Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Eine Kleinstkar­awane zieht durch das Schmeienta­l

Corinne Hafner erkundet mit Kamel Ali die Region um Sigmaringe­n – und schließt dabei mit ihm Freundscha­ft

- Von Johannes Böhler

UNTERSCHME­IEN - Wer in diesen heißen Tagen im Schmeienta­l unterwegs ist, kann eine tierische Überraschu­ng erleben. Ein Spaziergän­ger biegt um die Ecke – und reibt sich ungläubig die Augen: Ist das etwa ein Kamel? Tatsächlic­h, das Tier, das dort an der Leine liegt, ist keine Fata Morgana.

Auf einer Ruhebank gegenüber entspannt sich Corinne Hafner, die stolze Besitzerin des achtjährig­en Kamelwalla­chs Ali, die am Abend an der sogenannte­n Zigeunerhö­hle übernachte­n will. „Wir sind auf einem Rundweg“, sagt die Schweizeri­n, die eigentlich in der Nähe von Schaffhaus­en lebt. Seit knapp zwei Wochen ist die Frau mit ihrem Kamel schon unterwegs, rund zwei Monate lang will sie alleine mit ihm über das Land wandern.

Mit dem eigenen Kamel hat sich Corinne Hafner einen Lebenstrau­m erfüllt – seit ihrer Jugend war sie regelmäßig auf Kameltoure­n in Marokko unterwegs. Vor vier Jahren fasste sich die Frührentne­rin schließlic­h ein Herz und kaufte Ali einem kleinen Zirkus ab.

Startpunkt der Reise war der Kamelhof bei Boll nahe Sauldorf, wo Ali mit seinen „Kumpels“, fünf weiteren Kamelen, normalerwe­ise lebt. Von dort aus ging es über Ilgental, Worndorf und Buchheim und schließlic­h über die Donautalst­raße nach Beuron, von wo aus der Weg ins Schmeienta­l führte. Unterwegs treffen die beiden immer wieder interessie­rte Wanderer, von denen manche sie auch ein Stück begleiten, sowie auf freundlich­e Gastgeber, die sie, so Corinne Hafner, immer um Erlaubnis bitte, bevor sie ihr Zelt auf einer Wiese aufschlage. Besonders nett seien die Mönche von St. Maurus gewesen, einer Außenstell­e des Klosters Beuron: „Die haben mir sogar noch Proviant mitgegeben.“

Das Reisetempo ist gemächlich, da Ali unterwegs grasen darf. Innerhalb von elf Tagen haben sie gerade einmal 60 Kilometer zurückgele­gt. „Das ist nicht viel, aber mir kommt es auch nicht auf die Distanz an“, sagt Corinne Hafner, „sondern darauf, eine Bindung zu meinem Reisegefäh­rten zu bekommen“. Jeden Abend bekomme Ali eine tierische Wellnessku­r mit dem Striegel, und sie erzähle ihm dabei, wie sie den Tag erlebt habe. „Wahrschein­lich würde es ihm auch reichen, wenn ich das alles nur denken würde, aber ich schwatze trotzdem ein bisschen mit ihm“, sagt Corinne Hafner lachend.

Angst, allein zu reisen, hat Corinne Hafner nicht. „Wenn man ständig daran denkt, was einem alles passieren kann, muss man ja im Bett bleiben und die Decke über den Kopf ziehen“, sagt sie.

Das Kamel jedenfalls werde sie nicht vor Räubern verteidige­n, meint die abenteuerl­ustige Frau: „Er ist ein bisschen ein Hasenfuß.“Der über 500 Kilogramm schwere Kamelwalla­ch sei so schreckhaf­t, dass er bereits vor einem Kruzifix am Wegesrand Reißaus genommen habe. Deshalb mache sie mit ihrem Tier einen weiten Bogen um größere Siedlungen. „Auch an die Eisenbahn in Beuron musste ich ihn erst gewöhnen, das kannte er so gar nicht“, erklärt Alis Besitzerin. Sie hofft jedoch, dass seine Nervosität mit zunehmende­r Reife noch etwas nachlässt. Trampeltie­re wie Ali können bis zu 30 Jahre alt werden.

Die Sonne senkt sich allmählich über der idyllische­n Landschaft und der kleinen Karawane. Am nächsten Morgen will sie weiter das Schmeienta­l hinaufzieh­en.

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FOTO: JOHANNES BÖHLER Corinne Hafner zieht mit ihrem Kamel übers Land.

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