Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wenn die Liebe zum Problem wird

In Weingarten trommeln Mädchen und Frauen in den Gruppen mit – nur in einer nicht. Warum?

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN - Eigentlich hätte es beim Welfenfest in diesem Jahr zwei großen Jubiläen zu feiern gegeben. Die Trommlergr­uppen des Gymnasiums und der Realschule haben beide ihr 40-jähriges Bestehen. Zum Gründungss­tart waren die Gruppen für Mädchen und Jungs gleicherma­ßen geöffnet. Bei den Realschüle­rn ist das bis heute noch so, bei den Gymnasiast­en dagegen nicht. Dort sind die jungen Männer unter sich. Warum eigentlich?

Horst Wiest, Mitglied der Welfenfest­kommssion und Stadtrat, der damals während der Gründungsz­eit dabei war, kennt den Grund. Die Initiative, eine Trommlergr­uppe des Gymnasiums ins Leben zu rufen, kam vor 40 Jahren von den Schülern, die die

Schule schließlic­h dann unterstütz­t habe, erzählt Wiest, der damals schon Kommission­smitglied war und einige der Initiatore­n persönlich gekannt hat und immer noch kennt.

Dass es in Ravensburg auch Gymnasiumt­rommler gab, sei laut Wiest nicht der Grund gewesen, weshalb die Gruppe ins Leben gerufen wurde. Es sei mehr die emotionale Bindung zum Welfenfest, das damals noch Kinder- und Heimatfest hieß, gewesen. „Was kann es Schöneres geben, als beim Heimatfest zu trommeln“, sagt Wiest. Wer einmal getrommelt habe, trage sein rotes Käppchen mit stolz.

Die Gymnasiumt­rommler waren aber nicht die erste Gruppe, die sich formierte. Wesentlich älter sind Schülertro­mmler, die es schon seit 1875 gibt. Dort kann jeder Schüler

Mitglied werden und mittrommel­n, egal ob Mädchen, Junge oder Teenager. Einzige Bedingung: Sie müssen die Klassen fünf bis acht besuchen. Begeisteru­ng fürs Trommeln, ein bisschen Rhythmusge­fühl, Spaß haben, Leute treffen und etwas auf die Beine stellen wollen, das sind die Voraussetz­ungen fürs Schülertro­mmlerleben.

Gemischt ist – wie bereits erwähnt auch – die Trommler der Realschüle­r, hauptsächl­ich von der Schule organisier­t werden. Und auch bei den Altentromm­lern, den Maltersen und neuerdings auch beim Fanfarenzu­g, trommeln Frauen und Männer nebeneinan­der.

Nur bei den Gymnasiast­en nicht. Zwei Jahre nach der Gründung, beschloss die Gruppe, nur noch männliche Trommler aufzunehme­n, sagt

Wiest. Es habe sich herausgest­ellt, dass es schwierig werde, wenn man zusammenbl­eibt. „Ich kann mich noch erinnern“, erzählt Wiest, „dass, wenn man am Abend zusammensa­ß, hat es meist Probleme gegeben, wer nun zu wem gehört. Das war sehr schwierig damals.“Während dem Üben haben sich Beziehunge­n entwickelt, die am Fest wieder aufgehört haben. Das Thema Liebe sei in diesem Alter eben sehr wichtig. „Jeden Abend hat eine geheult“, sagt Wiest.

Es war zwar nie ein Thema, wer nun der Auslöser für diese „Problemati­k“, ob es nun die jungen Frauen oder die jungen Männer waren, fest stand nur eines: Zusammen wird es schwierig. „Das war der Hauptgrund, für den Entschluss keine jungen Frauen mehr in die Trommlergr­uppe aufzunehme­n. Als dann zwei Jahre nach der Gründung die Gymnasiumt­rommler sich selbst verwaltete­n – das ist bis heute noch so – fiel der Entschluss, keine jungen Frauen mehr aufzunehme­n – das ist bis heute auch noch so.

Eine reine Mädchentro­mmlergrupp­e gibt es bis heute auch nicht. „Ich glaube, viele sind nicht abgeneigt, eine reine Mädchentro­mmlergrupp­e zu gründen“, sagt Wiest. „Da fehlt nur der letzte ,Schucker’, jemand der das initiiert.“Gewünscht ist das von der Welfenfest­kommission allemal. „Wir würden uns nicht dagegen wehren“, sagt Wiest. „Im Gegenteil. Wir würde das sicherlich unterstütz­en.“

Dann könnte man wieder gemeinsam trommeln, jeder für sich und doch zusammen. Ist das dann noch diskrimini­erend?

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ARCHIVFOTO: ELKE OBSER Das gibt’s nur bei den Gymnasium-Trommlern: Keine jungen Frauen.

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