Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mehr Verstöße gegen Hygiene-Regeln auf dem Bau
IG Bau kritisiert sinkende Disziplin – Kreishandwerkerschaft und Berufsgenossenschaft relativiert
KREIS RAVENSBURG - Die „CoronaDisziplin“auf dem Bau sinkt: Auf immer mehr Baustellen im Landkreis Ravensburg wird gegen Abstandsund Hygieneregeln verstoßen. Das kritisiert die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). „Viele Baufirmen nehmen die Ansteckungsgefahr mit dem Corona-Virus auf die leichte Schulter. Das ist fatal“, sagt der Regionalleiter der IG BAU Südwürttemberg, Andreas Harnack.
Immer häufiger werde wieder „im alten Trott“gearbeitet – wie vor der Corona-Pandemie. Viele Bauunternehmen blendeten die Gefahr einer Infektion mit dem Covid-19-Virus inzwischen einfach aus, so die IG BAU. Bei ihren Baustellen-Visiten stoße die Gewerkschaft auf „grobe Corona-Sünden“: „Oft ist nicht einmal das Händewaschen möglich. Ein Waschbecken mit Seife und fließendem Wasser – Fehlanzeige. Von Desinfektionsmittel-Spendern ganz zu schweigen. Aber auch Sammeltransporte in Bullis sind schon längst wieder an der Tagesordnung. Genauso Frühstücks- und Mittagspausen dicht an dicht im Bauwagen“, sagt Andreas Harnack.
In einer Stellungnahme dazu schreibt Franz Moosherr, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Ravensburg, unter anderem: „Die pauschale Kritik der IG Bau ist teilweise berechtigt. Sie betrifft jedoch nicht unsere mittelständischen Baubetriebe,
die mit ihren eigenen Mitarbeitern tätig sind, sondern Großbaustellen, bei denen Billigkolonnen als Subunternehmer zum Einsatz kommen. Unsere Baubetriebe aus der Region nehmen die Corona-bedingt erhöhten Anforderungen an die Hygiene auf Baustellen mehr denn je sehr ernst. Überprüfungen durch die Berufsgenossenschaft und Gewerbeaufsicht führten bisher nach meinem Kenntnisstand auch zu keinen nennenswerten Beanstandungen.“
Allerdings hinterließen die mehr und mehr auf breiter Front zu beobachtende Unvernunft und mangelnde Vorsicht im öffentlichen Leben auch bei den Arbeitnehmern der Betrieben Spuren, führt Moosherr aus.
Es seien größere Kraftanstrengungen der Firmenchefs notwendig, um die Arbeitnehmer auf Kurs zu halten. Dies falle umso schwerer, je mehr offensichtliche Verstöße gegen die Corona-Verordnung an der Tagesordnung seien und nicht konsequent sanktioniert würden, so Moosherr: „Die ihrer Fachinnung angeschlossenen Handwerksunternehmer sind ungeachtet dessen stets gut informiert und werden mit ganzer Kraft den Vorgaben der Corona-Verordnung zum Schutze ihrer Kunden, Angestellten und im eigenen persönlichen und wirtschaftlichen Interesse größtmöglich Rechnung tragen.“
Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft sieht auch keine gravierenden Mängel: „Unser Eindruck ist, dass sich die Situation in den vergangenen Wochen und Monaten kontinuierlich verbessert hat. Haben wir zu Beginn der Pandemie noch bei rund einem Drittel der durch uns besichtigten Baustellen teils gravierende Hygienemängel festgestellt, so ist das heute noch bei rund jeder zehnten durch uns besichtigten Baustelle der Fall. Diese Entwicklung und unsere Erfahrungen verdeutlichen uns, dass die Wichtigkeit des Themas auf den Baustellen angekommen ist und der Schutz vor einer Ansteckung mit dem Virus in der überwiegenden Zahl der Fälle ernst genommen wird.“
Allerdings gilt diese Aussage pauschal für alle Baustellen in Deutschland, da eine landkreisbezogene Erhebung
oder Auswertung über die Anzahl von Besichtigungen und einzelne Ergebnisse nicht erfolge.
Die zuständige Behörde für den Schutz der Mitarbeiter auf dem Bau ist die Gewerbeaufsicht. Diese kontrolliert unter anderem die Einhaltung des sozialen Arbeitsschutzes, wie zum Beispiel fehlende Toiletten, Waschmöglichkeiten, Pausencontainer stichprobenartig und berät die Unternehmen. Auf Anfrage dazu folgende Stellungnahme des Landratsamts Ravensburg: „Seit Corona wird auch auf die Einhaltung der geltenden Abstands- und Hygieneregeln geachtet. Leider stellen auch wir immer wieder Mängel bei der Einhaltung fest. Hier werden dann entsprechende Maßnahmen ergriffen.“
Vieles bleibt diffus bei dieser Kritik der IG Bau. Zu pauschalen Anschuldigungen erfolgen pauschale Antworten. Konkret werden will niemand. So erfolgte zum Beispiel keinerlei Rückmeldung von Seiten der Gewerkschaft auf telefonische und schriftliche Nachfragen zu Details. Auch gab es auf mehrere Anfragen an einen großen Bauträger in Ravensburg keinerlei Antwort. Fakt ist, dass auf allen größeren Baustellen vom Bauherrn ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator zu bestellen ist. Dieser hat auf die Einhaltung aller geltenden Vorschriften zum Schutz der Mitarbeiter zu achten. Finden dann doch Missachtungen statt, sollten sich die Mitarbeiter beim Gesundheitsamt melden.