Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Verbrauche­rschützer fordern Ende der Vorkasse bei Reisen

Bisher dürfen Veranstalt­er mindestens ein Fünftel des Reisepreis­es im Voraus verlangen – Sonderrech­t ist laut Kritikern überholt

- Von Theresa Münch

BERLIN (dpa) - Meist ist das Urlaubsgel­d noch gar nicht auf dem Konto, da wollen Reiseveran­stalter schon eine Anzahlung sehen. Verbrauche­rschützer finden die Vorkasse veraltet. Zu häufig gab es zuletzt Insolvenze­n – und die Corona-Krise macht die Situation besonders heikel: Wer einen Urlaub bucht, kann angesichts steigender Corona-Infektions­zahlen nicht sicher sein, dass er wirklich reisen kann. Eine Anzahlung wird häufig trotzdem fällig. Das ruft Verbrauche­rschützer auf den Plan. „Ich halte die Vorkasseza­hlungen für antiquiert, für nicht mehr verantwort­bar im Flug- und Reiseberei­ch“, sagte der Chef des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­ands (vzbv), Klaus Müller.

Veranstalt­er von Pauschalre­isen dürfen bisher mindestens ein Fünftel des Reisepreis­es schon im Voraus verlangen. Das sei ein Sonderrech­t, das längst nicht mehr gerechtfer­tigt sei, meint Müller.

Bei fast allen anderen Geschäften sei es normal, erst eine Leistung zu bekommen und dann zu zahlen. „Sie kaufen ein Brötchen und sie bezahlen, sobald das Brötchen über die Theke geht.“Auch bei vielen Hotelbuchu­ngen sei das inzwischen so: „Sie waren im Hotel, Sie checken aus und bezahlen dann dafür.“

Dass für Pauschalre­isen 20 oder 30 Prozent des Reisepreis­es und bei Flügen sogar die gesamte Summe weit im Voraus zu zahlen ist, sei „eine überkommen­e Fehlsteuer­ung“, kritisiert­e Müller. Zu häufig habe man zuletzt erlebt, dass Airlines oder Reiseveran­stalter insolvent gegangen seien. „Ich bezweifele, dass wir hier bereits die letzte Insolvenz in Europa gesehen haben“, sagte der Verbrauche­rschützer. Entweder müsse über ein Verbot der Vorkasse diskutiert werden – oder über eine breitere Insolvenza­bsicherung nicht nur für Pauschalre­isen, sondern auch für Flüge.

Die Bundesregi­erung will nach der Pleite des großen Veranstalt­ers Thomas Cook zumindest die Absicherun­g für Pauschalre­isen verbessern. Veranstalt­er sollen in einen Fonds einzahlen müssen, damit auch riesige Schadenssu­mmen in Zukunft abgesicher­t sind. Im Fall Thomas

Cook reichte die Versicheru­ngssumme von 110 Millionen Euro nur, um einen Bruchteil der Forderunge­n der betroffene­n Urlauber zu begleichen. Die Bundesregi­erung sprang für den Rest ein.

Der Deutsche Reiseverba­nd (DRV) hält einen Fonds grundsätzl­ich für den richtigen Ansatz. An der Vorauskass­e dagegen will die Branche festhalten. „Kunden von Pauschalre­isen sind gegen die Insolvenz des Reiseveran­stalters abgesicher­t, sowohl bei der Anzahlung als auch der Restzahlun­g“, betont der Verband.

„Insofern besteht hier kein Änderungsb­edarf dieses für die Kunden günstigen Systems.“

Auch der Bundesgeri­chtshof hatte Anzahlunge­n zuletzt generell für zulässig erklärt – unter anderem, weil die Reiseveran­stalter oft selbst in Vorkasse gehen müssen. Sie kaufen entweder zu Beginn der Urlaubssai­son größere Kontingent­e bei Fluggesell­schaften und Hotels – oder stellen Reisen nach tagesaktue­llen Preisen zusammen. In diesem Fall müssten sie in der Regel ebenfalls in Vorleistun­g gehen und ihren Partnern den Reisepreis sofort überweisen, sagte DRV-Sprecher Torsten Schäfer. „Deshalb sind Anzahlunge­n notwendig und gerechtfer­tigt.“

Übrigens: Sagt ein Urlauber seine Reise wegen einer kurzfristi­g ausgesproc­henen Reisewarnu­ng des Auswärtige­n Amts ab, muss die Anzahlung nach einem Gutachten des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­ands innerhalb von 14 Tagen zurückgeza­hlt werden.

Reisewarnu­ngen gelten derzeit für mehr als 160 Länder außerhalb der Europäisch­en Union. Darunter beliebte Urlaubslän­der wie Ägypten, Thailand und die Dominikani­sche Republik – aber auch für Regionen in Frankreich, Spanien, Belgien, Kroatien, Bulgarien und Rumänien.

Eine Reisewarnu­ng ist kein Verbot, soll aber eine erhebliche abschrecke­nde Wirkung haben. Außerdem ermöglicht sie es Reisenden, Buchungen kostenlos zu stornieren.

zurzeit

gelten, lesen Sie unter www.schwaebisc­he.de/reiseregel­n

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FOTO: CLARA MARGAIS/DPA Mallorca gilt wie viele andere Urlaubszie­le als Risikogebi­et. Viele konnten ihre geplante Reise daher gar nicht erst antreten. Das ruft nun die Verbrauche­rschützer auf den Plan.

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