Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Plötzlich Priester
„Corpus Christi“greift tiefgreifende Fragen nach Glaube, Schuld und Vergebung auf
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Die vermutlich effektivste Art, eine andere Identität anzunehmen, ist es wohl, in ein geistliches Gewand zu schlüpfen. Eine dankbare Vorlage für Filmkomödien wie „Wir sind keine Engel“oder „Nonnen auf der Flucht“, die vorwiegend Ganoven in Soutane oder Schwesterntracht schlüpfen lassen. Auch Daniel (Bartosz Bielenia) blickt trotz seiner jungen Jahre bereits auf eine kriminelle Laufbahn und Haftzeit im Jugendgefängnis zurück. Doch seine zeitweise Wandlung zum Priester ist beileibe kein leichtes Lustspiel; vielmehr wirft der Film „Corpus Christi“von Jan Komasa tiefgreifende Fragen nach Glaube, Schuld und Vergebung auf.
Die polnische Produktion war in diesem Jahr als bester internationaler Beitrag für den Oscar nominiert. Die Trophäe ging dann bekanntlich an „Parasite“, und die Filme weisen im Kern durchaus Parallelen auf: In beiden Fällen geraten Außenstehende unter falschen Vorgaben in ein geschlossenes soziales System – bei „Parasite“die Familie, hier die Dorfgemeinschaft – und entlarven unter der Oberfläche brodelnde Konflikte.
Dabei mag man zuerst zweifeln, dass dem gerade erst dem Teenageralter entwachsenen Daniel die Priesterrolle abgenommen wird. Tatsächlich beruht der Film aber auf einem realen Vorfall in Polen, bei dem ein 19-Jähriger in einem kleinen Dorf in Polen als falscher Priester Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen abhielt.
Im Gegensatz zu den meisten Komödien ist Daniel nicht auf der Flucht, als er in seine Rolle schlüpft – zumindest nicht formal. Denn der junge Mann wurde aus dem Gefängnis entlassen und soll nun in einem
Sägewerk mit anderen jugendlichen Straftätern eine Stelle antreten. Dieser trostlosen Aussicht und den Vorurteilen der Gesellschaft will er dann aber doch entfliehen und erzählt der jungen Marta (Eliza Rycembel), die er in der Kirche trifft, er sei ein durchreisender Priester frisch aus dem Seminar in Warschau. Als der Gemeindepfarrer dann plötzlich aus gesundheitlichen Gründen ausfällt, muss der Jungpriester kurzerhand einspringen. Mit seiner unkonventionellen Art lockt er die Kirchgänger zunehmend aus der Reserve, aber auch unverheilte Wunden und Konflikte brechen auf.
Am fesselndsten ist dabei das Spiel von Bartosz Bielenia, der den Zuschauer mit seinen stechenden blauen Augen in den Bann zieht und stets zwischen heiligem Ernst und Unberechenbarkeit schwankt. Denn der Wunsch, Priester zu werden, wuchs in ihm bereits während der Gefängniszeit, deren brutaler Alltag hier so knapp wie schonungslos aufgezeigt wird. Doch der Gefängnisgeistliche macht ihm klar, dass mit seinem Vorstrafenregister daraus nichts werden kann. Umso kompromissloser stürzt sich der junge Mann dann in seine neue Rolle, wobei ihm klar sein muss, dass diese nicht von Dauer sein kann – selten passte das Bonmot „Du hast keine Chance, also nutze sie“so gut wie hier.