Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Diskussion um kostenloses Stromtanken reißt nicht ab
Vorschlag von CDU-Stadtrat: Gegenwert der Energie an soziale Einrichtungen überweisen
RAVENSBURG (len) - Ein Aufreger für viele Ravensburger: Lehrer und Verwaltungsangestellte dürfen an 52 Ladepunkten in der Stadt ihr E-Auto kostenlos aufladen. Das ist auch dem CDU-Stadtrat Rolf Engler ein Dorn im Auge. Er hat jetzt den Vorschlag gemacht, dass die Begünstigten den Gegenwert des geschenkten Stroms an eine soziale Einrichtung spenden sollen. Das sagt die Stadtverwaltung dazu, die übrigens klarstellt, dass sie den Strom freiwillig kostenlos abgibt und nicht durch das Förderprogramm dazu gezwungen ist.
Die Stadt Ravensburg baut derzeit vor allem mit Fördergeld des Bundes Stromtankstellen mit 52 Anschlüssen für E-Autos an Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden der Stadt auf. Lehrer und Angestellte der Stadt dürfen dort drei Jahre lang kostenlos Strom tanken – bisher hatte es die Stadtverwaltung in Gremiumssitzungen so dargestellt, als schreibe das Förderprogramm dies vor. Auf erneute Anfrage der „Schwäbischen
Zeitung“heißt es jetzt, das auf drei Jahre befristete Angebot des kostenlosen Ökostroms sei Teil des städtischen betrieblichen Mobilitätsmanagements. „Dadurch soll für die
Mitarbeiter ein Anreiz geschaffen werden, auf nachhaltige Elektromobilität umzusteigen. Dies war aber keine rechtliche Voraussetzung für die Teilnahme am Förderprogramm“, teilt Stadtsprecher Alfred Oswald mit.
Die Faktenlage bleibt aber die gleiche: Lehrer und Angestellte der Stadt dürfen auf Kosten der Stadt Ravensburg tanken und auf den Plätzen während dieser Zeit auch kostenlos parken – ein weiterer Aufreger für Fahrer von Autos mit Verbrennungsmotor, die wohl langfristig durch Parkgebühren auch auf den bislang kostenlosen Parkplätzen auf der Kuppelnau zur Kasse gebeten werden sollen. Die Ladesäulen stehen nach den Schulbeziehungsweise Dienstzeiten jedem Bürger zur Verfügung – allerdings kostet die Energie dann Geld. Das hat bereits zu einer Gerechtigkeitsdiskussion im Technischen Ausschuss des Gemeinderats geführt.
In einem Schreiben an Baubürgermeister Dirk Bastin, das der „Schwäbischen
Zeitung“vorliegt, erkärt Engler nun, die Verärgerung vieler Bürger entzünde sich, weil die kostenlose Stromabgabe nicht dazu passe, dass die Stadt an anderer Stelle zulasten der Bürger Geld einspart. Außerdem führt er an, dass der begünstigte Personenkreis gut abgesichert sei. Sprich: Aus Englers Sicht haben Lehrer und Verwaltungsangestellte keine finanzielle Förderung nötig. Deshalb schlägt der CDU-ler der Stadtverwaltung vor, denjenigen, die kostenlos Strom tanken, trotzdem eine Übersicht über die Kosten des von ihnen getankten Stroms zu schicken – verbunden mit der Bitte, den Betrag an eine Sozialeinrichtung in der Stadt zu spenden. Beispielhaft nennt Engler „SZ-Nothilfe, Kinderstiftung, Frauen in Not, Sport hilft oder ähnliche Sozialvereine“. Mit einer Umsetzung seines Vorschlags sähe Engler „den Bürgersinn“gefördert, wie er schreibt.
Stadtsprecher Oswald teilt dazu mit, dass eine halbjährliche oder jährliche Übersicht über den Strombezug durchaus technisch machbar wäre. „Nach der politischen Sommerpause kann man sicher über den Vorschlag von Herrn Stadtrat Engler diskutieren“, so Oswald.
Betreiber der Ladesäulen sind nach Angaben der Stadtverwaltung die Technischen Werke Schussental (TWS), Privatnutzer zahlen den getankten Strom kontaktlos mit einer Girokarte oder mit der sogenannten TWS-E-Mobil-Ladekarte.
Die Stadt weist außerdem noch darauf hin, dass sich das Förderprogramm für die Installation von Ladesäulen auch an hiesige Unternehmen richtet, die ihren Mitarbeitern dann ebenfalls das Stromtanken bei der Arbeit ermöglichen können. Die Stadt habe bei Ravensburger Unternehmen dafür geworben, die Förderung abzurufen, was in einigen Fällen auch gelungen sei.
Elektroautos machen am gesamten Autobestand im Landkreis Ravensburg bisher (Stand Januar 2020) ein Prozent aus: Von 180 000 Personenkraftwagen, die im Landkreis Ravensburg zugelassen sind, haben nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes 1338 einen Hybridantrieb und 619 einen Elektroantrieb. Der Anteil wächst bereits: Ein Jahr zuvor hatten die beiden Antriebsarten einen Anteil von 0,7 Prozent am Pkw-Bestand im Landkreis.