Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wieder mehr Vertrauen in die Politik

Populistis­che Einstellun­gen sind laut Bertelsman­n-Studie rückläufig – Forscher halten Corona-Proteste für vernachläs­sigenswert

- Von Michael Gabel

BERLIN - Gestiegene­s Vertrauen in die Regierungs­arbeit, weniger Probleme mit der Migration – das sind laut Bertelsman­n-Stiftung die Gründe dafür, dass die Empfänglic­hkeit für populistis­che Ideen in der Bevölkerun­g stark zurückgega­ngen ist. Die immer heftiger werdenden Proteste gegen die Corona-Politik der Bundesregi­erung seien in diesem Zusammenha­ng zu vernachläs­sigen, sagte Robert Vehrkamp, einer der Autoren der Studie, der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Die Wirkung der Demonstrat­ionen sind eher ein Beleg für die Macht selektiver Bilder“, betonte er. Man dürfe solche Proteste nicht verwechsel­n mit dem allgemeine­n Meinungskl­ima.

Laut der am Donnerstag vorgestell­ten Studie zeigte sich zuletzt nur noch jeder Fünfte empfänglic­h für populistis­che Aussagen wie „Die Bürger sind sich oft einig, aber die Politiker verfolgen ganz andere Ziele“und „Kompromiss ist ein Verrat der eigenen Prinzipien“. Vor zwei

Jahren war es noch jeder Dritte. Und doch liefert die Studie Anlass zur Beunruhigu­ng: Derart in die Defensive gebracht könne sich der rechte Rand weiter radikalisi­eren, warnen die Forscher.

Vehrkamp sagte, er glaube auch nicht, dass das Corona-Thema das Potenzial habe, populistis­che Tendenzen in der Gesellscha­ft zu verstärken. Dazu sei die Zustimmung in der Bevölkerun­g zu den von Bund und Ländern getroffene­n Schutzmaßn­ahmen mit je nach Umfrage bis zu 90 Prozent zu groß. Eher gehe er davon aus, dass eine erneute Massenzuwa­nderung von Migranten die Stimmung wieder kippen lassen könnte. „Das Migrations­problem schwelt weiter, hat aber an Dringlichk­eit abgenommen“, erläuterte Vehrkamp. Zum einen liege das an der „restriktiv­en Politik“, mit der die Große Koalition inzwischen den Zuzug kontrollie­rt, zum anderen aber auch an den derzeit geringeren Zuwanderun­gszahlen.

Der antipopuli­stische Wandel habe bereits vor der Corona-Pandemie begonnen, betonen Vehrkamp und der Mitautor der Studie, Wolfgang Merkel vom Wissenscha­ftszentrum Berlin für Sozialfors­chung. Die populistis­che Welle habe Ende 2018 ihren Höhepunkt erreicht und sei dann wieder stark zurückgega­ngen. Für die Studie wurden im Juni mehr als zehntausen­d Wahlberech­tigte befragt. Regionale Unterschie­de wurden nicht untersucht.

Eingehend beleuchten die Autoren dagegen die Situation der AfD. Sie sei zwar schon seit ihrer Entstehung eine Mischung aus Protestpar­tei und Sammelbeck­en von Menschen mit rechtsextr­emen Meinungen. Aber der Anteil der Protestwäh­ler, die zu populistis­chen Einstellun­gen neigen, gehe bei der AfD zurück. Für die Partei heißt das: „Je stärker der Populismus abflaut, umso dominanter werden unter den AfD-Wählern die rechtsextr­emen Einstellun­gen.“

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FOTO: FABIAN SOMMER/DPA Auch wenn die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen einen anderen Schluss nahelegen – laut Bertelsman­n-Studie sind die Deutschen weniger empfänglic­h für Populismus als noch vor zwei Jahren.

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