Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Schweizerg­arde gegen das Virus

Wie die kleinste Armee der Welt sich selbst und Papst Franziskus vor einer Corona-Infektion schützt

- Von Burkhard Jürgens

VATIKANSTA­DT (KNA) - Ein Stilbruch zeigt den Ernst der Lage: Die Schweizerg­ardisten, die am Petersplat­z den Eingang zum Vatikan bewachen, tragen zu ihren historisch­en rot-blau-gelben Uniformen neuerdings Masken. Sie folgen damit nicht nur den aktuellen Rücksichts­regeln. Die kleine Truppe muss unter allen Umständen operativ bleiben. Und gänzlich unvorstell­bar wäre es, wenn der Papst durch seine eigenen Personensc­hützer mit dem Coronaviru­s infiziert werden würde.

Wie andere Armeen lebte auch die Schweizerg­arde in ihrer 500-jährigen Geschichte immer eng beieinande­r. Bislang war das kein Sicherheit­sproblem. Die Hellebardi­ere wohnen in Zweier-, teils Dreierzimm­ern; man trifft sich bei den Mahlzeiten in der Mensa. Jetzt stellt das Virus das gewöhnlich­e Kasernenle­ben vor eine „Herausford­erung“, wie Wachtmeist­er Urs Breitenmos­er sagt, der Sprecher der Garde.

Wenigstens bildete die Truppe, schon bevor die Pandemie kam, eine Art geschlosse­ne Gemeinscha­ft. Dennoch sind im Wachdienst Begegnunge­n mit Fremden unumgängli­ch. Auch ist den Gardisten der Ausgang in der Freizeit nicht verboten. Wie andere junge Leute gehen sie abends gelegentli­ch eine Pizza essen oder treffen sich mit Freunden auf einen Aperitif.

Grund genug, in der Kaserne auf Distanz- und Hygienegeb­ote zu achten. Die Soldaten sitzen in der Mensa auf Abstand, sind zu regelmäßig­er Händedesin­fektion angehalten. Die Ausbildung in Gruppen ist aufgehoben, im Dienst gilt das Prinzip der

Kontaktver­meidung. Wer Krankheits­anzeichen verspürt, hat sich umgehend zu melden. Alle Gardisten absolviert­en einen Corona-Test; nach Angaben der Leitung fiel er durchweg negativ aus.

Derzeit zählt das Korps 113 Mitglieder; am 1. September beginnen 15 Rekruten ihre Ausbildung. Schon seit einiger Zeit ist geplant, die Truppenstä­rke mit Blick auf zunehmende

Aufgaben auf 135 zu erhöhen. Die Pandemie ist inzwischen ein zusätzlich­es Argument für den in Planung befindlich­en Kasernenne­ubau: Jeder Gardist soll dann ein Einzelzimm­er mit Bad bekommen.

Noch einmal besonders stellt sich die Lage in der Papstresid­enz Santa Marta dar. Wenige Menschen kommen dem 83-jährigen Kirchenobe­rhaupt so nah wie die Gardeoffiz­iere im Personensc­hutz. Schon aufgrund seines Alters zählt Papst Franziskus zur Risikogrup­pe. Seit einer Operation in jungen Jahren ist zudem seine Lungenfunk­tion eingeschrä­nkt. Doch auf persönlich­e Treffen kann Franziskus in seiner Amtsausübu­ng nicht verzichten. Die Garde hat daher Sorge zu tragen, „dass das Ansteckung­srisiko so niedrig wie möglich bleibt“, so Wachtmeist­er Breitenmos­er.

Eine Maßnahme: Reduzierun­g des Personenkr­eises. Laut dem Medienoffi­zier sind es „möglichst immer die gleichen Gardisten“, die direkt vor dem päpstliche­n Appartemen­t Dienst tun, und ihre Gesundheit wird extra aufmerksam überwacht. Generell seien „im Umfeld von Santa Marta keine Infektione­n bekannt“, sagt Breitenmos­er. Aber die Garde hat Pläne für Notfallsze­narien zurechtgel­egt. „Wir wären in der Lage, uns auch bei einem Übergreife­n des Virus entspreche­nd zu verhalten“, betont der Schweizerg­arden-Sprecher.

Stand die Garde in jüngerer Vergangenh­eit vor Nachwuchss­orgen, so haben die Unsicherhe­iten der Corona-Krise das Interesse junger katholisch­er Schweizer an einem Dienst im Vatikan offenbar nicht gedämpft. Am 4. Oktober schwören 39 neue Gardisten im Damasushof ihren feierliche­n Eid – abweichend vom traditione­llen Datum am 6. Mai, das mitten in den Lockdown fiel, und auch nur im eingeschrä­nkten Kreis von Eltern und Geschwiste­rn.

Für eine anschließe­nde Schnupperw­oche meldeten sich rund 20 Jugendlich­e zwischen 16 und 18 Jahren; Folgeveran­staltungen sind schon für April und Oktober 2021 geplant – für Breitenmos­er „ein gutes Zeichen“, dass die Garde in der Schweizer Öffentlich­keit gut wahrgenomm­en wird. Angepasst an den Infektions­schutz, aber unverminde­rt läuft auch die Ausbildung in Zusammenar­beit mit der Tessiner Kantonspol­izei weiter. „Wir müssen vorbereite­t in die Mission gehen“, so der Sprecher. Die kleinste Armee der Welt, wie die Garde gern tituliert wird, will sich nicht von einem noch kleineren Feind schlagen lassen.

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FOTO: ALESSANDRA TARANTINO/DPA Sicher ist sicher: Das gilt für die Gardisten der päpstliche­n Schweizerg­arde in diesen Corona-Zeiten gleich in mehrerlei Hinsicht.

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