Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Corona macht Innenstadt zur großen Gastro-Terrasse
Cafés, Restaurants und Kneipen dürfen vielleicht auch nach dem Pandemie-Sommer größere Außenflächen behalten
RAVENSBURG - Mehr Platz im Freien: Vor den Ravensburger Restaurants, Cafés und Kneipen wird im Corona-Sommer mehr Fläche zur Bewirtung von Gästen genutzt. Die Stadtverwaltung hat ihre sonst strengen Vorschriften, was die Aufstellung von Tischen und Stühlen im Freien angeht, gelockert und den Gastronomen die Gebühr dafür erlassen, wie einige von ihnen erzählen. Die größere Außengastronomie verändert das Stadtbild und könnte vielleicht auch für künftige Sommer beibehalten werden. Die Frage ist nur, zu welchem Preis?
Schon im Juni hatte der CDUOrtsverband in einem Diskussionspapier gefordert, die Fläche der Außengastronomie dauerhaft so zu belassen, wie sie derzeit ist, weil die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt dadurch steige. Die Sondernutzungsgebühren, die die Stadt erhebt, müssten „im Gespräch zwischen Verwaltung und Gastronomen neu kalkuliert werden“, so die CDU. In der letzten Gemeinderatssitzung vor der Sommerpause hatte auch Oberbürgermeister Daniel Rapp gesagt, ihm persönlich gefalle das Stadtbild besser, wenn die Gastronomie mehr Platz einnehme, und Bereitschaft zur Prüfung signalisiert, ob das dauerhaft so bleiben kann.
„Das wäre ein Traum“, sagt Kamila Rzepka, die im Hotel und Restaurant Engel für die Verwaltung zuständig ist, über die Option auf dauerhaft größere Außenflächen. „Wir sind froh um jeden Quadratmeter.“Außerdem sei es für die Gäste angenehmer, wenn mehr Platz zur Verfügung stünde. Wegen des vorgeschriebenen größeren Abstands zwischen den Tischen stünden auf der Engel-Terrasse jetzt mehr Pflanzenkübel – „es sieht jetzt viel schöner aus“, so Rzepka. Ob sie die Fläche auch in Anspruch nehmen würden, wenn wieder Gebühren fällig werden, hänge davon ab, wie sich die Corona-Lage und damit zusammenhängend der Umsatz des Restaurants weiterentwickelt.
Der Inhaber des Café Pano in der Bachstraße, Thomas Walser, findet auch, dass sich ein schöneres Bild ergibt, wenn die Möbel aufgelockerter stehen als sonst. Allerdings muss er wegen der Corona-Pandemie seine Tische und Stühle mit so viel Abstand aufstellen, dass er trotz größerer Fläche auf weniger Außenplätze kommt als vor der Pandemie. Was die künftige Größe der Außenflächen und Gebühr dafür angeht, verweist er auf ein mögliches Eigeninteresse der Stadt, einen günstigen Tarif zu finden: Denn wenn er mehr Außenfläche in Anspruch nehme, könne er mehr Umsatz machen und müsse dann mehr Gewerbesteuer abführen.
Zur Frage, ob die größere Außenfläche beibehalten werden soll, sagt der Inhaber des Lokals Colours in der Bachstraße, Kai Ayari: „Unbedingt. Bei uns geht es um die Existenz.“Da sei er sich mit vielen anderen Gastronomen in der Stadt einig, die auch um ihre Betriebe kämpfen, wie er sagt. Er hat nach wie vor Einbußen im Vergleich mit einem normalen Sommer: Ältere Gäste hätten aufgrund der Ansteckungsgefahr Berührungsängste und verzichteten auf Restaurantbesuche. „Es kommen auch weniger Gruppen, um gemeinsam Cocktails zu trinken und zu feiern“, sagt Ayari. Und im Winter wird es mit dem Umsatz wohl eher nicht bergauf gehen: Im Innenraum kann Ayari wegen der Abstandsregeln nur wenige Tische belegen. „Das wird ein harter Winter“, sagt Ayari.
Auch der Geschäftsführer des italienischen Restaurants „Il Podio“am südlichen Marienplatz, Costantino Marongiu, fürchtet den Winter, weil er im Innenbereich des Restaurants unter Corona-Bedingungen nur etwa halb so viele Gäste bewirten kann wie sonst. Die Kosten seines Betriebs bleiben aber unverändert hoch. Deshalb hat er schon die Idee im Hinterkopf,
vielleicht mit einem Zelt im Außenbereich weitere Plätze zu schaffen. „Wenn man so eine Idee hat, muss man sie besprechen“, sagt er. Die Stadt sei in der Regel gesprächsbereit. Dass ihm die Verwaltung diesen Sommer erlaubt, mehr Fläche zu nutzen, sei für ihn eine wichtige Unterstützung. Trotz der Abstandsregeln kann er jetzt genauso viele Garnituren rausstellen wie in den vorigen Jahren. Die Beibehaltung würde er begrüßen. Wie viel die größere Fläche künftig kosten soll, will er abwarten. Sollte der Winter umsatzmäßig schlecht werden, müsse er nämlich versuchen, das Geschäft im Sommer 2021 nachzuholen. „Vielleicht könnte man sich dann mit der Stadt zusammensetzen und sagen: Wir zahlen das gleiche wie vorher und bekommen wieder die größere Fläche.“
In der Gastronomiebranche wird erwogen, die Saison der Außenbewirtung durch das Aufstellen von Heizpilzen noch um einige Wochen auszudehnen. Doch in Ravensburg sind Heizpilze verboten – aus Umweltschutzgründen, wie Stadtsprecher
Alfred Oswald sagt. Eine Lockerung des Verbots der als klimaschädlich geltenden Outdoor-Heizungen würde wohl kaum zum Weg passen, den Ravensburg mit dem Klimakonsens eingeschlagen hat.
Auch weitere Gastronomen freuen sich über die Unterstützung der Stadt durch die größere Außenfläche und den Erlass der Gebühren dafür in diesem Sommer. In der Marktstraße gegenüber vom Rathaus betreibt Janina Deutelmoser die Kaffeebar „Charlie’s Coffee, Food & Wine“– sie durfte auf der gegenüberliegenden Straßenseite am Brunnen hinterm Rathaus doppelt so viele Tische aufstellen wie sonst. Viele Gäste fänden, dass der Platz hinter dem Rathaus dadurch aufgewertet wird, sagt sie und wünscht sich, dass sie ihn auch im nächsten Sommer verstärkt nutzen darf – zu günstigen Konditionen. Sollten hohe Kosten auf sie zukommen, stehe das nicht in Relation zum zu erwartenden Geschäft. Der Betreiber der Café-Bar Riva, Andreas Reck, freut sich über die Zugeständnisse der Stadt, wünscht sich aber, dass die Möbel und Schirme all jener, die Außenfläche bewirtschaften, dann auch hochwertig sein müssten. Biertische oder Provisorien, die in der Corona-Zeit jetzt akzeptabel seien, sollten dann nicht mehr genutzt werden, findet er.