Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Klackern gehört zum Hahnwerk
Ein Rundwanderweg führt zu Ehren des Auerhahns rund um Tennenbronn
Der Auerhahn ziert Bierflaschen und Wappen, doch ist er vielerorts verschwunden. Denn der imposante Vogel benötigt, was auch Naturfreunden gefällt: abwechslungsreiche Wälder. Auf einem Rundwanderweg im Schwarzwald kann man dem eigenwilligen Federvieh nachspüren.
„Es steht eine Mühle im Schwarzwäldertal, die klappert so leis’ vor sich hin.“Die Älteren erinnern sich an dieses Volkslied. Während noch immer viele Mühlen in der typischen Schwarzwälder Bauweise herumstehen, zeigt eine andere Ikone des größten zusammenhängenden deutschen Mittelgebirges weniger Stehvermögen: der Auerhahn. Zu Tausenden flatterte das imposante Federvieh einst durch die Wälder. Sein klackernder und trillernder Gesang, mit dem der Auerhahn um das Auerhuhn balzt, war Generationen von Menschen vertraut. Mit seinem gefächerten Schwanz, den roten Augen, dem gelben Krummschnabel und dem grünen Brustgefieder schaffte es das Männchen zum Wappentier des Schwarzwalds.
Doch der Bestand ist um 90 Prozent eingebrochen. Derzeit geht man im Schwarzwald nur noch von 270 Tieren aus, Männlein und Weiblein. „Stellen Sie sich den Schwarzwald ohne Kuckucksuhren oder Schwarzwälder Kirschtorte vor“, veranschaulicht der Wildtierökologe und Forscher Rudi Suchant, was ein Totalverlust des Auerhahns bedeuten würde. Die Hauptschuld an dem Rückgang trägt übrigens vor allem die Holzwirtschaft. Jahrzehntelang setzten Waldbesitzer nur noch auf schnellen Holzertrag und damit auf Fichten. Was dem Waldboden viel Licht nahm und den Schwarzwald noch dunkler machte.
Wovon man sich auch rund um Tennenbronn überzeugen kann. Das Gebiet gehört zum Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord. Im Ortsteil Remsbach ist Start- und Zielpunkt des Auerhahnwegs, ein Premium-Wanderweg, der vor wenigen Jahren ins Leben gerufen wurde. Direkt vom Wanderparkplatz geht es hinein in den dunklen Tann. Eines vorweg: Auf einen Auerhahn oder eine Auerhenne wird man auf dieser zwei- bis dreistündigen Rundwanderung (noch) nicht treffen. Dafür auf einige Infotafeln und sogar auf den eindrucksvollen Balzgesang des Auerhahns – vom Band. „Würden die Waldbesitzer auslichten, würden wieder Auerhühner kommen“, wagt Suchant einen Ausblick.
Apropos: An herrlichen Ausblicken mangelt es auf der Tour nicht. Was den Wanderer freut, gefällt auch dem Auerhahn. Denn der Vogel braucht nicht nur Wald, sondern auch viel Freifläche, unter anderem für die Aufzucht seiner Küken. „Lücken für Küken“heißt deshalb ein Programm, das innerhalb des „Aktionsplans Auerhuhn“initiiert wurde. Es animiert Waldbesitzer, auch mit finanziellen Argumenten, die Wälder gezielt auszulichten und nicht wieder aufzuforsten.
Drei Kilometer nach dem Start breiten sich beim „Naturpark AugenBlick“die Höhenzüge der nahen Schwäbischen Alb aus. Wenn man an dieser Stelle etwa zweihundert Meter in das Dorf Purpen hineinläuft, tun sich plötzlich Abgründe auf. Extrem steil geht es bergab in Richtung Schramberg. Der Auerhahnweg befindet sich aber ausschließlich auf badischer Gemarkung. Im Schwarzwald befinden sich noch viele Grenzsteine aus dem vorletzten Jahrhundert. Landsmannschaftliche Befindlichkeiten sollen aber an dieser Stelle nicht allzu viel Raum einnehmen. Dem Auerhahn gehört die Bühne.
Bis vor hundert Jahren war Tennenbronn deutschlandweit eines der Lieblingsgebiete dieses eigenwilligen Vogels. Es gab Dutzende Brutpaare und viele Waldlichtungen, die unter den Einheimischen als Balzplätze bekannt waren. In der Gegend
ANZEIGE fand der Auerhahn ideale Bedingungen vor: einsame, lichte Wälder, genügend Rückzugsgebiete und massenhaft Heidelbeeren zum Aufpäppeln der Jungen. Denn die müssen im kurzen Schwarzwaldsommer rasch an Gewicht zulegen. Die Forstliche Versuchsund Forschungsanstalt Baden-Württemberg erklärt in einem Video, dass deren Hunger enorm ist: Würden sich menschliche Babys genauso rasant entwickeln wie Auerhühner, wären sie innerhalb von drei Monaten 300 Kilogramm schwer.
Unbeschwert und ohne größere Anstiege geht es für den Wanderer vom Aussichtspunkt nun einige Kilometer
Sommerzeit
auf naturbelassenen Wegen durch den Wald. Unterwegs bieten sich herrliche Schwarzwaldpanoramen. Einsam ist die Gegend noch immer, ein Wohlfühlraum für Naturliebhaber. Stichwort Raum. Der Auerhahn bevorzugt fünf Räume zum Wohnen, die allesamt von anderer Beschaffenheit sein müssen: Schlafzimmer, Kinderzimmer, Ruhezimmer, Esszimmer und vor allem Balzzimmer. Diese Anspruchshaltung machte es ihm in Zeiten moderner Forstwirtschaft sehr schwer.
Darüber informiert eine Infostation namens „Balzplatz“. Auf Knopfdruck gibt’s hier den Balzgesang des Auerhahns zu hören. Ein Schwarzwaldbauer sagt im erwähnten Video über das faszinierende Werben um die Hennen: „Das ist etwas einmalig Schönes.“Habe man das Glück, eine Balz zu beobachten, würden sogar gestandene Männer schwach.
Schwach werden Männer – und natürlich auch Frauen –, wenn sie kurz danach am Unterfalkenhof vorbeikommen. Dort steht ein Waschzuber mit gekühltem Bier und nichtalkoholischen Getränken. Nach einem kurzen Aufstieg, vorbei an einem überdimensionalen Auerhuhnnest samt Infotafel, geht es schließlich hinab ins Eichbachtal, an dessen Ende Tennenbronn liegt.
Wann der Auerhahn hier wieder sesshaft wird, steht in den Sternen. Doch Suchant ist zuversichtlich, dass die Maßnahmen seines „Aktionsplan Auerhuhn“bald greifen werden: „Der Rückgang ist gestoppt, die Population wird steigen.“