Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ein Geschenk für Corona-Skeptiker
Berlin hat dem Kampf gegen das Coronavirus in Deutschland einen Bärendienst erwiesen. Dabei wollte die Stadt mit dem Verbot der Querdenken-Demos von Corona-Skeptikern und Gegnern der Hygieneregeln einen Beitrag zur Viruseindämmung leisten. Bei dem zu erwartenden Teilnehmerkreis sei mit Verstößen gegen den Infektionsschutz zu rechnen, so das Argument.
Auch wenn diese Annahme richtig sein mag: Die Absage der Demonstrationen ist es nicht. Sie ist falsch und kurzsichtig. Der Berliner Senat wischt die Versammlungsfreiheit – eines der höchsten Grundrechte in Deutschland – mit dem Verdacht „Es könnte sein, dass ...“beiseite. Das ist für ein Verbot zu wenig – unabhängig davon, ob man mit der Melange aus Linken und Rechten, besorgten Gastronomen und Eltern, Esoterikern und Antisemiten übereinstimmt.
Nun können sich jene „Querdenker“bestätigt fühlen, die in den Corona-Maßnahmen entweder eine Beschneidung ihrer Grundrechte oder den Teil einer Verschwörung sehen. Sie werden die Absage gewinnbringend ausschlachten können. Jetzt haben sie ihren vermeintlichen Beweis, der Staat wolle sie mundtot machen, damit sie ja nicht die Wahrheit über das Virus sagen können. Das könnte auch jene stutzig machen, die sich gewissenhaft an die Regeln halten.
Berlin hätte das vermeiden können. Die Stadt hätte die Versammlungen laufen lassen und das Recht dennoch durchsetzen können – mit Sicherheitskräften, die überwachen, ob die Menschen Maske tragen und Abstände einhalten. Bei Verstößen müssten sie eingreifen. Das sollte für alle Versammlungen gelten, egal, ob sie sich gegen Rassismus, Umweltzerstörung oder eben gegen eine vermeintliche Corona-Lüge richten.
Die Verfechter ebendieser Theorie haben angekündigt, dennoch zu demonstrieren. Nicht wenige werden darauf pochen, dass Versammlungsfreiheit herrscht. Dann drohen am Samstag hässliche Szenen. Sollte das Verbot bleiben, wird die Polizei hart durchgreifen. Dann könnten sich ausgerechnet die Maskenverweigerer zu Märtyrern für die Grundrechte stilisieren.