Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Unterwegs wie einst der Geißenpeter
Ein Wanderweg in Bizau vermittelt viel Wissenswertes über Ziegen
Unweigerlich denkt man auf dem „Goßarweag“Bizau, dem Geißerweg im Bregenzerwald, an den Ziegenpeter, Freund der weltberühmten Heidi von Autorin Johanna Spyri: Er steigt auf der Suche nach einer verlorenen Ziege durch die Felsen, läuft Waldpfade entlang, ruft aufgeregt nach dem Tier in der Sorge, es könnte abgestürzt sein und er vom Besitzer zur Rechenschaft gezogen werden.
Genau diese Szene könnte sich auch in Bizau in Vorarlberg abgespielt haben – dort war die Ziegenhirtschaft über viele Jahrhunderte wesentlicher Bestandteil der Alltagskultur. Damit sie nicht in Vergessenheit gerät, gibt es seit 2014 den „Goßarweag“. Vor Ort bietet es sich an, die kleine Runde gemütlich binnen einer Stunde zu erkunden oder für die große rund drei Stunden einzuplanen.
Lebensgroße Cortenstahlziegen und ein Schild mit weißer Schrift, braunem Grund sowie einem von Gras und Blumen unterlegten Geißkopf im Profil weisen den Weg zu der Wandertour auf historischen Geißenwegen. Ausgangspunkt und damit erste Station ist das Gemeindeamt in Bizau. Dort erfährt man auf dem ersten Schild, dass die Ziegenhirtschaft jahrhundertelang zum Alltag in Bizau gehörte – die Gemeinde schätzt, dass sie auf das 17. Jahrhundert zurückgeht –, dass Geißen eine wichtige Grundlage zur Versorgung mit Milch und Fleisch bildeten und dass die gemeinschaftliche Hirtschaft aller Ziegen des Dorfes jeweils durch einen Hirten, den „Goßar“, und durch den Frühjahrs- und Sommertrieb streng organisiert war. Am Dorfbach entlang geht es weiter, über ein paar schmale Wege kann man zu dem Flüsschen absteigen.
Doch es wäre kein „Goßarweag“, führte der Pfad nicht bald bergan zu weiteren der insgesamt 14 Stationen. An einer der nächsten wird der Beruf des „Goßars“vorgestellt, für den nur Buben, die meist älter waren, akzeptiert wurden. Die „Goßar“waren weder bei den Älplern beliebt – die Ziegen standen in Futterkonkurrenz zu den Rindern – noch bei den Dorfbewohnern,
fraßen die Tiere doch in den Hausgärten alles, was ihnen schmeckte. Auch wenn der Lohn für den Ziegenhirten karg war, hatte dieser immerhin täglich zu essen.
Drei Stunden dauerte der Weg, auf dem teils auch heute gewandert wird, in eine Richtung, morgens um sieben Uhr wurden die Ziegen im Dorf gesammelt. Um 19 Uhr galt es für den „Goßar“, die Tiere wieder gesund ihren Besitzern zurückzubringen. 1948 war der Frühjahrsgeißer noch mit 184, der Sommergeißer mit 159 Ziegen unterwegs. 1971, im letzten Jahr der Hirtschaft, musste der Geißer nur noch elf Tiere hüten.
Fünf Stationen laden Kinder auf dem Wanderweg zum Tasten, Sehen, Hören, Fühlen, Raten und Klettern ein. So kann man auf einem kleinen Glockenspiel aus Geißenglocken musizieren oder beispielsweise ein Geißenhorn erfühlen. Die Information bleibt nicht allein auf Geißen begrenzt: So erfährt man an der Station Waldnutzung, dass Bäume seit alters nicht nur als Bauholz genutzt wurden. Vielmehr sammelten die Menschen beispielsweise Bucheckern und nutzten sie als KaffeeErsatz. Auch Wildfrüchte waren seit alters gefragt – nicht nur bei den Menschen, sondern auch bei Ziegen.
Womit wir wieder bei den manchmal doch recht eigensinnigen, tierischen Kletterkünstlern wären. Ziegen, Ziegen über alles: Vielleicht hat
Sommerzeit ja der Wanderer auf dem Weg das Glück, einen der beiden alten noch lebenden „Goßar“zu treffen, ihm zu lauschen und die Geschichte eines Hirten zu hören. Das ist es, was auf dem Weg fehlt. Eine Idee, vielleicht für einen Ausbau des Weges, meinen nicht nur Kinder, die den Weg getestet haben.
Noch immer gibt es Ziegen in Bizau. Zumindest im Frühjahr und im Herbst können sie in der Koppel bewundert werden. Im Sommer muss man einen längeren Weg auf sich nehmen, um sie zu sehen: Dann sind die meisten Tiere auf der Alpe.
Dass das Genießen nach dem Wandern nicht zu kurz kommt, darauf achten die Bauernhöfe und die Gastronomie in und um Bizau: Es gibt dort Ziegenkäse, Joghurt und Quark zu kaufen.