Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Die Idee des Crowdfunding fand ich früher immer absurd“
Um das Maifeld Derby 2021 wieder auf die Beine stellen zu können, setzt Veranstalter Timo Kumpf inzwischen aber auf die Hilfe der Fans
Das Maifeld Derby in Mannheim hat sich bislang als Festival mit handverlesenen Bands, abseits des Kommerz, ausgezeichnet. Damit es 2021 wieder stattfinden kann, muss einiges an Geld zusammenkommen. Christiane Wohlhaupter hat Veranstalter Timo Kumpf zu den Rettungsplänen befragt.
Herr Kumpf, 2021 soll das Maifeld Derby wieder stattfinden. Was erhoffen Sie sich für die erste Festivalauflage nach der Pause?
Es wäre ja die zehnte Auflage und das Comeback nach der Pause auf einen Schlag. Insofern lehne ich mich gerne aus dem Fenster und verspreche das beste Maifeld Derby aller Zeiten! Insbesondere die vielen kleinen Details werden wieder mehr Berücksichtigung finden. Vom regionalen Gastronomieangebot bis zu vielen kleinen Überraschungen. Ich konnte in der Pause viel Inspiration tanken.
Gibt es etwas, das Sie bei der zehnten Auflage des Festivals anders machen werden?
Ich habe die Pause genutzt, um das Maifeld Derby als gemeinnützige GmbH neu aufzustellen. Bisher liefen immer alle Konzerte über eine Firma und dabei haben die kommerziellen Konzerte das Maifeld Derby subventioniert. Das war natürlich halsbrecherisch, weshalb die neue Firmenstruktur ein sehr wichtiger Schritt ist. Ich bin überzeugt, dass diese Trennung auch einen anderen Vibe fabrizieren wird. Beim Maifeld Derby arbeiten über 200 Freiwillige.
Nach neun Maifeld Derbys sind 140 000 Euro Schulden übrig. Wie sollen die – außer mit dem Crowdfunding – getilgt werden? Ich erwarte nicht, dass das Crowdfunding die Schulden decken wird. Veranschlagt sind 50 Prozent. 70 000 Euro müssen es sein, damit ich mich da herübertrauen kann. Der
Rest soll im Laufe des kommenden Jahres über weitere Veranstaltungen und auch die Durchführung des Campings beim zehnten Maifeld Derby gedeckt werden. Und nicht zuletzt gehe ich schon auch davon aus, dass weitere Privateinlagen nötig werden.
Die Fans können Sie finanziell unterstützen, um das Maifeld Derby „100 Prozent unabhängig“zu halten. Von wem müssen Sie denn unabhängig bleiben, um das MaifeldDerby wunschgemäß fortzuführen?
Naja, wenn in der freien Wirtschaft ein Start-up strauchelt, dann holt man sich Geld von großen Unternehmen und anderen Investoren. In unserem Fall wären das entweder Branchenriesen oder auch Ticketing-Mogule. Diese nehmen Einfluss aufs Programm, das Marketing und auch sonst alles. Das Maifeld Derby ist ein kuratiertes und sehr persönliches Festival. Das ist meines Erachtens das Herz der Veranstaltung. Daher möchte ich das auch so bewahren und die Vielfalt beibehalten.
Worin liegt der Reiz der Unabhängigkeit?
Für mich besteht der darin, dass ich Entscheidungen auch aus dem Bauch heraus treffen kann. Selbstverständlich bin ich dabei im Herzen bei unseren Besuchern und reflektiere das auch inhaltlich und wirtschaftlich. Aber ich muss keiner Konzernpolitik folgen und jede Entscheidung mit einem schwarz-weißen Ausschuss diskutieren. Ich beschreibe das Maifeld Derby gerne als Festival „von Nerds für Nerds“. Es geht um die gemeinsame Liebe zur Musik. Die Idee des Crowdfunding fand ich früher immer absurd. Aber es haben ganz viele Besucher angeboten, uns auch finanziell zu unterstützen. Und ich finde es mittlerweile komplett logisch, das so zu machen.
Wie viel Zusammenhalt erleben Sie in der Veranstalterbranche? Ich habe jetzt knapp zwei Jahre etwas locker gemacht und viel überlegt, wie meine Zukunft in dieser unstetigen und wirklich sehr stressigen Branche aussieht. Dabei habe ich auch infrage gestellt, ob ich das überhaupt weitermachen will. Ich war einfach durch und hatte den andauernden Stress und die Ungewissheit satt. Und das Privatleben hat sehr gelitten. Aber gerade im Veranstalterbereich gibt es so viele tolle Menschen und Überzeugungstäter, von denen ich viele als Freunde bezeichne, dass ich es jetzt wieder als Privileg erachte, mein Hobby zum Beruf gemacht zu haben.
Sie bieten den Unterstützern unter anderem Tassen, Taschen oder Socken im Gegenzug für die Spende. Welche Überlegungen stecken hinter den Angeboten?
Letztlich wollten wir nicht einfach nur die Hand aufhalten, sondern haben uns viel Mühe gegeben, hier ein tolles Angebot anzubieten. Das sind alles hochwertige, nachhaltige und liebevoll gestaltete Artikel.
Was passiert, wenn ein Unterstützer für 35 Euro den FestivalBrunch oder für 2000 Euro die Festival-Hochzeit bucht, letztlich das Festival aber nicht stattfindet? Alle mit einer Gegenleistung versehenen „Dankeschöns“stehen selbstverständlich in direktem Zusammenhang mit Erbringung der Leistung. In den angesprochenen Fällen gibt es natürlich das Geld zurück.