Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Erstmals seit 35 Jahren kein Drachenfest
Organisatoren sagen Großveranstaltung in Nessenreben ab – Das hat gravierende Folgen
WEINGARTEN - Es wäre ein kleines Jubiläum gewesen: Im 35. Jahr hätte in diesem Spätsommer das allseits beliebte Drachenfest in Weingarten stattfinden sollen. Doch wie so viele andere Großveranstaltungen fällt auch das Highlight für Familien und Drachenfans aus ganz Deutschland der Corona-Pandemie zum Opfer. Das hat Mitorganisator Werner Gruber von der Ravensburger Drachengrube bestätigt. „Wir mussten erst einmal den Sonntag wegen schlechten Wetters absagen. Eine komplette Absage gab es in den vergangenen 34 Jahren noch nie“, sagt Gruber. „Das ist ziemlich schade, denn da hängt sehr viel Herzblut dran. Es tut im Herzen weh, aber es ist leider nicht zu ändern.“
Eigentlich findet das Drachenfest immer an einem Wochenende Mitte September in Nessenreben statt. Bis zu 20 000 Besucher kommen bei gutem Wetter an beiden Tagen zusammen. Dicht an dicht stehen die Besucher dann an den Essens- und Verkaufsständen, drängen sich vom Parkplatz auf die freie Wiese oder bestaunen die aufwendig gestalteten Drachen. Dabei bilden sich zwangsläufig kleine oder größere Gruppen. „Man hilft sich und steht eng beieinander. Da kann man keine Abstandsregeln
oder sonst etwas einhalten“, ist Gruber realistisch.
Wie herausfordernd das Fest ohnehin sein kann, hatte bereits das vergangene Jahr gezeigt, als in Nessenreben das komplette Parkchaos herrschte und sich in der Folge sowohl die Organisatoren wie auch die Stadt Weingarten einig waren, dass es dafür noch mehr Planung und umfassendere Konzepte brauche (die SZ berichtete). „Das hat sich zu einer Großveranstaltung mit Essensständen und Unterhaltungskünstlern entwickelt. Das kann einfach nicht funktionieren“, sagt Gruber. „Theoretisch müsste die Jugendfeuerwehr eine Liste mit jedem Besucher führen.“
Doch ist in der Praxis natürlich nicht umsetzbar. Immerhin: Dadurch, dass bereits bereits frühzeitig klar war, dass Großveranstaltungen bis zum 31. Oktober untersagt werden, sparten Gruber und sein Team sich auch die aufwendige Vorbereitung und zusätzliche Kosten. „Da hängt schon mehr dran“, sagt er mit Blick auf die vielen Essensstände, den eigenen Verkaufsstand oder aber andere Angebote für die Besucher. Denn fast immer ist auch die Theaterund Zirkusschule Moskito mit dabei. Auch Straßenmusiker stellen ihre Hüte auf und verdienen sich etwas dazu. „Denen fehlt das natürlich auch. Jetzt sieht man erst, wie viel da dranhängt. Das ist schon ein enormer Verlust“, befindet Gruber.
Eigentlich fängt er mit der Planung bereits ein halbes Jahr vor dem Fest an. Am Wochenende wären dann alleine von der Drachengrube mitsamt Freunden rund 15 Personen im Einsatz gewesen. Anders wäre der Besucherandrang kaum zu bewältigen. Schließlich ist das Fest eine wichtige Einnahmequelle für die Drachengrube. Etwa 200 Drachen verkauft Gruber am Wochenende und in den folgenden Wochen. Denn: „So ein Fest animiert die Leute rauszugehen. Und wenn die Leute nicht animiert werden, kommen sie auch nicht zu uns. Sie brauchen immer einen Anstupser“, sagt Gruber, der sich wünschen würde, dass die Leute trotzdem zu ihnen kommen. „Wir können zeigen, was man so alles außer dem PC machen kann. Gerade in Corona-Zeiten ist das Drachensteigen eine tolle Sache.“
Das sieht auch die Weingartener Jugendfeuerwehr ähnlich. Seit Jahren organisieren sie das Fest mit, sind immer mit 40 bis 50 Personen im Einsatz und füllen durch den Verkauf von Kuchen, Waffeln und Getränke ihre Jugendkasse. Dafür mieten sie mittlerweile immer ein großes Zelt an. Vier bis fünf kleinere Zelte kommen hinzu. „Das ist unsere einzige Einnahmequelle, über die wir unsere
Aktionen, wie das Segeln oder die Hütte, finanzieren“, sagt Stadtjugendwart Tobias Wolf. „Das reißt schon ein Loch in die Kasse.“Im Gegensatz zur Drachengrube hat seine Jugendfeuerwehr schon reichlich Arbeit in die Vorbereitung gesteckt. Einerseits wurde ein Parkkonzept in Absprache mit der Stadt entwickelt. Um noch besser darüber informieren zu können, wurde parallel eine Webseite für das Drachenfest erstellt. Immerhin: Die Arbeit ist in beiden Fällen nicht umsonst, da Konzept und Webseite für künftige Drachenfeste genutzt werden können.
Ebenfalls positiv: Der Jugendfeuerwehr entstanden kaum Fixkosten, da die Absage-Entscheidung schon früh getroffen wurde. Daher konnte auch Gruber alle Drachenfans – teilweise aus Norddeutschland, Österreich und der Schweiz – informieren. „Das bedauern schon viele, denn viele hatten schon extra neue Drachen gebaut. Die basteln das ganze Jahr, und da ist es dann auch wichtig, dass sie die Drachen auch präsentieren können“, sagt Gruber. „Alleine auf einer Wiese ist es nicht so wie vor einem so großen Publikum.“Allerdings sei er auch auf viel Verständnis gestoßen. Und: „Nun ist es seit 34 Jahren zum ersten Mal im September etwas ruhiger. Das ist das einzig Positive“, sagt Gruber und lacht.