Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wenn die Liebe zum Problem wird
In Weingarten trommeln Mädchen und Frauen in den Gruppen mit – nur in einer nicht. Warum?
WEINGARTEN - Eigentlich hätte es beim Welfenfest in diesem Jahr zwei großen Jubiläen zu feiern gegeben. Die Trommlergruppen des Gymnasiums und der Realschule haben beide ihr 40-jähriges Bestehen. Zum Gründungsstart waren die Gruppen für Mädchen und Jungs gleichermaßen geöffnet. Bei den Realschülern ist das bis heute noch so, bei den Gymnasiasten dagegen nicht. Dort sind die jungen Männer unter sich. Warum eigentlich?
Horst Wiest, Mitglied der Welfenfestkommssion und Stadtrat, der damals während der Gründungszeit dabei war, kennt den Grund. Die Initiative, eine Trommlergruppe des Gymnasiums ins Leben zu rufen, kam vor 40 Jahren von den Schülern, die die
Schule schließlich dann unterstützt habe, erzählt Wiest, der damals schon Kommissionsmitglied war und einige der Initiatoren persönlich gekannt hat und immer noch kennt.
Dass es in Ravensburg auch Gymnasiumtrommler gab, sei laut Wiest nicht der Grund gewesen, weshalb die Gruppe ins Leben gerufen wurde. Es sei mehr die emotionale Bindung zum Welfenfest, das damals noch Kinder- und Heimatfest hieß, gewesen. „Was kann es Schöneres geben, als beim Heimatfest zu trommeln“, sagt Wiest. Wer einmal getrommelt habe, trage sein rotes Käppchen mit stolz.
Die Gymnasiumtrommler waren aber nicht die erste Gruppe, die sich formierte. Wesentlich älter sind Schülertrommler, die es schon seit 1875 gibt. Dort kann jeder Schüler
Mitglied werden und mittrommeln, egal ob Mädchen, Junge oder Teenager. Einzige Bedingung: Sie müssen die Klassen fünf bis acht besuchen. Begeisterung fürs Trommeln, ein bisschen Rhythmusgefühl, Spaß haben, Leute treffen und etwas auf die Beine stellen wollen, das sind die Voraussetzungen fürs Schülertrommlerleben.
Gemischt ist – wie bereits erwähnt auch – die Trommler der Realschüler, hauptsächlich von der Schule organisiert werden. Und auch bei den Altentrommlern, den Maltersen und neuerdings auch beim Fanfarenzug, trommeln Frauen und Männer nebeneinander.
Nur bei den Gymnasiasten nicht. Zwei Jahre nach der Gründung, beschloss die Gruppe, nur noch männliche Trommler aufzunehmen, sagt
Wiest. Es habe sich herausgestellt, dass es schwierig werde, wenn man zusammenbleibt. „Ich kann mich noch erinnern“, erzählt Wiest, „dass, wenn man am Abend zusammensaß, hat es meist Probleme gegeben, wer nun zu wem gehört. Das war sehr schwierig damals.“Während dem Üben haben sich Beziehungen entwickelt, die am Fest wieder aufgehört haben. Das Thema Liebe sei in diesem Alter eben sehr wichtig. „Jeden Abend hat eine geheult“, sagt Wiest.
Es war zwar nie ein Thema, wer nun der Auslöser für diese „Problematik“, ob es nun die jungen Frauen oder die jungen Männer waren, fest stand nur eines: Zusammen wird es schwierig. „Das war der Hauptgrund, für den Entschluss keine jungen Frauen mehr in die Trommlergruppe aufzunehmen. Als dann zwei Jahre nach der Gründung die Gymnasiumtrommler sich selbst verwalteten – das ist bis heute noch so – fiel der Entschluss, keine jungen Frauen mehr aufzunehmen – das ist bis heute auch noch so.
Eine reine Mädchentrommlergruppe gibt es bis heute auch nicht. „Ich glaube, viele sind nicht abgeneigt, eine reine Mädchentrommlergruppe zu gründen“, sagt Wiest. „Da fehlt nur der letzte ,Schucker’, jemand der das initiiert.“Gewünscht ist das von der Welfenfestkommission allemal. „Wir würden uns nicht dagegen wehren“, sagt Wiest. „Im Gegenteil. Wir würde das sicherlich unterstützen.“
Dann könnte man wieder gemeinsam trommeln, jeder für sich und doch zusammen. Ist das dann noch diskriminierend?