Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Verwirrung in Ravensburg: 5G ist nicht gleich 5G
Was hinter einer Ankündigung der Telekom zur Einführung der neuen Technik steckt
RAVENSBURG - Die Telekom feiert sich in einer aktuellen Pressemitteilung dafür, dass sie großflächig ihre 5G-Initiative in Deutschland gestartet habe. Der Landkreis Ravensburg, so heiß es da, sei „mit dabei“. Unter anderem in Ravensburg funkten jetzt Standorte im neuesten technischen Mobilfunk-Standard. Umweltschützer und Mobilfunkskeptiker in der Stadt hat das alarmiert, sollte doch das viel diskutierte Thema nach allen offiziellen Aussagen eigentlich für die nächsten zwei bis drei Jahre vom Tisch sein. Ravensburgs Baubürgermeister Dirk Bastin sagt, das gelte auch weiterhin. „Von dem Aufbau auch nur einen einzigen 5G-Antenne wissen wir nichts. Das müssten wir aber“, so Bastin auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“.
Bastins Erklärung: Bei dem, was die Telekom derzeit werbewirksam als 5G anpreise, handelt es sich zumindest im Falle von Ravensburg wohl nur um das verstärkte alte LTEVolumen. „Die LTE-Technik arbeitet in einer gewissen Bandbreite von Frequenzen. Offenbar ist man da jetzt mit einer Aufrüstung in den oberen Bereich gegangen und verkauft das als 5G.“Der Stadtverwaltung sei jedenfalls keine einzige Antenne zum Austausch für 5G angemeldet worden, das müsste der Betreiber aber zwingend vorher tun, so der Baubürgermeister.
Bastin geht nach seinen Gesprächen mit den Verantwortlichen fest davon aus, dass sowohl Telekom als auch Vodafone in den nächsten Jahren einen Bogen um Ravensburg machen werden, nachdem ein geplanter 5G-Modellversuch von Lokalpolitikern und Bürgerinitiativen vehement kritisiert worden war. Bastin: „Die Aussagen waren ganz eindeutig.“Bei einer Veranstaltung hatte auch Hilmar Möhlmann von Telefonica Ende vergangenen Jahres gesagt, dass Ravensburg auf der Karte für den 5G-Ausbau nicht vor 2022 oder 2023 auftauche.
In der Pressemitteilung der Telekom werden neben Ravensburg zahlreiche weitere Kommunen im Kreis genannt, die jetzt schon von 5G profitieren sollen: Aichstetten, Aitrach, Altshausen, Amtzell, Aulendorf, Bad Waldsee, Bad Wurzach, Baienfurt, Baindt, Bergatreute, EbersbachMusbach, Grünkraut, Isny, Kißlegg, Leutkirch Vogt, Wangen, Weingarten und Wolpertswende.
Darüber staunt wie ihr Ravensburger Kollege Dirk Bastin unter anderem auch Baindts Bürgermeisterin Simone Rürup: „Von dem Aufbau einer 5G-Technik ist uns nichts bekannt. Das würde uns auch sehr überraschen.“Die Lizenzbesitzer müssen einen Aufbau von Antennen den Kommunen zwingend anzeigen, die Verwaltung muss dann allerdings zustimmen. In den vergangenen Monaten war an vielen Stellen im Kreis erst der Aufbau von 4GTechnik ausgeweitet worden.
Eine Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“bei der Telekom bestätigt Dirk Bastins Vermutung von einer höheren Ausschöpfung der bisherigen Funkfrequenzen: „5G auf 3,6 Gigaherz“werde „in den nächsten zwei Jahren für Ravensburg nicht relevant sein wird“, so Unternehmenssprecher Georg von Wagner. Das sei so mit dem Oberbürgermeister besprochen worden. Der TelekomSprecher weiter: „Das 5G, um das es jetzt geht, wird im Bereich von 2,1 Gigaherz ausgesendet. Es nutzt dabei 5 Megaherz Bandbreite unseres UMTS-Spektrums, das wir schon seit 2002 im Einsatz haben.“
Zum Hintergrund: Aktuelle Mobilfunknetze arbeiten schon länger mit 0,8 bis 2,6 Gigaherz, also in dem Bereich, den die Telekom jetzt bei 2,1 Gigaherz als 5G ausweist. „Echtes“5G braucht für das, was damit ermöglicht werden soll, laut Experten mindestens 3 bis 6 Gigaherz, perspektivisch ist sogar von notwendigen 60 bis 300 Gigaherz die Rede. Dabei gilt: Je höher die Frequenz, desto geringer die Reichweite. Für das flächendeckende 5GNetz sind daher viel mehr Sendemasten notwendig, um dasselbe Gebiet abzudecken. An diesem Punkt entzündete sich auch der Protest in Ravensburg: Beim ursprünglich angedachten Pilotprojekt sollte es 5GSender an vielen Straßenlaternen geben.
Der Ravensburger Gemeinderat hat beschlossen, beim Aufbau von 5G in der Stadt die neue Technik wissenschaftlich begleiten zu lassen und zuvor ein neues Mobilfunkkonzept zu erarbeiten. Zudem sind Schutzzonen für elektronsensible Personen im Gespräch. Offenbar bleibt dafür noch Zeit.
Wolfgang Blüher vom AgendaArbeitskreis Mobilfunk Ravensburg und seine Mitstreiter Micha Ramm (BUND Ortsgruppe RavensburgWeingarten) sowie Anke Bay (Selbsthilfegruppe für Umweltkranke Ravensburg) wollen die Entwicklung weiterhin aufmerksam beobachten, sagen sie.