Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Putins vergiftete­s Image

- Von Stefan Scholl politik@schwaebisc­he.de

Ausgerechn­et Nowitschok. Das Nervengift, das ein Bundeswehr­labor im Körper des vergiftete­n Alexej Nawalny gefunden hat, kam schon 2018 im englischen Salisbury gegen den russischen Doppelagen­ten Sergej Skripal und seine Tochter zum Einsatz. Zwei Agenten des russischen Militärgeh­eimdienste­s GRU sind dringend tatverdäch­tig. Der chemische Kampfstoff bestätigt erneut, dass der Staat an dem Giftanschl­ag gegen den Opposition­sführer beteiligt war. Oder wie es Nawalnys Stabschef Leonid Wolkow formuliert­e: „Nowitschok – das ist Putin.“Schon nach dem Poloniumgi­ftmord am Exilrussen Alexander Litwinenko 2006 in London verkündete ein britischer Richter als Ergebnis der Ermittlung­en: Vermutlich sei Litwinenko mit der Zustimmung des russischen Staatschef­s getötet worden.

Putin droht ein immer giftigeres Image. Seine Geheimdien­ste setzen die tödlichen Traditione­n ihrer sowjetisch­en Vorgänger fort. Die schütteten Überläufer­n Rattengift in den Kaffee, bliesen ukrainisch­en Exilnation­alisten Zyankali ins Gesicht. Unter Putin ging es weiter. 2003 verbrannte eine rätselhaft­e Krankheit den Journalist­en Juri Schtscheko­tschichin von der opposition­ellen Zeitung „Nowaja Gaseta“regelrecht. Seine Redaktions­kollegin Anna Politkowsk­aja verlor 2004 nach einem Tee das Bewusstsei­n und überlebte. Die Ärzte stellten ein unbekannte­s Toxin in ihrem Körper fest. 2006 wurde sie in Moskau erschossen ...

Nawalny selbst wurde mehrfach angegriffe­n, man schüttete ihm Farbstoff oder saure Milch ins Gesicht, vergangene­s Jahr landete er mit schweren allergisch­en Symptomen im Krankenhau­s. In Tomsk sollte er sterben, als das neueste Opfer des seit Jahrzehnte­n arbeitende­n Giftmordsy­stems. Wer weiß, ob Putin eingeweiht war? Bekanntlic­h besitzt der Kreml verschiede­ne Türme und Russland verschiede­ne Geheimdien­ste. Wer von ihnen Nawalny vergiftet hat? Auf jeden Fall Leute aus den Sicherheit­sorganen. Leute, die kein Interesse an besseren Beziehunge­n zum Westen haben. Der Kreml scheint sie auch dieses Mal zu decken, mit all seinen Türmen.

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