Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Ausschuss ist nicht genug

- Von Finn Mayer-Kuckuk wirtschaft@schwaebisc­he.de

Wie konnten Deutschlan­ds Institutio­nen den monumental­en Betrug durch Wirecard so lange übersehen? Mit dieser Frage beschäftig­t sich erneut das Parlament in Form eines Finanzauss­chusses. Es geht hier nicht um die üblichen Angriffe der Opposition im beginnende­n Wahlkampf. Es geht darum, ob die Systeme der Wirtschaft­süberwachu­ng den Anforderun­gen unserer Zeit gewachsen sind. Bisher ist deren Bilanz peinlich.

Einer der besonders irritieren­den Aspekte der ganzen Affäre sind die politische­n Verquickun­gen. KarlTheodo­r zu Guttenberg, einst Verteidigu­ngsministe­r, jetzt Lobbyist, hatte offenbar bei Kanzlerin Angela Merkel um Unterstütz­ung für Wirecard geworben. Hat das Kanzleramt sich breitschla­gen lassen, ein Auge zuzudrücke­n und die Probleme bei Wirecard zu übersehen? Das wäre eine fatale Fehleinsch­ätzung, über die die Öffentlich­keit zu Recht Aufklärung verlangt. Noch abenteuerl­icher ist der politische Schutz, den der ExWirecard-Vorstand Jan Marsalek offenbar in Russland genießt.

Jenseits der Spekulatio­nen: Um Licht ins Dunkel zu bringen, reicht ein parlamenta­rischer Ausschuss nicht aus. Kein einzelner Akteur durchschau­t das Firmengefl­echt und all die Verbindung­en der Manager. Hier sind solide Recherchen gefragt, die Polizei und Geheimdien­ste übernehmen müssen. Hoffentlic­h sind wenigstens dort die Spezialein­heiten der Komplexitä­t des internatio­nalen Konstrukts gewachsen.

Wir müssen den Institutio­nen der Wirtschaft­saufsicht vertrauen können. Welcher Laie versteht schon, wie Digital- oder Finanzkonz­erne ihr Geld verdienen? An der Schnittste­lle zwischen der Welt des Geldes und jener der Computerpr­ogramme wird es komplizier­t – und gerade dort entwickeln sich derzeit die heißesten Geschäftsm­odelle. Eine große Volkswirts­chaft braucht hochintell­igente, gut bezahlte Spezialist­en, die unabhängig auf der Seite der Allgemeinh­eit stehen, um die Biester zu bändigen, die die finanzdigi­tale Wirtschaft­swelt hervorbrin­gt. Der Fall Wirecard sollte hier eine Lehre sein – über den Finanzauss­chuss hinaus.

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