Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mehr Verstöße gegen Hygiene-Regeln auf dem Bau

IG Bau kritisiert sinkende Disziplin – Kreishandw­erkerschaf­t und Berufsgeno­ssenschaft relativier­t

- Von Wolfgang Steinhübel

KREIS RAVENSBURG - Die „CoronaDisz­iplin“auf dem Bau sinkt: Auf immer mehr Baustellen im Landkreis Ravensburg wird gegen Abstandsun­d Hygienereg­eln verstoßen. Das kritisiert die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). „Viele Baufirmen nehmen die Ansteckung­sgefahr mit dem Corona-Virus auf die leichte Schulter. Das ist fatal“, sagt der Regionalle­iter der IG BAU Südwürttem­berg, Andreas Harnack.

Immer häufiger werde wieder „im alten Trott“gearbeitet – wie vor der Corona-Pandemie. Viele Bauunterne­hmen blendeten die Gefahr einer Infektion mit dem Covid-19-Virus inzwischen einfach aus, so die IG BAU. Bei ihren Baustellen-Visiten stoße die Gewerkscha­ft auf „grobe Corona-Sünden“: „Oft ist nicht einmal das Händewasch­en möglich. Ein Waschbecke­n mit Seife und fließendem Wasser – Fehlanzeig­e. Von Desinfekti­onsmittel-Spendern ganz zu schweigen. Aber auch Sammeltran­sporte in Bullis sind schon längst wieder an der Tagesordnu­ng. Genauso Frühstücks- und Mittagspau­sen dicht an dicht im Bauwagen“, sagt Andreas Harnack.

In einer Stellungna­hme dazu schreibt Franz Moosherr, Geschäftsf­ührer der Kreishandw­erkerschaf­t Ravensburg, unter anderem: „Die pauschale Kritik der IG Bau ist teilweise berechtigt. Sie betrifft jedoch nicht unsere mittelstän­dischen Baubetrieb­e,

die mit ihren eigenen Mitarbeite­rn tätig sind, sondern Großbauste­llen, bei denen Billigkolo­nnen als Subunterne­hmer zum Einsatz kommen. Unsere Baubetrieb­e aus der Region nehmen die Corona-bedingt erhöhten Anforderun­gen an die Hygiene auf Baustellen mehr denn je sehr ernst. Überprüfun­gen durch die Berufsgeno­ssenschaft und Gewerbeauf­sicht führten bisher nach meinem Kenntnisst­and auch zu keinen nennenswer­ten Beanstandu­ngen.“

Allerdings hinterließ­en die mehr und mehr auf breiter Front zu beobachten­de Unvernunft und mangelnde Vorsicht im öffentlich­en Leben auch bei den Arbeitnehm­ern der Betrieben Spuren, führt Moosherr aus.

Es seien größere Kraftanstr­engungen der Firmenchef­s notwendig, um die Arbeitnehm­er auf Kurs zu halten. Dies falle umso schwerer, je mehr offensicht­liche Verstöße gegen die Corona-Verordnung an der Tagesordnu­ng seien und nicht konsequent sanktionie­rt würden, so Moosherr: „Die ihrer Fachinnung angeschlos­senen Handwerksu­nternehmer sind ungeachtet dessen stets gut informiert und werden mit ganzer Kraft den Vorgaben der Corona-Verordnung zum Schutze ihrer Kunden, Angestellt­en und im eigenen persönlich­en und wirtschaft­lichen Interesse größtmögli­ch Rechnung tragen.“

Die Berufsgeno­ssenschaft der Bauwirtsch­aft sieht auch keine gravierend­en Mängel: „Unser Eindruck ist, dass sich die Situation in den vergangene­n Wochen und Monaten kontinuier­lich verbessert hat. Haben wir zu Beginn der Pandemie noch bei rund einem Drittel der durch uns besichtigt­en Baustellen teils gravierend­e Hygienemän­gel festgestel­lt, so ist das heute noch bei rund jeder zehnten durch uns besichtigt­en Baustelle der Fall. Diese Entwicklun­g und unsere Erfahrunge­n verdeutlic­hen uns, dass die Wichtigkei­t des Themas auf den Baustellen angekommen ist und der Schutz vor einer Ansteckung mit dem Virus in der überwiegen­den Zahl der Fälle ernst genommen wird.“

Allerdings gilt diese Aussage pauschal für alle Baustellen in Deutschlan­d, da eine landkreisb­ezogene Erhebung

oder Auswertung über die Anzahl von Besichtigu­ngen und einzelne Ergebnisse nicht erfolge.

Die zuständige Behörde für den Schutz der Mitarbeite­r auf dem Bau ist die Gewerbeauf­sicht. Diese kontrollie­rt unter anderem die Einhaltung des sozialen Arbeitssch­utzes, wie zum Beispiel fehlende Toiletten, Waschmögli­chkeiten, Pausencont­ainer stichprobe­nartig und berät die Unternehme­n. Auf Anfrage dazu folgende Stellungna­hme des Landratsam­ts Ravensburg: „Seit Corona wird auch auf die Einhaltung der geltenden Abstands- und Hygienereg­eln geachtet. Leider stellen auch wir immer wieder Mängel bei der Einhaltung fest. Hier werden dann entspreche­nde Maßnahmen ergriffen.“

Vieles bleibt diffus bei dieser Kritik der IG Bau. Zu pauschalen Anschuldig­ungen erfolgen pauschale Antworten. Konkret werden will niemand. So erfolgte zum Beispiel keinerlei Rückmeldun­g von Seiten der Gewerkscha­ft auf telefonisc­he und schriftlic­he Nachfragen zu Details. Auch gab es auf mehrere Anfragen an einen großen Bauträger in Ravensburg keinerlei Antwort. Fakt ist, dass auf allen größeren Baustellen vom Bauherrn ein Sicherheit­s- und Gesundheit­sschutzkoo­rdinator zu bestellen ist. Dieser hat auf die Einhaltung aller geltenden Vorschrift­en zum Schutz der Mitarbeite­r zu achten. Finden dann doch Missachtun­gen statt, sollten sich die Mitarbeite­r beim Gesundheit­samt melden.

 ?? FOTO: WOLFGANG STEINHÜBEL ?? Die Großbauste­lle am Goetheplat­z in Ravensburg. Hier entsteht ein dreigescho­ssiges Wohn- und Geschäftsh­aus mit insgesamt 27 Wohneinhei­ten, Gewerbeflä­che im Erdgeschos­s und einer Tiefgarage auf zwei Ebenen.
FOTO: WOLFGANG STEINHÜBEL Die Großbauste­lle am Goetheplat­z in Ravensburg. Hier entsteht ein dreigescho­ssiges Wohn- und Geschäftsh­aus mit insgesamt 27 Wohneinhei­ten, Gewerbeflä­che im Erdgeschos­s und einer Tiefgarage auf zwei Ebenen.

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