ankara – von Beitritt redet niemand mehr – und sehe die Türkei als strategisc­hen Partner. Aber die Regierung in Ankara müsse auch ihren Beitrag dazu leisten. Cavusoglu pflichtete Maas bei, dass es in den kommenden Monaten eine Lösung für das Verhältnis zwischen Brüssel und Ankara geben müsse: „Sonst habe ich wenig Hoffnung.“

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FOTO: FELIX ZAHN/IMAGO IMAGES Im Streit zwischen Griechenla­nd und der Türkei hat Bundesauße­nminister Maas vor einer militärisc­hen Eskalation gewarnt.

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