Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Patrizia aus Dublin bietet Wohnung in Leutkirch an
Junge Leutkircherin wird bei versuchtem Mietbetrug rechtzeitig misstrauisch – Überraschte Eigentümerin
LEUTKIRCH - Wer rund um Leutkirch eine bezahlbare ordentliche Mietwohnung sucht, muss unter Umständen lange warten, bevor er auf dem freien Mietmarkt fündig wird. Das nutzen inzwischen offenbar Betrüger auch hier aus.
Mit einer Masche, die man bisher eher aus Großstädten kannte, versuchen sie, Mietkautionen zu ergaunern. Für Wohnungen, die ihnen gar nicht gehören. Wie das abläuft, musste kürzlich eine junge Leutkircherin erfahren, die bei ihrer Wohnungssuche im Internet auf eine interessante Mietanzeige für eine Mietwohnung in der Leutkircher Kernstadt gestoßen ist – und unter der angegebenen Adresse auf eine verdutzte Wohnungseigentümerin traf, die ihre Wohnung definitiv nicht vermieten möchte.
Eine großzügige modernisierte Einzimmerwohnung in einem Leutkircher Wohngebiet mit Balkon, Einbauküche, separater Gästetoilette und Kellerraum für eine Warmmiete von 390 Euro versprach die Anzeige auf der Online-Plattform eBayKleinanzeigen. Vervollständigt wurde dieses tolle Angebot durch mehrere Bilder, die ein geschmackvoll eingerichtetes Appartement mit schönem Balkon und optimaler Raumaufteilung zeigten. Die Freude bei der 24-jährigen Leutkircherin auf Wohnungssuche war groß. Das könnte durchaus die gesuchte bezahlbare Traumwohnung sein. Sie kontaktierte „Louisa“, die die Wohnung über ihr erst wenige Tage altes Benutzerprofil auf der Online-Plattform eBay-Kleinanzeigen angeboten hat.
Bis zu diesem Zeitpunkt schöpfte die junge Leutkircher noch keinen Verdacht. Sie hoffte nur, dass die Wohnung nicht bereits vergeben ist. Ab der Antwort von „Louisa“wurde es dann aber merkwürdig. Nachdem sie von deren Profil aus auf Deutsch nach ihrer privaten E-Mail-Adresse, über die die weitere Kommunikation laufen sollte, gefragt worden ist, bekam sie wiederum etwas später eine E-Mail von einer Person, die sich Patrizia
nannte. Ab jetzt lief die Kommunikation auf Englisch.
Patrizia schrieb in ihrer ersten Nachricht an die Leutkircherin, dass sie sich sehr über deren Interesse freue, nannte ihr nochmals die Eckdaten und erklärte, dass auch kleine Haustiere kein Problem seien. Falls die junge Leutkircherin tatsächlich an der Wohnung interessiert sei, solle sie sich nochmals melden. Sie, Patrizia, sei zwar für die nächsten sechs Monate in der irischen Hauptstadt Dublin, aber sie habe schon eine Lösung, wie das Appartement in Leutkirch trotzdem besichtigt werden kann. Wie diese Lösung aussehen soll, schrieb sie in ihrer ersten Mail allerdings noch nicht.
Die präsentierte sie der Leutkircherin in ihrer nächsten Mail. Und zwar sollte diese das Appartement vorerst für einen Monat über die Online-Plattform Airbnb buchen und dafür schon einmal die erste Monatswarmmiete in Höhe von 390 Euro zusammen mit einer Kaution in Höhe von 1000 Euro überweisen. In diesem Monat könne sie dann probeweise in der Wohnung wohnen. Sollte ihr die Wohnung gefallen, so Patrizia in einer ihrer Mails, dann würde sie für die nächste Zeit einen normalen deutschen Mietvertrag abschließen. Falls nicht, würde die 24-Jährige selbstverständlich die bezahlte Kaution wieder zurückbekommen.
Auf die Mail-Anfrage der Leutkircherin, ob es denn die Möglichkeit gebe, dass sie vorab kurz miteinander telefonieren könnten, da sie es nicht verstehe, warum sie die Wohnung erst über Airbnb buchen muss, um sie zu sehen, ging Patrizia nicht ein. Sie antwortete lediglich per Mail, dass es keine andere Möglichkeit gebe. In der Zwischenzeit ist die Wohnungsanzeige auf der Plattform eBay-Kleinanzeigen schon wieder verschwunden.
Mit der fast sicheren Gewissheit, es mit Betrügern zu tun zu haben, fuhr die junge Leutkircherin jetzt einfach zu der in der Anzeige angegebenen Leutkircher Adresse. Um mal bei den Nachbar zu klingeln, ob die etwas von einer Wohnungseigentümerin wissen, die derzeit in Dublin weilt. An der Wohnung angekommen sah sie, dass diese aktuell bewohnt ist – und klingelte direkt dort.
Geöffnet hat ihr die verdutzte Eigentümerin der Wohnung. Nein, keinesfalls wolle sie die Wohnung, in der sie selbst lebt, vermieten. Nachdem sich die überraschte Wohnungseigentümerin gesammelt hatte, erzählte sie der jungen Leutkircherin, dass ihr so etwas schon einmal im Mai passiert ist. Damals sei eine Wohnung unter der Angabe ihrer Leutkircher Adresse auf der Online-Plattform ImmoScout angeboten worden.
Bevor sie der Plattform die Anzeige als Fake gemeldet hat und diese gelöscht worden ist, seien in diesen Tagen ständig Leute an ihrer Wohnung vorbeigegangen, um sich diese anzuschauen. Während die Bilder in den betrügerischen Anzeigen und die anderen Angaben zu anderen Wohnungen gehören beziehungsweise frei erfunden sind, passt die angegebene Adresse leider zu einer echten Wohnung, zu ihrer. Warum die Betrüger gerade ihre Leutkircher Adresse dafür verwenden, könne sie sich nicht erklären.
Auch wenn ihr selbst bisher dadurch kein Schaden entstanden sei – im Gegensatz zu denen, die eventuell auf diese Betrugsmasche hereingefallen sind, und in der Vorfreude auf eine schöne Wohnung mitten in Leutkirch die geforderte erste Monatsmiete und Kaution überwiesen haben – sei es schon nervig, wenn ständig Leute langsam an ihrer Wohnung vorbeifahren, um zu schauen.
Von der jungen Leutkircherin hat sie Screenshots von der Kommunikation dieser mit Patrizia, die ihre Wohnung angeboten hat, bekommen. Damit ist die Wohnungseigentümerin zum Leutkircher Polizeirevier gegangen. Über die Reaktion der Polizisten dort, die laut ihr gesagt hätten, dass sie in einem solchen Fall schlicht nichts machen könnten und anschließend lediglich ihre Personalien aufgenommen hätten, war sie zumindest kurzfristig durchaus verärgert.
Auf die Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“bei der Polizei, wie sie denn grundsätzlich mit solchen Fällen umgehe, stellte sich heraus, dass die beiden Polizisten, die den Fall aufgenommen haben, der Wohnungseigentümerin offensichtlich nicht richtig zugehört hatten. Sie gingen laut Polizeisprecher davon aus, dass die Betrüger neben der Wohnungsadresse auch die richtige EMail-Adresse der Wohnungseigentümerin benutzt haben. „Die potentiellen Opfer gingen somit direkt auf die tatsächliche Wohnungseigentümer zu, was bei dieser Betrugsmasche eigentlich unüblich ist. Vielmehr sollen die Interessenten mit dem Betrüger, der seine Identität mit gefälschten Personalien/E-MailAdressen verschleiert, in Kontakt treten und die Kaution vorab ins Ausland überweisen. Deshalb gingen die Polizisten auch davon aus, dass kein Betrug vorliegt“, so die Antwort des Polizeisprechers, nachdem er sich beim Leutkircher Revier über den fraglichen Vorgang informiert hat.
Wie die Beamten bei der Aufnahme des Vorfalls darauf gekommen sind, dass die Betrüger die E-MailAdresse der Wohnungseigentümerin genutzt haben, bleibt zwar vorerst ein Rätsel. Der Polizeisprecher versicherte gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“allerdings, dass der zuständige Bezirksdienst des Polizeireviers den Betrugsfall „selbstverständlich“weiter bearbeiten werde. Zwischenzeitlich hat die Wohnungseigentümerin auch eine Vorladung zur Zeugenaussage in diesem Fall bekommen.
Seit Jahresbeginn sind im Bereich des Polizeipräsidiums Ravensburg (Landkreise Ravensburg, Sigmaringen und Bodenseekreis) rund 20 Fälle dieser Betrugsform angezeigt worden, so der Polizeisprecher zur Häufigkeit dieser Betrugsform. „In 13 Fällen wurde die Kaution überwiesen, bei den restlichen Delikten haben die potentiellen Opfer die Betrugsmasche rechtzeitig erkannt“, erklärt der Sprecher.
Zu denen, die nicht auf den Betrug hereingefallen sind, gehört auch die junge Leutkircherin, die zum Glück noch rechtzeitig misstrauisch geworden ist. „Es war ja auch fast zu schön, um wahr zu sein“, sagt sie. Ihre Wohnungssuche geht weiter.
Dass die Betrüger ermittelt werden können, die eine nicht vorhandene, freie Wohnung unter einer existierenden Leutkircher Adresse im Internet angeboten haben, um von ahnungslosen Opfern die Kaution zu kassieren, ist leider nicht sehr wahrscheinlich. „Die Ermittlungen in diesem Deliktsfeld sind meist sehr schwierig und verlaufen in den seltensten Fällen erfolgreich, da die Betrüger größtenteils aus dem Ausland agieren“, so der Polizeisprecher.