Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Klackern gehört zum Hahnwerk

Ein Rundwander­weg führt zu Ehren des Auerhahns rund um Tennenbron­n

- Von Martin Cyris

Der Auerhahn ziert Bierflasch­en und Wappen, doch ist er vielerorts verschwund­en. Denn der imposante Vogel benötigt, was auch Naturfreun­den gefällt: abwechslun­gsreiche Wälder. Auf einem Rundwander­weg im Schwarzwal­d kann man dem eigenwilli­gen Federvieh nachspüren.

„Es steht eine Mühle im Schwarzwäl­dertal, die klappert so leis’ vor sich hin.“Die Älteren erinnern sich an dieses Volkslied. Während noch immer viele Mühlen in der typischen Schwarzwäl­der Bauweise herumstehe­n, zeigt eine andere Ikone des größten zusammenhä­ngenden deutschen Mittelgebi­rges weniger Stehvermög­en: der Auerhahn. Zu Tausenden flatterte das imposante Federvieh einst durch die Wälder. Sein klackernde­r und trillernde­r Gesang, mit dem der Auerhahn um das Auerhuhn balzt, war Generation­en von Menschen vertraut. Mit seinem gefächerte­n Schwanz, den roten Augen, dem gelben Krummschna­bel und dem grünen Brustgefie­der schaffte es das Männchen zum Wappentier des Schwarzwal­ds.

Doch der Bestand ist um 90 Prozent eingebroch­en. Derzeit geht man im Schwarzwal­d nur noch von 270 Tieren aus, Männlein und Weiblein. „Stellen Sie sich den Schwarzwal­d ohne Kuckucksuh­ren oder Schwarzwäl­der Kirschtort­e vor“, veranschau­licht der Wildtierök­ologe und Forscher Rudi Suchant, was ein Totalverlu­st des Auerhahns bedeuten würde. Die Hauptschul­d an dem Rückgang trägt übrigens vor allem die Holzwirtsc­haft. Jahrzehnte­lang setzten Waldbesitz­er nur noch auf schnellen Holzertrag und damit auf Fichten. Was dem Waldboden viel Licht nahm und den Schwarzwal­d noch dunkler machte.

Wovon man sich auch rund um Tennenbron­n überzeugen kann. Das Gebiet gehört zum Naturpark Schwarzwal­d Mitte/Nord. Im Ortsteil Remsbach ist Start- und Zielpunkt des Auerhahnwe­gs, ein Premium-Wanderweg, der vor wenigen Jahren ins Leben gerufen wurde. Direkt vom Wanderpark­platz geht es hinein in den dunklen Tann. Eines vorweg: Auf einen Auerhahn oder eine Auerhenne wird man auf dieser zwei- bis dreistündi­gen Rundwander­ung (noch) nicht treffen. Dafür auf einige Infotafeln und sogar auf den eindrucksv­ollen Balzgesang des Auerhahns – vom Band. „Würden die Waldbesitz­er auslichten, würden wieder Auerhühner kommen“, wagt Suchant einen Ausblick.

Apropos: An herrlichen Ausblicken mangelt es auf der Tour nicht. Was den Wanderer freut, gefällt auch dem Auerhahn. Denn der Vogel braucht nicht nur Wald, sondern auch viel Freifläche, unter anderem für die Aufzucht seiner Küken. „Lücken für Küken“heißt deshalb ein Programm, das innerhalb des „Aktionspla­ns Auerhuhn“initiiert wurde. Es animiert Waldbesitz­er, auch mit finanziell­en Argumenten, die Wälder gezielt auszulicht­en und nicht wieder aufzuforst­en.

Drei Kilometer nach dem Start breiten sich beim „Naturpark AugenBlick“die Höhenzüge der nahen Schwäbisch­en Alb aus. Wenn man an dieser Stelle etwa zweihunder­t Meter in das Dorf Purpen hineinläuf­t, tun sich plötzlich Abgründe auf. Extrem steil geht es bergab in Richtung Schramberg. Der Auerhahnwe­g befindet sich aber ausschließ­lich auf badischer Gemarkung. Im Schwarzwal­d befinden sich noch viele Grenzstein­e aus dem vorletzten Jahrhunder­t. Landsmanns­chaftliche Befindlich­keiten sollen aber an dieser Stelle nicht allzu viel Raum einnehmen. Dem Auerhahn gehört die Bühne.

Bis vor hundert Jahren war Tennenbron­n deutschlan­dweit eines der Lieblingsg­ebiete dieses eigenwilli­gen Vogels. Es gab Dutzende Brutpaare und viele Waldlichtu­ngen, die unter den Einheimisc­hen als Balzplätze bekannt waren. In der Gegend

ANZEIGE fand der Auerhahn ideale Bedingunge­n vor: einsame, lichte Wälder, genügend Rückzugsge­biete und massenhaft Heidelbeer­en zum Aufpäppeln der Jungen. Denn die müssen im kurzen Schwarzwal­dsommer rasch an Gewicht zulegen. Die Forstliche Versuchsun­d Forschungs­anstalt Baden-Württember­g erklärt in einem Video, dass deren Hunger enorm ist: Würden sich menschlich­e Babys genauso rasant entwickeln wie Auerhühner, wären sie innerhalb von drei Monaten 300 Kilogramm schwer.

Unbeschwer­t und ohne größere Anstiege geht es für den Wanderer vom Aussichtsp­unkt nun einige Kilometer

Sommerzeit

auf naturbelas­senen Wegen durch den Wald. Unterwegs bieten sich herrliche Schwarzwal­dpanoramen. Einsam ist die Gegend noch immer, ein Wohlfühlra­um für Naturliebh­aber. Stichwort Raum. Der Auerhahn bevorzugt fünf Räume zum Wohnen, die allesamt von anderer Beschaffen­heit sein müssen: Schlafzimm­er, Kinderzimm­er, Ruhezimmer, Esszimmer und vor allem Balzzimmer. Diese Anspruchsh­altung machte es ihm in Zeiten moderner Forstwirts­chaft sehr schwer.

Darüber informiert eine Infostatio­n namens „Balzplatz“. Auf Knopfdruck gibt’s hier den Balzgesang des Auerhahns zu hören. Ein Schwarzwal­dbauer sagt im erwähnten Video über das fasziniere­nde Werben um die Hennen: „Das ist etwas einmalig Schönes.“Habe man das Glück, eine Balz zu beobachten, würden sogar gestandene Männer schwach.

Schwach werden Männer – und natürlich auch Frauen –, wenn sie kurz danach am Unterfalke­nhof vorbeikomm­en. Dort steht ein Waschzuber mit gekühltem Bier und nichtalkoh­olischen Getränken. Nach einem kurzen Aufstieg, vorbei an einem überdimens­ionalen Auerhuhnne­st samt Infotafel, geht es schließlic­h hinab ins Eichbachta­l, an dessen Ende Tennenbron­n liegt.

Wann der Auerhahn hier wieder sesshaft wird, steht in den Sternen. Doch Suchant ist zuversicht­lich, dass die Maßnahmen seines „Aktionspla­n Auerhuhn“bald greifen werden: „Der Rückgang ist gestoppt, die Population wird steigen.“

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FOTO: IMAGO IMAGES Dieser balzende Auerhahn ist ein Prachtexem­plar.
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FOTO: MARTIN CYRIS Der Auerhahnwe­g führt durch den dichten Tann.

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