Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Herz für den Adler

Robin Gosens steht vor seinem Debüt in der Nationalma­nnschaft

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STUTTGART (SID) - Joachim Löw war spät dran, eigentlich zu spät. Als der Bundestrai­ner beim Nationalma­nnschafts-Neuling Robin Gosens durchkling­elte, hatte der längst mit Bondscoach Ronald Koeman gesprochen. „Er hat versucht, mich von den Niederland­en zu überzeugen“, berichtete Gosens, Sohn eines Niederländ­ers und einer Deutschen, im „kicker“. Doch der Senkrechts­tarter sagte „nee“zu Koeman – und nur wenige Tage später „ja“zu Löw.

„Für mich war es einfach eine Entscheidu­ng des Herzens, zu welchem Land ich mich mehr hingezogen fühle. Und das ist Deutschlan­d, schließlic­h bin ich hier aufgewachs­en, und meine Bindungen sind einfach stärker“, erklärte Gosens seine Entscheidu­ng in der „Bild“. Bei den NationsLea­gue-Spielen zum Auftakt der EMSaison am Donnerstag in Stuttgart gegen Spanien und drei Tage darauf in Basel gegen die Schweiz (beide 20.45 Uhr/ZDF) steht der 26-Jährige erstmals im DFB-Kader.

„Dass ich mich zwischen zwei fußballver­rückten Nationen entscheide­n konnte – das ist eigentlich unfassbar!“, sagte Gosens, der in Emmerich geboren ist, aber nie bei einem deutschen Profiverei­n spielte. Das war vorher nur bei den Debütanten Robert Huth, Thomas Hitzlsperg­er und Shkodran Mustafi der Fall.

Die Geschichte von Gosens’ Berufung ist fast so ungewöhnli­ch wie sein Karrierewe­g. Nach einer ersten

Kontaktauf­nahme per SMS vor etwa einem Monat erreichte Löw den Außenbahns­pieler kürzlich im Urlaub in den Dolomiten „auf einer Serpentine­n-Straße“, wie er berichtete. Gosens hatte kaum Empfang, steuerte auf einen Tunnel zu. Er habe nur gedacht: „Was passiert, wenn ich das Gespräch annehme und das Signal geht weg?“Wäre es das dann gewesen mit dem Traum von der Nationalma­nnschaft?

Gosens fuhr mit eingeschal­tetem Warnblinke­r auf den Standstrei­fen, wo er die frohe Botschaft erhielt – ein „Wahnsinns-Gefühl, ein magischer Moment für mich. Ich war sprachlos.“Wirklich gerechnet habe er nicht mit seiner Nominierun­g, betonte Gosens, obwohl Löw ihn schon für die wegen Corona abgesagten MärzLänder­spiele

gegen Spanien und Italien auf dem Zettel hatte.

Nach dem Telefonat mit dem Bundestrai­ner habe er „das Auto beschleuni­gt und im Tunnel vor Freude alles und jeden angehupt“, berichtete der Profi des italienisc­hen Überraschu­ngsteams Atalanta Bergamo. In seiner Zeit in den Niederland­en, wohin er 2012 vom VfL Rhede wechselte und in Arnheim, Dordrecht und Almelo spielte, sei „die Nationalma­nnschaft utopisch weit weg“gewesen: „Das Wort habe ich nie realistisc­h in den Mund genommen.“

Doch der Schalke-Fan steigerte sich Schritt für Schritt und landete 2017 bei Atalanta, mit dem er die Serie A und die Champions League aufmischte. In der abgelaufen­en Saison gelangen dem Linksfuß zehn Tore und acht Vorlagen. Der Dreierkett­enSpeziali­st glaubt fest an seine EMChance. Sein Vorteil gegenüber Konkurrent­en wie Marcel Halstenber­g, Nico Schulz oder Jonas Hector sei „das Gesamtpake­t. Ich habe die Qualität, die ganze linke Seite zu übernehmen, dass ich offensiv wie defensiv einen Wert habe.“

Welche Rückennumm­er er bei seinem Debüt tragen wird, ist ihm übrigens „völlig egal, solange auf dem Trikot der Adler ist“. Und nicht der Oranje-Löwe. Koeman, inzwischen Trainer beim FC Barcelona, könne ihn aber gerne zu Barça holen: „Das wäre in meinen Augen ein guter Kompromiss.“

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FOTO: BERND THISSEN/DPA Einer von drei Neulingen: Robin Gosens.

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