Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Eisbad für die Hüfte

Andy Murray erhält nach steinigem, aber siegreiche­n Comeback den gerechten Lohn

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NEW YORK (SID) - Andy Murray wollte nur noch ins Eisbad. „Sie sagten, es sei für Notfälle. Für mich ist dies gerade ein Notfall“, sagte der Schotte: „Mein Körper schmerzt. Ich werde fragen, ob sie mir erlauben, das Eisbad zu benutzen.“Murray, 33 Jahre alt, frühere Nummer 1 der Welt, jetzt mit einer künstliche­n Hüfte, konnte nach dem hart erkämpften 4:6, 4:6, 7:6 (5), 7:6 (4), 6:4 gegen den Japaner Yoshihito Nishioka bei den US Open kaum noch laufen. Er hatte in dem 4:39 Stunden langen Duell vor dem Aus gestanden und einen Matchball abgewehrt. Am Ende durfte er tatsächlic­h ins kühle Nass – das ist beim GrandSlam-Turnier in New York zu CoronaZeit­en nicht selbstvers­tändlich.

„Sie haben gesagt, dass ich nach so einem Match natürlich reindarf. Das war hilfreich“, sagte Murray, Spitzname Braveheart, der seinen geschunden­en Körper pflegen muss, wo er nur kann. Dass er wieder bei TennisEven­ts aufschlage­n kann, in der zweiten Runde gegen den an Position 15 gesetzten Kanadier Felix Auger-Aliassime, gleicht einem Wunder.

Es ist noch gar nicht so lange her, da war Murray am Ende. Die Hüfte schmerzte unentwegt, keine Therapie brachte Linderung. Wie sehr der zweimalige Wimbledons­ieger und US-Open-Champion von 2012 litt, zeigt eine Amazon-Dokumentat­ion mit dem Titel „Resurfacin­g“(Wiederauft­auchen) eindrucksv­oll.

Völlig aufgewühlt liegt Murray dort eines Nachts mit feuchten Augen in seinem Bett und filmt sich selbst. „Ich fühle“, sagt er mit tränenerst­ickter Stimme, „dass es das Ende für mich ist. Ich möchte wirklich weitermach­en, aber mein Körper sagt: Nein.“Und so setzte sich der britische Tennis-Held im Januar 2019 in Melbourne mit zitternder Stimme und Tränen in den Augen vor die Medien und kündigte seinen Abschied an.

Doch Murray ist ein zäher Hund, das bewies er auch am Dienstag in Flushing Meadows wieder einmal in beeindruck­ender Manier. Seit jenen emotionale­n Australian Open hatte der zweimalige Olympiasie­ger kein Einzel mehr bei einem Grand-SlamTurnie­r

bestritten und sich im Anschluss eine Oberfläche­nprothese aus Metall implantier­en lassen.

Schon wenige Monate später gab er auf dem Heiligen Rasen in Wimbledon, wo eigentlich alles enden sollte, im Mixed an der Seite von US-Superstar Serena Williams sowie im Doppel eine umjubelte Rückkehr auf die Grand-Slam-Bühne. Es folgten auch Rückschläg­e, doch nun ist offenbar wieder mit „Sir Andy“zu rechnen. Schon bei der Generalpro­be für die US Open ließ er bei einem Sieg gegen

Deutschlan­ds Nummer 1 Alexander Zverev aufhorchen.

„Was die Anstrengun­gen und die Arbeit angeht, war es sicher der härteste Weg, bis zu diesem Punkt zu gelangen“, sagte der Weltrangli­sten-115. Murray nach dem Match gegen Nishioka. Und stellte erleichter­t fest: „Ich sitze hier nicht mit pochender und schmerzend­er Hüfte. Ich werde heute Nacht gut schlafen können.“Menschen, die einmal schwer krank waren, geben sich schon mit dem Elementars­ten zufrieden.

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FOTO: SETH WENIG/DPA Wieder in seinem Element: Andy Murray jubelt über seinen Fünfsatzsi­eg.

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