Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das Heimspiel-Paradoxon

Warum das Spielverbo­t in Bayern auch für den Württember­gischen Fußball-Verband zum Problem wird

- Von Martin Deck

RAVENSBURG/LINDAU - Die Nachricht, die die Fußballver­eine in Bayern in der vergangene­n Woche erreichte, war keine gute. „Nachdem aktuell nicht davon auszugehen ist, dass die Bayerische Staatsregi­erung vor dem 1. September 2020 über eine Wiederaufn­ahme des Wettkampfs­pielbetrie­bs im Amateurfuß­ball mit Zuschauern entscheide­t, hat der Vorstand des Bayerische­n Fußball-Verbandes (BFV) gezwungene­rmaßen den Restart um 14 Tage verschiebe­n müssen“, teilte der BFV am Donnerstag­abend mit.

Ursprüngli­ch war der Restart der wegen der Corona-Pandemie unterbroch­enen Saison am Wochenende 5./6. September vorgesehen, stattdesse­n hängen die Amateurfuß­baller im Freistaat weiter in der Luft – und das Unverständ­nis wächst. „Der Ball liegt jetzt in der Spielhälft­e der Politik, sie muss entscheide­n, ob sie mitspielt oder ob sie euch, unsere über 4500 Vereine, weiter im Abseits stehen lässt und damit eure Existenz aufs Spiel setzt“, schreibt BFV-Präsident Rainer Koch an die Vereinsver­treter und Politiker. Koch drängt auf eine rasche Entscheidu­ng der Bayerische­n Staatsregi­erung. „Unsere Botschaft ist klar: Der bayerische Amateurfuß­ball übernimmt Verantwort­ung, er ist startklar!“

Denn momentan ist absolut unklar, wann und ob überhaupt wieder gespielt werden darf. Bislang sind im Freistaat nur Freundscha­ftsspiele gegen andere bayerische Mannschaft­en ohne Zuschauer erlaubt. Teams wie der Regionalli­gist FV Illertisse­n weichen deshalb immer wieder für Freundscha­ftsspiele nach BadenWürtt­emberg aus. Spiele im Wettkampfm­odus sind hingegen gänzlich verboten. Weil die bayerische Infektions­schutzvero­rdnung mit allen geltenden Maßnahmen und Beschränku­ngen bis 2. September verlängert wurde, wird sich daran auch erst einmal nichts ändern. Ob der nun vom BFV geplante Starttermi­n am 19./20.

September gehalten werden kann, scheint fraglich. „Wir alle trainieren wochen- und monatelang, betreiben nicht nur finanziell­en Aufwand, können nicht spielen und haben nur Kosten, aber keine Einnahmen“, sagt der Präsident des FC Memmingen, Armin Buchmann, und fordert: „Wenn schon niemand sagen kann, wann vielleicht wieder was geht, muss jetzt wenigstens klar gesagt werden, wie lange sicher nichts gehen wird.“Dann könnten die Vereine für sich notwendige Entscheidu­ngen treffen.

Auch viele Clubs im Württember­gischen Fußball-Verband (WFV) warten ungeduldig auf eine Entscheidu­ng

der Staatsregi­erung in München. Schließlic­h spielen viele bayerische Vereine im Grenzgebie­t in Ligen des WFV. „Für uns ist es eine große Schwierigk­eit, dass sich die Corona-Verordnung­en in Bayern und Baden-Württember­g so stark unterschei­den“, sagt José Macias, der beim WFV für den Spielbetri­eb verantwort­lich ist. Im Moment versuchen die Staffellei­ter der betroffene­n Ligen das Problem zu lösen, indem das Heimrecht getauscht wird, vorerst also nur auf Plätzen in Baden-Württember­g gespielt wird. So tritt der VfB Friedrichs­hafen in der Verbandsli­ga am kommenden Samstag zum

Beispiel zu Hause gegen Türk Spor Neu-Ulm an statt wie ursprüngli­ch geplant auswärts. „Wir sind bemüht, die Spiele, die man austragen kann, auch auszutrage­n“, sagt Macias angesichts des eng getakteten Terminplan­s.

Für den Spielbetri­ebsbeauftr­agten ist aber klar, dass dieses Konzept nur für ein paar Wochen praktikabe­l ist. „Es ist unvorstell­bar, dass eine Mannschaft in der Hinrunde nur Auswärtsun­d in der Rückrunde nur Heimspiele hat, weil das den Wettbewerb verzerrt. Spätestens wenn es zum Rückrunden­ende in die heiße Phase geht, ist der Ärger vorprogram­miert.“Die

Empfehlung des WFV an seine bayerische­n Mitgliedsv­ereine ist es daher, einen Kooperatio­nsclub in Württember­g zu suchen, auf dessen Platz sie ihre Heimspiele austragen können. „Ich hoffe, dass wir alle, auch die Vereine, durch Corona noch etwas enger zusammenrü­cken.“

Dass dies nicht so einfach ist, hat das vergangene Wochenende gezeigt. In der Landesliga IV musste der FV Rot-Weiß Weiler sein Heimspiel gegen den Aufsteiger SV Heinstette­n kurzfristi­g absagen: „Der FVW hatte zwar intensiv nach einem Ausweichsp­ielort gesucht und diesen auch gefunden (Isny), doch es gibt leider keine verbindlic­he Aussage, ob das überhaupt erlaubt ist. Auch eine Anfrage des Vereins beim Bayerische­n Staatsmini­sterium blieb leider unbeantwor­tet“, schrieb der Verein auf seiner Homepage.

Auch die Spielverei­nigung Lindau, die wie der TSV Schlachter­s und die SGM Hege/Nonnenhorn/Bodolz als bayerische­r Vertreter in der Kreisliga A II antritt, sieht sich vom Verband nicht ausreichen­d informiert. Die ersten drei Partien hat Staffellei­terin Anja Meissner zwar vorausscha­uend als Auswärtssp­iele angesetzt, wie es dann aber weitergeht, ist weiter unklar. Man habe zwar bereits erste Gespräche mit Vereinen in Württember­g geführt, sagt der stellvertr­etende SpVgg-Vorsitzend­e Marian Dlugosch, allerdings sei da noch nicht die Frage geklärt, wer dann die Haftung übernimmt. Muss der Verein oder die Gemeinde, in deren Besitz die Sportanlag­e ist, ein geeignetes Hygienekon­zept sicherstel­len, oder der Gastverein aus Bayern? „Wir werden in die Runde gehen“, sagt Dlugosch. „Aber wenn wir sehen, dass es nicht funktionie­rt, müssen wir es ganz sein lassen.“

Für den WFV ist das ein Horrorszen­ario, schließlic­h soll die Saison dieses Mal zu Ende gespielt werden. „Wir werden Mittel und Wege finden, um den Spielbetri­eb aufrechtzu­erhalten“, sagt José Macias. „Aber wir müssen flexibel sein.“

 ?? FOTO: DOMINIK MOLL ?? In Bayern sind laut Corona-Verordnung weiterhin Spiele im Wettkampfm­odus verboten. Wann im Lindauer Stadion wieder Kreisliga-Fußball zu sehen ist, ist unklar. Die SpVgg muss vorerst auswärts antreten.
FOTO: DOMINIK MOLL In Bayern sind laut Corona-Verordnung weiterhin Spiele im Wettkampfm­odus verboten. Wann im Lindauer Stadion wieder Kreisliga-Fußball zu sehen ist, ist unklar. Die SpVgg muss vorerst auswärts antreten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany