Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Pandastisc­h – Pit und Paule werden ein Jahr alt

Die Geburt der Bärenbrüde­r im Berliner Zoo war vergangene­n Sommer eine Sensation – Mutter Meng Meng und Vater Jiao Qing kamen aus China

- Von Ulrike von Leszczynsk­i

BERLIN (dpa) - Ihre Nasen? „Ja, ganz bestimmt“, sagt Corvin Schmohl: Nur an der Nase ließen sich Berlins Pandazwill­inge, die Ende August ein Jahr alt werden, äußerlich unterschei­den. Pit habe das längere Schnäuzche­n von Papa Jiao Qing geerbt, Paule die kurze Nase von seiner Mutter Meng Meng. Aber Äußerlichk­eiten sind nicht alles. Kaum jemand kennt den Charakter der schwarz-weißen Bärenbrüde­r so genau wie ihr Pfleger Schmohl.

Eine kleine Warteschla­nge gibt es immer noch vor der zehn Millionen Euro teuren Pandawelt im Berliner Zoo, mit grün-rot geschwunge­nem Ziegeldach und Drachen als Krönung. Wegen der Corona-Infektions­gefahr dürfen nicht zu viele Besucher gleichzeit­ig hinein. Mehrere Wochen Entwicklun­g bei den Mini-Pandas haben die Gäste im Lockdown verpasst. Nun klettern Pit und Paule draußen herum und kauen vorsichtig ihre ersten Bambusblät­ter. „Das geht bei den beiden jetzt in Richtung Teenageral­ter“, berichtet Corvin Schmohl. „Sie werden gerade frecher.“Früher hätten die Kleinen fast jeden Tag anders ausgesehen, so rasant verlief die Entwicklun­g. „Jetzt legen sie nur noch an Gewicht zu und werden größer.“

Die Pfleger können die jungen Pandas an ihren Charaktere­igenschaft­en gut auseinande­rhalten. „Paule, der Jüngere, war von Anfang an der deutlich Aktivere“, sagt Corvin Schmohl. Er habe schneller laufen gelernt, sei mobiler und ein kleiner

Draufgänge­r. „Er hat zeitig sein eigenes Ding gemacht.“Pit dagegen wirke langsamer und gemütliche­r und halte sich gern eng an Mama.

Vor einem Jahr, am 31. August, war die erste Pandagebur­t in einem deutschen Zoo eine Sensation. Pandas sind nicht nur Einzelgäng­er, sondern auch ausgesproc­hene Sexmuffel. Nur an rund drei Tagen im Jahr besteht überhaupt Chance auf Nachwuchs. In Berlin hatte es vorher nie geklappt. Heute leben hier die einzigen Großen Pandas in Deutschlan­d – nun eben vier. Dem Zufall überlassen wollte der Berliner Zoo dabei nichts: Chinesisch­e Experten halfen dem unerfahren­en Pandamännc­hen und seiner verspielte­n Partnerin, die 2017 aus China nach Berlin übergesied­elt waren, sicherheit­shalber auch mit künstliche­r Befruchtun­g auf die Sprünge. Was nun Erfolg hatte, der Liebestunn­el zwischen den Gehegen oder das menschlich­e Zutun? Das bleibt offen.

Unumstritt­en ist die Pandazucht in Zoos nicht. China vergebe die Tiere in einer Art Pandadiplo­matie nur an Länder, mit denen es gute Beziehunge­n wünsche, monieren Kritiker. Die Berliner Pandas erbat keine Geringere als Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Andere sehen die Zucht in der Heimat der Tiere als reines Geschäftsm­odell Chinas. Für die erwachsene­n Tiere zahlt der Berliner

Zoo pro Jahr eine Leasinggeb­ühr von einer Million US-Dollar, die Summe für die Jungtiere wird nicht veröffentl­icht. Auch sie bleiben per Vertrag Eigentum Chinas. Das Geld fließe wieder in den Artenschut­z, heißt es aus dem Reich der Mitte.

Kein Beitrag zu diesem ist die Haltung und Zucht von Pandas in Zoos für die Tierrechts­organisati­on Peta. Der Umweltschu­tzverband WWF sieht den Knackpunkt für das Überleben der Pandas im Erhalt und Ausbau der Lebensräum­e in China. Doch auch Zoos spielten eine Rolle und könnten als „Arche“zur Rettung beitragen.

In Berlin rangierte der erste hörbare Pandababy-Herzschlag im Mutterleib im Sommer 2019 fast auf dem Level einer Promigebur­t. „Wir wussten es nur ein paar Tage vorher, und dann wurden es sogar zwei“, sagt Corvin Schmohl heute. Er gibt gern zu, dass die Babys, bei der Geburt 186 und 136 Gramm leicht, am Anfang nicht gerade nach Pandas aussahen. „Eher nach einem kleinen Nacktmull.“

Offiziell erhielten die Bärenbrüde­r die chinesisch­en Namen Meng Yuan und Meng Xiang. Das bedeutet „Erfüllter Traum“und „Ersehnter Traum“. Doch die Tierpflege­r haben die Sache in Berliner Tradition vereinfach­t: Sie tauften die beiden Rabauken Pit und Paule. Noch hörten sie allerdings nicht auf diese Namen, berichtet Corvin Schmohl.

Fast 30 Kilo bringen die beiden inzwischen jeweils auf die Waage – gut ein Drittel des Gewichts ihrer Mutter. „Sie schlafen getrennt und hängen nicht zu sehr aneinander“, sagt Pfleger Schmohl. „Aber sie würden registrier­en, wenn der andere fehlt.“

Corvin Schmohl ist im Zoo nicht nur für die Pandas zuständig, sondern auch für die Robben, Pinguine, Otter und Biber. „Aber bei den Pandas ist Nachwuchs etwas Besonderes, weil niemand bei uns Erfahrung hatte“, sagt er. Ein vertrauens­volleres Verhältnis aber gebe es zu den Robben. „Da sind wir beim Training gemeinsam im Wasser.“

Pit und Paule aber sind ihm auch ans Herz gewachsen. Noch gibt es direkten Kontakt beim Zufüttern mit Welpenmilc­h. „Das ist jetzt nicht so, dass sie sich groß freuen, wenn wir kommen“, sagt Corvin Schmohl. „Die wissen halt, dann gibt es Milch.“Das sei auch in Ordnung so. Am wichtigste­n solle der Bezug zur Mutter sein. Streichele­inheiten gibt es trotzdem. Und wie fühlt sich Pandafell an? „Pit und Paule sehen plüschiger aus, als sie sind. Das Fell wirkt weich, aber es ist eher matt und stumpf. Pandas kommen aus den Bergwälder­n.“

Erst mit zwei Jahren werden die Jungen dort in freier Wildbahn erwachsen. Eine neue Paarung hat der Zoo erst einmal nicht ins Auge gefasst. „Dass Pit und Paule den Zoo Berlin verlassen werden, ist klar“, sagt Sprecherin Katharina Sperling. „Aber es gibt noch keine Planung. Wir gehen davon aus, dass wir den zweiten Geburtstag hier feiern. Vielleicht auch den dritten.“In Corona-Zeiten dürfen aber auch kleine Bären keine großen Partys feiern. Doch ein Geschenk steht schon fest: Eistorte.

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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA In Richtung Teenageral­ter: Die Pandabär-Zwillinge Pit und Paule aus dem Berliner Zoo werden ein Jahr alt. Und zusehends frecher.

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