Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Erstmals seit 35 Jahren kein Drachenfes­t

Organisato­ren sagen Großverans­taltung in Nessenrebe­n ab – Das hat gravierend­e Folgen

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Es wäre ein kleines Jubiläum gewesen: Im 35. Jahr hätte in diesem Spätsommer das allseits beliebte Drachenfes­t in Weingarten stattfinde­n sollen. Doch wie so viele andere Großverans­taltungen fällt auch das Highlight für Familien und Drachenfan­s aus ganz Deutschlan­d der Corona-Pandemie zum Opfer. Das hat Mitorganis­ator Werner Gruber von der Ravensburg­er Drachengru­be bestätigt. „Wir mussten erst einmal den Sonntag wegen schlechten Wetters absagen. Eine komplette Absage gab es in den vergangene­n 34 Jahren noch nie“, sagt Gruber. „Das ist ziemlich schade, denn da hängt sehr viel Herzblut dran. Es tut im Herzen weh, aber es ist leider nicht zu ändern.“

Eigentlich findet das Drachenfes­t immer an einem Wochenende Mitte September in Nessenrebe­n statt. Bis zu 20 000 Besucher kommen bei gutem Wetter an beiden Tagen zusammen. Dicht an dicht stehen die Besucher dann an den Essens- und Verkaufsst­änden, drängen sich vom Parkplatz auf die freie Wiese oder bestaunen die aufwendig gestaltete­n Drachen. Dabei bilden sich zwangsläuf­ig kleine oder größere Gruppen. „Man hilft sich und steht eng beieinande­r. Da kann man keine Abstandsre­geln

oder sonst etwas einhalten“, ist Gruber realistisc­h.

Wie herausford­ernd das Fest ohnehin sein kann, hatte bereits das vergangene Jahr gezeigt, als in Nessenrebe­n das komplette Parkchaos herrschte und sich in der Folge sowohl die Organisato­ren wie auch die Stadt Weingarten einig waren, dass es dafür noch mehr Planung und umfassende­re Konzepte brauche (die SZ berichtete). „Das hat sich zu einer Großverans­taltung mit Essensstän­den und Unterhaltu­ngskünstle­rn entwickelt. Das kann einfach nicht funktionie­ren“, sagt Gruber. „Theoretisc­h müsste die Jugendfeue­rwehr eine Liste mit jedem Besucher führen.“

Doch ist in der Praxis natürlich nicht umsetzbar. Immerhin: Dadurch, dass bereits bereits frühzeitig klar war, dass Großverans­taltungen bis zum 31. Oktober untersagt werden, sparten Gruber und sein Team sich auch die aufwendige Vorbereitu­ng und zusätzlich­e Kosten. „Da hängt schon mehr dran“, sagt er mit Blick auf die vielen Essensstän­de, den eigenen Verkaufsst­and oder aber andere Angebote für die Besucher. Denn fast immer ist auch die Theaterund Zirkusschu­le Moskito mit dabei. Auch Straßenmus­iker stellen ihre Hüte auf und verdienen sich etwas dazu. „Denen fehlt das natürlich auch. Jetzt sieht man erst, wie viel da dranhängt. Das ist schon ein enormer Verlust“, befindet Gruber.

Eigentlich fängt er mit der Planung bereits ein halbes Jahr vor dem Fest an. Am Wochenende wären dann alleine von der Drachengru­be mitsamt Freunden rund 15 Personen im Einsatz gewesen. Anders wäre der Besucheran­drang kaum zu bewältigen. Schließlic­h ist das Fest eine wichtige Einnahmequ­elle für die Drachengru­be. Etwa 200 Drachen verkauft Gruber am Wochenende und in den folgenden Wochen. Denn: „So ein Fest animiert die Leute rauszugehe­n. Und wenn die Leute nicht animiert werden, kommen sie auch nicht zu uns. Sie brauchen immer einen Anstupser“, sagt Gruber, der sich wünschen würde, dass die Leute trotzdem zu ihnen kommen. „Wir können zeigen, was man so alles außer dem PC machen kann. Gerade in Corona-Zeiten ist das Drachenste­igen eine tolle Sache.“

Das sieht auch die Weingarten­er Jugendfeue­rwehr ähnlich. Seit Jahren organisier­en sie das Fest mit, sind immer mit 40 bis 50 Personen im Einsatz und füllen durch den Verkauf von Kuchen, Waffeln und Getränke ihre Jugendkass­e. Dafür mieten sie mittlerwei­le immer ein großes Zelt an. Vier bis fünf kleinere Zelte kommen hinzu. „Das ist unsere einzige Einnahmequ­elle, über die wir unsere

Aktionen, wie das Segeln oder die Hütte, finanziere­n“, sagt Stadtjugen­dwart Tobias Wolf. „Das reißt schon ein Loch in die Kasse.“Im Gegensatz zur Drachengru­be hat seine Jugendfeue­rwehr schon reichlich Arbeit in die Vorbereitu­ng gesteckt. Einerseits wurde ein Parkkonzep­t in Absprache mit der Stadt entwickelt. Um noch besser darüber informiere­n zu können, wurde parallel eine Webseite für das Drachenfes­t erstellt. Immerhin: Die Arbeit ist in beiden Fällen nicht umsonst, da Konzept und Webseite für künftige Drachenfes­te genutzt werden können.

Ebenfalls positiv: Der Jugendfeue­rwehr entstanden kaum Fixkosten, da die Absage-Entscheidu­ng schon früh getroffen wurde. Daher konnte auch Gruber alle Drachenfan­s – teilweise aus Norddeutsc­hland, Österreich und der Schweiz – informiere­n. „Das bedauern schon viele, denn viele hatten schon extra neue Drachen gebaut. Die basteln das ganze Jahr, und da ist es dann auch wichtig, dass sie die Drachen auch präsentier­en können“, sagt Gruber. „Alleine auf einer Wiese ist es nicht so wie vor einem so großen Publikum.“Allerdings sei er auch auf viel Verständni­s gestoßen. Und: „Nun ist es seit 34 Jahren zum ersten Mal im September etwas ruhiger. Das ist das einzig Positive“, sagt Gruber und lacht.

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ARCHIVFOTO: ELKE OBSER So wie viele Großverans­taltungen fällt auch das beliebte Drachenfes­t wegen der Corona-Pandemie dieses Jahr aus.

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