Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Bernd und ich sind uns einig: Wir sind nicht im Feudalismus“
Linken-Chefin Katja Kipping rechnet damit, dass sich Nachfolge-Kandidaten für sie und Co-Chef Riexinger bald äußern werden
BERLIN - Katja Kipping, Noch-Chefin der Linken, geht davon aus, dass es „mindestens zwei überzeugende Kandidaturen“für ihre Nachfolge gibt. Das sagt sie im Gespräch mit André Bochow.
Frau Kipping, Ende Oktober, Anfang November soll auf einem Parteitag in Erfurt Ihre Nachfolge geregelt werden. Wird es den Parteitag überhaupt geben?
Das hoffe ich sehr. Dreimal auf Holz. Wir haben ein Hygienekonzept, das alle Anforderungen bisher übertrifft, wir sind unter 1000 Personen, auch weil bedauerlicherweise keine Gäste kommen können. Das Infektionsgeschehen in Thüringen ist überschaubar.
Sie und Herr Riexinger haben sich bereits im März dazu entschlossen, nicht wieder zu kandidieren, warum haben Sie sich erst jetzt geäußert?
Weil uns Corona dazwischengekommen ist. Der Parteitag musste verschoben werden und wir wollten eine monatelange Personaldiskussion vermeiden.
Und Sie haben in dieser Zeit nie mit dem Gedanken gespielt, es doch noch einmal zu versuchen? Trotz der Acht-Jahres-Klausel in der Satzung hätten Sie ja kandidieren können.
Die Entscheidung, die Arbeit an der Parteispitze anderen zu überlassen, ist mir auch deshalb nicht schwergefallen, weil ich wusste, dass es gute Nachfolgekandidaturen geben wird.
Ich weiß, dass Sie keine Namen nennen, wenn es um Ihre Nachfolge geht. Aber noch sind Sie Vorsitzende. Werden Sie einen Personalvorschlag machen?
Jedes Parteimitglied hat ein Vorschlagsrecht. Aber Bernd und ich sind uns einig: Wir sind nicht im Feudalismus. Wir haben uns darum gekümmert, dass es mindestens zwei überzeugende Kandidaturen gibt. Entscheiden werden die Parteitagsdelegierten.
Und diese zwei Kandidaturen werden in den kommenden Tagen bekannt gegeben?
Das liegt in der Hand der Kandidierenden. Aber davon gehe ich aus.
Sie fühlen sich nicht ein bisschen an den Parteitag 2012 in Göttingen erinnert, als vorher auch nicht klar war, wer den Vorsitz übernimmt, und bei dem es sehr viel Streit gab? Das kann man überhaupt nicht vergleichen. Wir haben heute eine ganz andere Atmosphäre in der Partei und auch im Parteivorstand. Es gibt nach wie vor kontroverse Diskussionen. Die sind aber sachorientiert. Wir sind eine viel bessere Gemeinschaft und wir lachen viel mehr miteinander.
Ist die Linke im Bund regierungswillig? Was auch hieße, das Gemeinsame mit der SPD zu betonen. Da hat sich bei uns einiges getan. Aber das heißt nicht, dass wir im vorauseilenden Gehorsam die Kritik an der sozialdemokratischen Regierungspolitik im Bund einstellen. Und eins ist auch klar: Nur wer uns wählt, kann sich sicher sein, dass das keine Stimme für eine Bündnispartnerin der Union ist.
Wenn die Frage der Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl im März diskutiert wird, stehen Sie dann als Kandidatin zur Verfügung? Oder sagen Sie das auch erst wieder zwei Monate vorher? (lacht) In den kommenden zwei Monaten konzentriere ich mich noch auf die Arbeit als Parteivorsitzende. Über alles andere sprechen wir später.
Die Erfahrung lehrt, Sie haben Ihre Entscheidung schon getroffen.
Ich kann mir Verschiedenes vorstellen. Aber ich habe für mich noch keine endgültigen Entscheidungen gefällt. Jetzt arbeite ich dafür, dass vom Parteitag ein Signal des Aufbruchs ausgeht.
Gehört zu den Dingen, die Sie sich vorstellen können, erste linke Bundesministerin in einer rot-rot-grünen Regierung zu werden? Zum Beispiel Sozialministerin?
Ich möchte vor allem, dass wir bei eventuellen Koalitionsverhandlungen soziale Weichen stellen. Garantierter Schutz vor Armut. Sanktionsfreiheit bei Hartz IV, eine Besserstellung der Mitte, sichere und gerechte Rente und gute Arbeit. Wer das dann umsetzt, darüber wird zu sprechen sein, wenn es so weit ist.