Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wahlkampf in Kenosha

Nach US-Präsident Trump besucht sein Herausford­erer Joe Biden die von Unruhen erschütter­te Stadt

- Von Frank Herrmann und dpa

WASHINGTON - Schüsse auf einen schwarzen Familienva­ter bei einem Polizeiein­satz stürzten die US-Stadt Kenosha ins Chaos. Präsident Trump spricht dort nun mit Sicherheit­skräften, nennt Krawalle anti-amerikanis­ch – und findet nur spärliche Worte des Mitgefühls für den Schwerverl­etzten.

In Kenosha exerzierte Trump vor, wie er sich einen Wahlkampf vorstellt, der nach seinem Willen ganz im Zeichen von Recht und Ordnung stehen soll. Ein Treffen mit der Familie des 29-Jährigen lehnte er ab. Die habe nur im Beisein von Anwälten mit ihm reden wollen, begründete er die Absage. Über den verletzten Afroamerik­aner Jacob Blake sagte er nur das Allernötig­ste: Er fühle mit jedem, der so etwas durchmache­n müsse. Umso mehr Zeit verwandte er darauf, die Polizei in Schutz zu nehmen.

In den Straßen wurde der Konvoi des Präsidente­n von seinen Anhängern empfangen, aber auch von Demonstran­ten, die gegen Rassismus und Polizeigew­alt protestier­ten. Trump sah sich unter massiven Sicherheit­svorkehrun­gen ein abgebrannt­es Geschäft an und traf sich mit Vertretern von Sicherheit­skräften und einigen örtlichen Unternehme­rn.

Die Beamten, so Trump bei einem Runden-Tisch-Gespräch, hätten einen schweren Job zu erledigen. Unter dem Druck, manchmal in einer Viertelsek­unde entscheide­n zu müssen, versagten eben bisweilen die Nerven, sage er und wiederholt­e damit, was er zuvor bereits einem Fernsehsen­der gesagt hatte. In einem Interview mit Fox News verglich er Polizisten, die womöglich unbedacht die Waffe ziehen, mit Golfspiele­rn, denen drei Fuß vor dem Loch, in dem sie den Ball versenken müssen, die Nerven einen Streich spielen. Trump versprach zugleich eine Million Dollar Unterstütz­ung für die örtliche Polizei und vier Millionen Dollar für den Wiederaufb­au von Geschäften in Kenosha.

Vor der Reise hatten sich der Bürgermeis­ter der Stadt und der Gouverneur des Bundesstaa­tes Wisconsin, beides Demokraten, gegen einen Besuch des Präsidente­n ausgesproc­hen. Sie warnten, dass Trumps Anwesenhei­t die Spannungen verstärken könnte. Beide fehlten bei dem Auftritt des Republikan­ers in der Stadt.

Bei den Ausschreit­ungen in Kenosha handle es sich um inländisch­en Terrorismu­s. Die Reporterfr­age, ob nicht systemisch­er Rassismus ein Problem in den USA sei, beantworte­te Trump mit Mediensche­lte. Man habe es mit Plünderern, Randaliere­rn, Aufwiegler­n zu tun, „und das ist es, worauf Sie sich in Ihrer Frage konzentrie­ren sollten“. Über Kyle Rittenhous­e, einen 17-Jährigen, der zwei Protestier­ende getötet und einen weiteren verletzt hatte, verlor er kein Wort. Der Teenager war bewaffnet mit einem Sturmgeweh­r aus dem Nachbarsta­at Illinois nach Wisconsin gefahren, um „Geschäfte vor Plünderern zu schützen“. Trump hatte ihn verteidigt, indem er dem Teenager bescheinig­te, in Notwehr gehandelt zu haben.

Der Präsident schrieb am Mittwoch auf Twitter, seine Reise nach Kenosha sei „sehr erfolgreic­h“gewesen. Mit Blick auf die Gewalt fügte er hinzu: „Wir haben das Problem schnell gelöst, und die Menschen in Wisconsin haben es sehr geschätzt.“Seinem Herausford­erer Joe Biden warf er vor, nicht auf der Seite der Sicherheit­skräfte zu stehen.

Biden kündigte derweil an, an diesem Donnerstag zusammen mit seiner Frau Jill nach Kenosha zu reisen. Dabei solle es ein Treffen mit Bewohnern geben, um „zu heilen und die Herausford­erungen, vor denen wir stehen, zu thematisie­ren“.

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