Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Arg lädiert ins Risikogebiet
Mit drei Verletzten und einem Corona-Fall im Team reist Bora-hansgrohe zur Tour de France
NIZZA (dpa) - Die Reisewarnung des Robert-Koch-Instituts hat Emanuel Buchmann natürlich vernachlässigt. Schließlich will der arg lädierte deutsche Radstar ab Samstag im zum Risikogebiet erklärten Nizza an der Côte d'Azur seinem Beruf bei der Tour de France nachgehen. Es wird für den Vorjahresvierten, der sich am Mittwoch nach Frankreich aufmacht, eine Reise voller Hindernisse. Nicht nur wegen seiner Form nach dem schweren Sturz vor einer Woche. Auch die Pandemielage in Frankreich bereitet Sorgen. Da passte es ins Bild, dass Buchmanns Bora-hansgrohe-Team am Dienstag einen Corona-Fall melden und seine Mannschaft von dem Rennen Bretagne Classic zurückziehen musste.
Die Tour-Mannschaft um Buchmann ist von dem Fall zwar nicht betroffen. Gleichwohl zeigt es, wie sensibel aktuell die Lage ist. So ist es für viele Experten kaum vorstellbar, dass tatsächlich ein Großereignis wie die Frankreich-Rundfahrt mit Millionen Zuschauern am Straßenrand in diesen Zeiten stattfindet. Zumal die Infektionszahlen zuletzt bei über 4000 Personen pro Tag lagen.
Unverantwortlich findet dies Pharmakologe Fritz Sörgel. „Man muss sich das mal vorstellen. So etwas hatten wir in der Pandemie weltweit wahrscheinlich noch nirgendwo. Ein Tross fährt quer durch ein Land, wo wir eine Reisewarnung ausgeben“, sagte Sörgel.
Buchmanns Teamchef Ralph Denk sieht seine Bora-hansgroheMannschaft davon nicht betroffen. „Die Reisewarnung ist hauptsächlich für Touristen gedacht und für aufschiebbare Reisen. Unsere Reise ist definitiv nicht aufschiebbar und touristischen Zwecken dient unsere Reise an die Côte d'Azur auch nicht“, sagte Denk. Er sei sehr entspannt. „Wir haben da so strenge Vorschriften zu erfüllen, was uns der Veranstalter auferlegt hat. Wir fühlen uns da sicher.“Ähnlich sieht es ManagerKollege
Iwan Spekenbrink vom deutschen Sunweb-Team: „Die ASO und die französische Regierung haben hart daran gearbeitet, das Rennen so sicher wie möglich durchführen zu können. Die Verantwortung der Teams ist es nun, sich an diese Regeln zu halten“
Dreieinhalb Wochen sollen sich die Mannschaften in einer Blase aufhalten, außerhalb des Rennens fast überall Mundschutz tragen und möglichst keinen Kontakt zur Außenwelt haben. Dazu wird fleißig getestet. Wie schnell es trotzdem gehen kann, zeigt der Positivfall von Bora vor dem Rennen Bretagne Classic. Die ganze Mannschaft wurde vom Rennen
abgezogen und hat sich in Selbstisolation begeben. Welcher Fahrer betroffen war, wollte das Team nicht sagen. Aus deutscher Sicht war nur Ex-Meister Marcus Burghardt für das Rennen gemeldet, für die Tour war aber keiner der Fahrer vorgesehen. Gut für Buchmann, fällt ihm also kein Helfer aus. Probleme hat der Ravensburger ja auch bereits genug.
Und so hat auch Denk die Erwartungen an seinen Topfahrer runtergeschraubt. „Das Podium wäre mehr als ein Sechser im Lotto. Es ist nicht nur die Verletzung, die Energie und Regeneration gekostet hat. Das Training hat auch nicht stattgefunden,
Ralph Denk wie es geplant war. Wir müssen damit umgehen, dass wir kleinere Brötchen backen“, sagte der Bayer. Im Training sei es ein Auf und Ab gewesen. Am Dienstag saß Buchmann in Livigno in den italienischen Alpen bei schönstem Sommerwetter noch einmal dreieinhalb Stunden im Sattel. Am Mittwoch geht es dann von Bregenz aus nach Nizza. Dort trifft er auf die Kollegen Maximilian Schachmann und den Österreicher Gregor Mühlbauer, die ebenfalls mit Sturzverletzungen anreisen. Vor allem Schachmann, der einen Schlüsselbeinbruch erlitt, will sich quälen. Das ist alles andere als eine gute Ausgangslage für die 3484,2 Kilometer, wie Denk einräumt. „Wir fahren mal los mit unseren drei Verletzten und schauen, was passiert. Ich glaube, dass sie weit kommen. Aber ob sie Paris erreichen, muss man schauen.“
„Wir fahren mal los mit unseren drei Verletzten und schauen, was passiert.“