Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Papst kehrt ohne Maske und mit viel Freude zu den Gläubigen zurück

Monatelang konnte Franziskus den Menschen nur virtuell nahe sein – Nun hat er zum ersten Mal seit dem Corona-Lockdown mehrere Hundert Gäste empfangen.

- Von Alexander Pitz

VATIKANSTA­DT (KNA) - Nichts hat der Papst in der Corona-Zeit wohl so sehr vermisst wie den persönlich­en Kontakt zu den einfachen Gläubigen. Ein knappes halbes Jahr lang lebte der 83-Jährige weitgehend abgeschirm­t im Vatikan. Jegliches Infektions­risiko sollte vermieden werden. Mit Video-Ansprachen, nichtöffen­tlichen Auftritten und nachdenkli­chen Texten versuchte Franziskus, seine Kirche durch die Krise zu lotsen. Doch erst jetzt ist der Menschenfi­scher wieder in seinem Element.

Rund 500 Personen haben sich am Mittwochmo­rgen im Innenhof des Apostolisc­hen Palastes versammelt – zur ersten öffentlich­en Generalaud­ienz nach dem Lockdown. Dem Kirchenobe­rhaupt ist bei jeder seiner Gesten anzumerken, wie viel Freude ihm die wiedergewo­nnene Nähe bereitet. Angst vor Corona? Fehlanzeig­e. Trotz Lungenvore­rkrankung verzichtet Franziskus auf eine Schutzmask­e. Und er lässt es sich nicht nehmen, bei seinem Einmarsch in den Damasushof einzelne Gäste kurz zu begrüßen. Als ein libanesisc­her Priester ihm eine Libanon-Flagge reicht, küsst er spontan das Stück Stoff mit dem Wappen des krisengesc­hüttelten Staates.

„Ist das nicht schön?“, sind die ersten Worte, die der Papst zum Publikum spricht. „Nach etlichen Monaten nehmen wir unsere Treffen wieder auf, von Angesicht zu Angesicht, nicht von Bildschirm zu Bildschirm.“

Diese Unmittelba­rkeit sei wohltuend für die Seele. Es ertönen Applaus und zustimmend­e Rufe aus der Menschenme­nge. Nicht wenige Besucher lassen sich von der guten Stimmung mitreißen und legen ihren – eigentlich obligatori­schen – MundNase-Schutz beiseite.

Franziskus enttäuscht weder die einen noch die anderen. In seiner Ansprache betont er den Wert der Solidaritä­t: „Wir sind alle miteinande­r verbunden, im Bösen wie im Guten.“Die Pandemie habe eindrucksv­oll vor Augen geführt, dass die gesamte Menschheit­sfamilie „in einem gemeinsame­n Haus“lebe. „Daher können wir nur gemeinsam und solidarisc­h diese Krise überwinden.“

Was der Papst konkret unter Solidaritä­t versteht, macht er zum Ende der Audienz am Beispiel des Libanon deutlich. Die innen- und außenpolit­ischen Spannungen in dem NahostStaa­t haben zuletzt bedrohlich zugenommen. Hinzu kam eine Explosions­katastroph­e in der Hauptstadt Beirut, bei der Anfang August etwa 200 Menschen ums Leben kamen. Franziskus lässt den Priester aus dem Publikum mitsamt seiner Flagge zu sich holen und verkündet überrasche­nd eine geistlich-diplomatis­che Offensive.

Zum einen ruft er zu einem Fastenund Gebetstag für den Libanon auf. Zum anderen wolle er seinen Staatssekr­etär Kardinal Pietro Parolin in den nächsten Tagen nach Beirut schicken. Die Menschen dort dürften „nicht alleingela­ssen werden“, lautet die Begründung.

 ?? FOTO: ANDREW MEDICHINI/DPA ?? Papst Franziskus hielt bei seiner ersten Generalaud­ienz mit Gläubigen seit Ausbruch der Corona-Pandemie in Gedenken an die Opfer der Explosion in Beirut die Flagge des Libanon und kündigte eine Pastoralin­itiative in dem krisengebe­utelten Land an.
FOTO: ANDREW MEDICHINI/DPA Papst Franziskus hielt bei seiner ersten Generalaud­ienz mit Gläubigen seit Ausbruch der Corona-Pandemie in Gedenken an die Opfer der Explosion in Beirut die Flagge des Libanon und kündigte eine Pastoralin­itiative in dem krisengebe­utelten Land an.

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