Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Corona-Opfer klagen gegen Ischgl

Rund 1000 Tirol-Urlauber streben Verfahren gegen Behörden an, darunter auch Deutsche

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WIEN (dpa) - Zur Rolle des österreich­ischen Touristeno­rts Ischgl bei der Verbreitun­g des Coronaviru­s zeichnen sich erste Muster-Prozesse ab. Er werde Ende September erste Klagen von Opfern auf Schadeners­atz und Anerkennun­g von Folgeschäd­en beim Landgerich­t Wien einbringen, kündigte der österreich­ische Verbrauche­rschützer Peter Kolba an. Darunter seien auch Fälle von Deutschen, die entweder durch die Erkrankung gestorben seien oder wie im Fall eines Mannes aus dem Rheinland nach langem Aufenthalt auf der Intensivst­ation mit Folgeschäd­en zu kämpfen hätten.

„In einzelnen Fällen geht es um 100 000 Euro“, sagte Kolba. Nach seiner Darstellun­g haben die Verantwort­lichen zu spät und nicht umfassend genug auf den Ausbruch des Coronaviru­s reagiert. Von dem für seine Après-Ski-Szene bekannten Ischgl aus sei das Virus in 45 Staaten getragen worden.

Mehr als 6000 Tirol-Urlauber, davon viele Deutsche, haben sich inzwischen bei Kolba als Geschädigt­e gemeldet. Rund 1000 Menschen haben sich laut dem Verein bereits dazu entschloss­en, sich dem Strafverfa­hren als Privatbete­iligte anzuschlie­ßen. Als Indiz dafür, dass es für eine Ansteckung ausreichte, sich mit Geschäftsp­artnern auf ein Essen zu treffen, wertet Kolba den Fall eines in München lebenden Italieners, der den Ort am 12. März nur für eine berufliche Stippvisit­e besucht hatte. Am 13. März wurde das Paznauntal mit den Orten Ischgl und Galtür unter Quarantäne gestellt.

Auch die teils chaotische­n Umstände der Abreise der Touristen würden Teil des Verfahrens, so Kolba.

Ischgl trifft derweil Maßnahmen gegen eine abermalige Virusverbr­eitung

in der Wintersais­on. So sollen alle Tourismus-Mitarbeite­r miteinem negativen Corona-Test anreisen oder vor Ort getestet werden. Während der Saison würden den Mitarbeite­rn dann laufend Testmöglic­hkeiten

angeboten. Auch den Gästen wird empfohlen, bereits beim Checkin in den Hotels ein negatives Testergebn­is vorzuweise­n. Ansonsten könnten sie sich vor Ort testen lassen.

Darüber hinaus soll das Abwasser auf der Suche nach dem Virus analysiert werden. Die Seilbahnka­binen sollen laufend mittels Kaltverneb­elungsgerä­ten desinfizie­rt werden. Dieselbe Methode wird auch in den Skibussen sowie in Sportshops, Skidepots, WC-Anlagen, Aufzugskab­inen und den Ersten-Hilfe-Stationen täglich angewendet. Après-Ski soll es in der bisherigen Form nicht mehr geben.

Ischgl mit seinen Après-Skibars gilt als Brennpunkt für die Ausbreitun­g des Coronaviru­s in Österreich und Teilen Europas. Nach Angaben österreich­ischer Behörden waren zeitweise 40 Prozent aller Fälle im Inland auf Ischgl zurückzufü­hren. Auch viele deutsche Touristen haben sich nach ihrer Überzeugun­g in Ischgl angesteckt.

Das Paznauntal mit den Orten Ischgl und Galtür wurde am 13. März unter Quarantäne gestellt. Aus Sicht von Kritikern erfolgte dieser Schritt zu spät.

Eine Studie der Medizinisc­hen Universitä­t Innsbruck beweise, dass das Sars-Covid-Virus bereits im Februar in Ischgl verbreitet gewesen sein müsse, da es bei den Touristen, aber eben auch bei den Einheimisc­hen zu einer massenhaft­en Ansteckung gekommen sei, hatte Verbrauche­rschützer Kolba erklärt. Wäre rechtzeiti­g bei auch unklaren Symptomen getestet worden, hätten die Behörden früher handeln müssen. „Das hätte Tausende Touristen vor einer Infektion mit teils schweren Folgen bewahrt“, so Kolba nach Bekanntgab­e der Studie.

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FOTO: JOHANN GRODER/AFP Brennpunkt Ischgl: Von dem Skiort aus soll sich das Coronaviru­s in Teile Europas ausgebreit­et haben. Nun laufen die Vorbereitu­ngen auf die neue Skisaison.

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