Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Selten sah man Diven schöner sterben
Performance-Künstlerin Marina Abramovic inszeniert an der Bayerischen Staatsoper „7 Deaths of Maria Callas“
MÜNCHEN (dpa) - Maria Callas ist auch Jahrzehnte nach ihrem Tod weltberühmt. Eine ihrer großen Bewunderinnen ist Marina Abramovic. Die Performance-Künstlerin hat der Diva nun ein Opernprojekt gewidmet. An der Bayerischen Staatsoper wurde es uraufgeführt. Am Samstag ist es auf dem TV-Kanal der Staatsoper frei empfangbar.
Wie wird man sterben? Wird man leise sein Leben aushauchen? Dramatisch aus eigenem Willen dahinscheiden oder gewaltsam zu Tode kommen? In der Oper war alles schon da. Marina Abramovic hat sieben berühmte Bühnentode nun in einem Kunstprojekt verarbeitet. „7 Deaths of Maria Callas“nennt sie ihre Hommage an die Callas, die 1977 in Paris starb – laut Abramovic an gebrochenem Herzen.
Es ist eine faszinierende Mischung, die Marina Abramovic den Zuschauern bietet. In sieben teilweise etwas pathetischen Filmen spielt sie an der Seite des US-Schauspielers Willem Dafoe diese Bühnentode nach, während reale Sängerinnen auf der Bühne die entsprechenden Arien singen. Den wehmütigen Abschied „Addio, del passato“aus Verdis „La Traviata“, die leidenschaftliche Habanera „L’amour est un oiseau rebelle“der Carmen aus Bizets gleichnamiger Oper oder die verzweifelte Arie „Il dolce suono“aus Donizettis „Lucia di Lammermoor“. Maria Callas ist immer dabei – in Gestalt von Abramovic selbst, die im Halbdunkel auf der Bühne in einem Bett liegt und erst im letzten Bild in den Fokus rückt, als die Operndiva in ihrem Schlafzimmer tatsächlich im Sterben liegt.
Marko Nikodijevic ergänzt die Musik von Komponisten wie Puccini oder Bellini mit eigenen Kompositionen und Soundcollagen. Und die kommen mal zart und traumgleich daher, dann wieder donnernd und gewaltig.
Die Vorstellung ist von großer emotionaler Wucht, nicht nur wegen dieser hoch expressiven Arien, die die Sängerinnen mit dem Orchester und dem Chor der Staatsoper unter der musikalischen Leitung von Yoel Gamzou darbieten. Es ist auch das Thema: der Tod, für viele ein Tabu. Abramovic hat keine Scheu. In ihren Filmen ist sie die Sterbende, die sich vor dem Unbekannten des Todes fürchtet. Sie ist die Verzweifelte, die des Lebens überdrüssig ist. Und sie ist die Hasserfüllte, der der Tod Erlösung bringt. Es ist eine Annäherung an das Lebensende. Sie beschönigt nichts, führt gleichzeitig aber auch das Unwägbare des Todes vor Augen.
„Callas ist alle diese Tode gestorben“, sagt Abramovic in einem Interview mit dem Operndramaturgen Benedikt Stampfli. „Ich habe Tode ausgesucht, die letztlich aus Liebe erfolgten.“Als Kind hörte die Künstlerin die berühmte
Sängerin im Radio und war begeistert. „In dem Moment spürte ich Elektrizität in meinem ganzen Körper.“
Doch erst viele Jahre später konnte sie ihr Vorhaben über ihr Idol verwirklichen, in dem sie auch Parallelen zwischen ihrer beider Leben zieht. Abramovic mit ihrer Liebe zu dem deutschen Künstler Ulay, von dem sie sich 1988 schmerzhaft trennte. Und Callas mit ihrer Leidenschaft für den Milliardär Aristoteles Onassis, der sie für Jackie Kennedy verließ. „Wir hatten beide ein gebrochenes Herz“, ist sich Abramovic sicher. „Aber sie ist wirklich an gebrochenem Herzen gestorben, ich dagegen nicht.“