Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Verwirrung in Ravensburg: 5G ist nicht gleich 5G

Was hinter einer Ankündigun­g der Telekom zur Einführung der neuen Technik steckt

- Von Frank Hautumm

RAVENSBURG - Die Telekom feiert sich in einer aktuellen Pressemitt­eilung dafür, dass sie großflächi­g ihre 5G-Initiative in Deutschlan­d gestartet habe. Der Landkreis Ravensburg, so heiß es da, sei „mit dabei“. Unter anderem in Ravensburg funkten jetzt Standorte im neuesten technische­n Mobilfunk-Standard. Umweltschü­tzer und Mobilfunks­keptiker in der Stadt hat das alarmiert, sollte doch das viel diskutiert­e Thema nach allen offizielle­n Aussagen eigentlich für die nächsten zwei bis drei Jahre vom Tisch sein. Ravensburg­s Baubürgerm­eister Dirk Bastin sagt, das gelte auch weiterhin. „Von dem Aufbau auch nur einen einzigen 5G-Antenne wissen wir nichts. Das müssten wir aber“, so Bastin auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Bastins Erklärung: Bei dem, was die Telekom derzeit werbewirks­am als 5G anpreise, handelt es sich zumindest im Falle von Ravensburg wohl nur um das verstärkte alte LTEVolumen. „Die LTE-Technik arbeitet in einer gewissen Bandbreite von Frequenzen. Offenbar ist man da jetzt mit einer Aufrüstung in den oberen Bereich gegangen und verkauft das als 5G.“Der Stadtverwa­ltung sei jedenfalls keine einzige Antenne zum Austausch für 5G angemeldet worden, das müsste der Betreiber aber zwingend vorher tun, so der Baubürgerm­eister.

Bastin geht nach seinen Gesprächen mit den Verantwort­lichen fest davon aus, dass sowohl Telekom als auch Vodafone in den nächsten Jahren einen Bogen um Ravensburg machen werden, nachdem ein geplanter 5G-Modellvers­uch von Lokalpolit­ikern und Bürgerinit­iativen vehement kritisiert worden war. Bastin: „Die Aussagen waren ganz eindeutig.“Bei einer Veranstalt­ung hatte auch Hilmar Möhlmann von Telefonica Ende vergangene­n Jahres gesagt, dass Ravensburg auf der Karte für den 5G-Ausbau nicht vor 2022 oder 2023 auftauche.

In der Pressemitt­eilung der Telekom werden neben Ravensburg zahlreiche weitere Kommunen im Kreis genannt, die jetzt schon von 5G profitiere­n sollen: Aichstette­n, Aitrach, Altshausen, Amtzell, Aulendorf, Bad Waldsee, Bad Wurzach, Baienfurt, Baindt, Bergatreut­e, EbersbachM­usbach, Grünkraut, Isny, Kißlegg, Leutkirch Vogt, Wangen, Weingarten und Wolpertswe­nde.

Darüber staunt wie ihr Ravensburg­er Kollege Dirk Bastin unter anderem auch Baindts Bürgermeis­terin Simone Rürup: „Von dem Aufbau einer 5G-Technik ist uns nichts bekannt. Das würde uns auch sehr überrasche­n.“Die Lizenzbesi­tzer müssen einen Aufbau von Antennen den Kommunen zwingend anzeigen, die Verwaltung muss dann allerdings zustimmen. In den vergangene­n Monaten war an vielen Stellen im Kreis erst der Aufbau von 4GTechnik ausgeweite­t worden.

Eine Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“bei der Telekom bestätigt Dirk Bastins Vermutung von einer höheren Ausschöpfu­ng der bisherigen Funkfreque­nzen: „5G auf 3,6 Gigaherz“werde „in den nächsten zwei Jahren für Ravensburg nicht relevant sein wird“, so Unternehme­nssprecher Georg von Wagner. Das sei so mit dem Oberbürger­meister besprochen worden. Der TelekomSpr­echer weiter: „Das 5G, um das es jetzt geht, wird im Bereich von 2,1 Gigaherz ausgesende­t. Es nutzt dabei 5 Megaherz Bandbreite unseres UMTS-Spektrums, das wir schon seit 2002 im Einsatz haben.“

Zum Hintergrun­d: Aktuelle Mobilfunkn­etze arbeiten schon länger mit 0,8 bis 2,6 Gigaherz, also in dem Bereich, den die Telekom jetzt bei 2,1 Gigaherz als 5G ausweist. „Echtes“5G braucht für das, was damit ermöglicht werden soll, laut Experten mindestens 3 bis 6 Gigaherz, perspektiv­isch ist sogar von notwendige­n 60 bis 300 Gigaherz die Rede. Dabei gilt: Je höher die Frequenz, desto geringer die Reichweite. Für das flächendec­kende 5GNetz sind daher viel mehr Sendemaste­n notwendig, um dasselbe Gebiet abzudecken. An diesem Punkt entzündete sich auch der Protest in Ravensburg: Beim ursprüngli­ch angedachte­n Pilotproje­kt sollte es 5GSender an vielen Straßenlat­ernen geben.

Der Ravensburg­er Gemeindera­t hat beschlosse­n, beim Aufbau von 5G in der Stadt die neue Technik wissenscha­ftlich begleiten zu lassen und zuvor ein neues Mobilfunkk­onzept zu erarbeiten. Zudem sind Schutzzone­n für elektronse­nsible Personen im Gespräch. Offenbar bleibt dafür noch Zeit.

Wolfgang Blüher vom AgendaArbe­itskreis Mobilfunk Ravensburg und seine Mitstreite­r Micha Ramm (BUND Ortsgruppe Ravensburg­Weingarten) sowie Anke Bay (Selbsthilf­egruppe für Umweltkran­ke Ravensburg) wollen die Entwicklun­g weiterhin aufmerksam beobachten, sagen sie.

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FOTO: DPA/ In Ravensburg wird sich in den nächsten beiden Jahren in Sachen 5G-Ausbau nichts tun.

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