Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Urlaub in Frankreich wird zum Risiko
Die Bundesregierung hat für Paris und die Côte d’Azur Reisewarnungen ausgesprochen
PARIS - Bei Urlaub in Frankreich fällt den meisten Touristen zuerst die Côte d’Azur ein. Doch die Küste mit ihren mondänen Badeorten wie Cannes und Saint-Tropez ist für Deutsche kein attraktives Reiseziel mehr, seit die Covid-19-Fallzahlen dort stark angestiegen sind. Die Bundesregierung sprach für die ganze Urlaubsregion Provence-Alpes-Côte d’Azur sowie den Großraum Paris am Montagabend Reisewarnungen aus. Von Urlaubsreisen dorthin wird abgeraten, da die Zahl der Neuinfektionen innerhalb einer Woche die kritische Marke von 50 pro 100 000 Einwohnern überschritt. Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU), schloss nicht aus, die Reisewarnung auf ganz Frankreich auszuweiten.
Der Leiter der Pariser Krankenhäuser, Martin Hirsch, sagte im Radiosender France Inter, dass er den Schritt für Paris und die Mittelmeerregion durchaus nachvollziehen könne. Die Zahl der Neuinfektionen war in den vergangenen Tagen landesweit deutlich nach oben gegangen. Allein am Sonntag waren es fast 4900 – mehr als doppelt so viel wie in Deutschland. „Wir befinden uns in einer riskanten Situation“, warnte Gesundheitsminister Olivier Véran in der Zeitung „Journal du Dimanche“. Vor allem junge Leute, die beim Feiern die Abstandsregeln nicht beachten, geben das Virus weiter. So waren nach dem Halbfinalsieg des Fußballvereins Paris Saint-Germain in der Champions League Hunderte junge Fans dicht gedrängt und ohne Maske auf den Champs-Elysées zu sehen. Ein ähnliches Bild bot sich nach der Finalniederlage gegen Bayern München am Sonntag. Die Pariser Stadtverwaltung appellierte an alle, die bei den Massenveranstaltungen dabei waren, sich testen zu lassen.
Neben Paris ist vor allem Marseille von steigenden Fallzahlen betroffen. Rund um die Hafenstadt wurden unter den 20- bis 40-Jährigen 188 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner gezählt. In Marseille könnten deshalb die Bars künftig schon um 20 Uhr schließen. Auch ein Verbot von Treffen mit mehr als zehn Beteiligten wird erwogen.
Am kommenden Dienstag geht in ganz Frankreich die Schule wieder los. Für Schüler der Mittel- und Oberstufen gilt dann eine Maskenpflicht. Auch in Büros müssen die Angestellten ab 1. September Masken tragen. Draußen ist der Mund-Nasen-Schutz inzwischen in Städten wie Nizza und
Toulouse flächendeckend Pflicht. Auch fast überall in Paris ist die Maske vorgeschrieben. Allerdings sind die Straßen, in denen der Mund-Nasen-Schutz getragen werden muss, kaum gekennzeichnet, so dass viele ihn vergessen. Wer die Maske nicht trägt, dem drohen 135 Euro Bußgeld.
Mit der neuen Maskenregelung will die Regierung eine zweite Ausgangssperre verhindern, die in Frankreich besonders hart ausgefallen war. Einen erneuten landesweiten Lockdown schloss Präsident Emmanuel Macron vergangene Woche aus. „Man kann kein Land komplett zum Stillstand
bringen, denn die Kollateralschäden sind beträchtlich“, sagte er der Zeitschrift „Paris Match“.
Die Tour de France soll am Samstag unter strengen Auflagen starten. Das weltberühmte Radrennen war wegen der Corona-Pandemie auf den September verschoben worden. In Nizza, wo die Tour am Samstag beginnt, sind nur 500 Zuschauer erlaubt, obwohl landesweit eine Obergrenze für Großveranstaltungen von 5000 Menschen gilt. Frankreich gehört mit mehr als 30 000 Toten zu den Ländern, die von der Corona-Pandemie am meisten betroffen sind.
Auch die Wirtschaft ist stark beeinträchtigt. Macron rechnet mit bis zu einer Million Arbeitsloser in den kommenden Monaten. Tausende Firmen dürften nach Wegfall der Finanzhilfen pleitegehen. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire soll deshalb nächste Woche einen Plan vorstellen, der den Unternehmen wieder auf die Beine helfen soll. Eigentlich hätte Le Maire sein Wiederaufbauprogramm über 100 Milliarden Euro schon diese Woche präsentieren sollen. Doch Macron warf den Zeitplan um: Die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus waren wichtiger.