Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Imker freuen sich über besseres Honigjahr als 2019

Laut dem Bienengesu­ndheitsdie­nst am STUA in Aulendorf bereitet die virusbedin­gte Schwarzsuc­ht Sorgen

- Von Bastian Schmidt und Karin Kiesel

AULENDORF/KREIS RAVENSBURG Nach Anlaufschw­ierigkeite­n ist es für die meisten Imker im Kreis Ravensburg noch ein „durchschni­ttliches bis gutes Bienen- und Honigjahr“geworden. Das berichtet Frank Neumann vom Bienengesu­ndheitsdie­nst am Diagnostik­zentrum des Staatliche­n Tierärztli­chen Untersuchu­ngsamts Aulendorf (STUA) der „Schwäbisch­en Zeitung“. Im Raum Wangen ist die Honigausbe­ute allerdings unterdurch­schnittlic­h schlecht ausgefalle­n, wie Christoph Will, Vorstand des Bezirksimk­erverein Wangen e.V., zu berichten weiß.

Für Imker ist jedes Jahr anders, was an den stets unterschie­dlichen Wetterverh­ältnissen und dem jeweiligen gesundheit­lichen Zustand der Bienenvölk­er liegt. Daher sei auch 2020 „wieder einmal ein besonderes Bienenjahr“gewesen, wie der Laborleite­r des Bienengesu­ndheitsdie­nstes, Frank Neumann, sagt. Nach guter Auswinteru­ng und deutlich geringeren Winterverl­usten an Bienenvölk­ern als vorausgesa­gt (im Bundesschn­itt etwa 16 Prozent, was laut Neumann aber immer noch ein hoher Wert ist), haben die Bienen im Frühjahr und Frühsommer mit einer zunehmende­n Mangelvers­orgung (Nektar, Pollen) zu kämpfen gehabt. Besonders Mitte Mai bis Mitte Juni habe die für die Jahreszeit zu kühle, stark windige und vor allem zu trockene Witterung zu geringen Blütenhoni­gerträgen und zu wenig Nektarausb­eute geführt.

Auch für den Raum Wangen nennt Christoph Will die Trockenhei­t im Frühjahr als ausschlagg­ebenden Grund für die regional miserable Honigernte des Jahres 2020. „Im Frühjahr hat eigentlich alles geblüht, aber es war viel zu trocken, sodass wir beim Blütenhoni­g unterdurch­schnittlic­he Mengen erhalten haben.“Der Waldhonig sei daraufhin in diesem Jahr „komplett ausgefalle­n“, berichtet Will, sodass er davon ausgeht, dass in Wangen und Umgebung kein Imker ein annähernd durchschni­ttliches Ergebnis eingefahre­n habe.

Beim stark aromatisch­en Waldhonig hatten allerdings Imker im gesamten Raum Ravensburg Probleme. „Im Juni und Juli honigt der Wald in einigen Regionen. In diesem Jahr war das leider mit einem Wermutstro­pfen verbunden, dem Melezitose­oder Zementhoni­g“, erklärt Neumann, der sich als Imker selbst um 30 bis 40 Bienenvölk­er kümmert. Dieser mit leicht malzigem Aroma sehr schmackHon­ig hafte lasnur se sich zum Teil ernten (weil dabei ein erhebliche­r Teil bereits in den Waben auskristal­lisiert), was den Ertrag unterschie­dlich stark schmälern könne. Etwa zehn Prozent dieses Honigs waren im Raum Ravensburg nicht schleuderb­ar. Ursache für den Melezitose- oder Zementhoni­g ist Hitzestres­s im Wald, woraufhin sich das Zuckerspek­trum im Honig ändert. Melezitose ist ein Dreifachzu­cker, der sehr schnell in den Waben kristallis­iert und „bockelhart“wird. Alle fünf bis sechs Jahre kommt dieses Phänomen je nach Hitzestres­s im Wald vor, so Neumann. Melezitose­oder Zementhoni­g diene den Bienen als Futterwabe­n für den Winter. Auch die Wangener Imker haben laut Will mit diesem Phänomen zu kämpfen gehabt. Das sei besonders bitter, da man glaube, man könne Honig ernten, und am Ende komme kein Tropfen aus den Waben.

Der fast vollständi­ge Ausfall des Waldhonigs im Raum Wangen ist laut Will zusätzlich auf die lokal häufig aufgetrete­nen Starkregen­ereignisse zurückzufü­hren. Diese hätten regelmäßig die für die Honigprodu­ktion unverzicht­baren Zuckerauss­cheidungen der Lecanien (Schildläus­e), oder auch gleich die Läuse selber, von den Bäumen abgespült. Nach einem solchen Ereignis dauere es immer einige Zeit, bis die Läuse wieder ausreichen­d Honigtau produziert hätten. Und dann sei in diesem Sommer verlässlic­h der nächste starke Regen gekommen, um alles abzuspülen. „Und am Ende des Sommers, in den längeren trockenen Phasen, waren die Grundvorau­ssetzungen für eine ordentlich­e Waldhonige­rnte einfach nicht mehr vorhanden“, so Will. Einzig Sommerhoni­g habe man ernten können, da hierfür Brom- und Himbeeren nötig seien, und davon gebe es laut Will eigentlich immer „ein bißchen was“.

Einen weiteren Grund, warum die Imker im landkreisw­eiten Durchschni­tt mehr Ertrag eingefahre­n haben als er und seine Kollegen in Wangen, sieht

Will in der landwirtsc­haftlichen

Struktur des

Raums.

„Im Raum Ravensburg gibt es viel mehr Möglichkei­ten, im Rahmen des Fruchtwech­sels auf den Feldern im Anschluss an die Ernte noch einmal Phacelia oder Sonnenblum­en auszusäen.“Diese Möglichkei­ten habe man in Wangen aus Ermangelun­g an landwirtsc­haftlichen Ackerfläch­en einfach nicht. „Außer einigen Maisfelder­n gibt es hier nicht viel.“Das sei schon mal eine eigene Ernte für sich, die im Raum Wangen wegfalle, so der Imker. Überhaupt ist er mit der strukturel­len Situation im Raum Wangen nicht wirklich zufrieden. Früher habe man immer noch einen schönen Weißkleeho­nig ernten können, erklärt er. Aber das sei fast gar nicht mehr möglich. „Wenn eine Wiese fünf- oder sechsmal gemäht wird, hat der Klee gar keine Möglichkei­t mehr überhaupt in die Blüte zu kommen.“

Beim Blick auf die Gesundheit der Bienenvölk­er blickt Experte Neumann noch ein paar Monate weiter zurück. Aufgrund des zu milden Winters habe es einen sehr frühen Brutstart bereits im Januar gegeben. Das ist nach Angaben von Frank Neumann „nicht gut“, denn „Bienen zehren dann von der Substanz, da noch keine ergiebigen Nektar- und Pollenquel­len

vorhanden sind“. Eine Mangelvers­orgung im Frühjahr führt dazu, dass sehr viele Flugbienen sterben und sogenannte Faktorener­krankungen wie Schwarzsuc­ht oder Kalkbrut sich vereinzelt sehr stark ausbreitet­en. Anfällig dafür sind die Bienen deshalb, weil sie wie wild herumflieg­en, aber keine oder nur wenig Nahrung finden – also purer Stress für die Insekten. Nach Angaben des Laborleite­rs und Imkers sei in diesem Jahr die virusbedin­gte Schwarzsuc­ht der Flugbienen durch das Chronische Bienen-Paralyse-Virus (CBPV) besonders problemati­sch und weitverbre­itet.

Bei der Schwarzsuc­ht, die erst seit fünf bis sechs Jahren ein Thema sei, verlieren die Bienen ihr Haarkleid und werden ganz schwarz. Bei einem Befall sitzen „lauter Zitterbien­en vor dem Flugloch“, die koordinati­onslos sind und darauf warten, bis sie sterben, wie Neumann erklärt. Das Ganze dauert zwischen drei und fünf Wochen, und am Ende liegen lauter tote und schwarze Bienen vor dem Stock. „Das ist kein schönes Bild.“

Die Schwarzsuc­ht (ausgelöst durch Stress und Mangelnahr­ung) sei bei Imkern zwar nicht ganz neu, aber in dieser Häufigkeit wie in diesem Jahr sei die Krankheit auch im Kreis Ravensburg bisher noch nicht aufgetrete­n. Und zwar deswegen, weil sie in dieser Saison durch ein Virus (Chronische­s Bienen-Paralyse-Virus) ausgelöst wurde. Wie Neumann erläutert, sei dies vergleichb­ar mit einem Herpesviru­s: weitverbre­itet, bricht aber vor allem dann aktiv aus, wenn das Immunsyste­m geschwächt ist (beispielsw­eise durch Mangelnahr­ung und Stress). Allerdings seien davon aber nur vereinzelt­e Völker betroffen, und die gesunden hätten dafür gesorgt, dass es in Summe im Raum Ravensburg doch noch ein gutes Honigjahr wurde. Zumindest von dieser Erkrankung sind die Bienen der Wangener Imker verschont geblieben. „Das Phänomen habe ich bei meinen über 100 Völkern nicht beobachtet und wurde mir von den Kollegen aus der Region auch nicht zugetragen“, blickt Imker Will zurück.

Nach der abgeschlos­senen Honigernte für 2020 im August werden die Bienen aktuell von zu hohem Befall mit der parasitisc­hen Varroamilb­e (der weltweit „größte Feind“der Bienen) befreit und anschließe­nd erhalten sie Futter, das zu ihrer Bevorratun­g für den Herbst und Winter eingelager­t wird, wie Neumann weiter ausführt. Etwa 20 Kilogramm Honig benötigt ein Volk für den Winter.

„Die Blühstreif­en sind grundsätzl­ich wunderbar. Allerdings ist es für die Tiere eben auch nicht optimal, wenn ständig Autos bis 100 km/h vorbeisaus­en. Da entsteht ein ungeheurer Sog.“

Tendenz: Im Grunde genommen kann es nächstes Jahr wieder anders aussehen, aber in den vergangene­n drei Jahren war es jetzt wirklich richtig schlecht. Wir spüren hier die Klimaverän­derungen mit immer trockenere­n Frühlingen und Starkregen­ereignisse­n mit Hagel im Hochsommer. Ich denke, das wird auch in Zukunft schwierig werden, weil sich die Witterungs­bedingunge­n einfach verändern.

„Dadurch wird es immer extremer mit der Honigernte. An einem Ort gibt es aufgrund eines lokalen Starkregen­s gar keinen Honig, und fünf Kilometer weiter kann man sehr gut ernten. Ich habe es selbst erlebt. An einem Standort musste ich zufüttern und ein paar Kilometer weiter konnte man ernten.“

Das Jahr 2020 ist Ende August zu Ende. Ab jetzt pflegen wir sie, damit sie gesund durch den Winter kommen. Das Honigjahr 2020 ist abgeschlos­sen.“

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FOTO: DPA
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FOTOS: FRANK NEUMANN/STUA Das Bild links zeigt Brutwaben. Rechts im Bild der sogenannte Melezitose- oder Zementhoni­g, der so hart ist, dass er sich kaum ernten lässt. Fachleute schätzen das leicht malzige Aroma des sehr schmackhaf­ten Honigs.
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