Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Sehnsuchtsort Mörzelspitze
Alle Jahre wieder: Spätestens im Mai wird die Sehnsucht immer stärker und der Blick gleitet sehnsüchtig über das Bodenseeufer bei Lindau hinüber zu den Bergen des Bregenzerwaldes. Ein Gipfel erfährt aber ganz besondere Beachtung: die Mörzelspitze, 1830 Meter hoch und Teil des Dornbirner Firstes.
Nicht dass der Berg von übergeordneter Bedeutung wäre. Er hat aber doch gewisse Vorzüge: Zum einen ist er von zu Hause aus rasch erreichbar, zum anderen verspricht er stets die erste vernünftige und ausgedehnte Bergtour der Saison. Weshalb nach dem Winter bei jedem Blick hinüber sofort die alles entscheidende Frage im Raum steht: Ist der Schnee schon geschmolzen?
Falls ja, geht es möglichst bald los. Der Rucksack wird gepackt, die Stiefel werden geschnürt. Die Wahl des Aufstiegs fällt meist auf eine Route mit knapp drei Stunden Gehzeit und 1000 Höhenmetern. Ist man endlich oben am schmalen Gipfelkreuz, erhält der Wanderer die erste Belohnung: eine Aussicht über den Bodensee hinweg bis nach Oberschwaben – natürlich nur bei schönem Wetter und klarer Sicht.
Strahlt die Frühlingssonne so richtig, folgt eine zünftige, ausgedehnte Brotzeit, garniert mit einer Halbe Bier oder dem obligatorischen Gipfelschnaps. In diesem Fall ist es eher Freude als Last, all das mit hochgeschleppt zu haben. Meist kommen noch andere Bergwanderer hinzu und nehmen auch gerne einen Schluck aus dem Flachmann. Es wird übers Wetter getratscht, über angedachten Touren im weiteren Jahresverlauf, über Gipfel in der Nähe oder am fernen Horizont. Kein Thema ist jedenfalls der Alltagsärger. Er bleibt drunten im Tal – und dies eben zum ersten Mal im Verlauf des Bergjahres. Das macht die Mörzelspitze so wertvoll. (jau)