Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Grüner Knopf mit größerer Nachfrage
Das staatliche Textilsiegel für nachhaltige Produktion wird ein Jahr alt
BERLIN - Die Bettwäsche in allen Dorint-Hotels soll bald grün sein – nicht farblich, wohl aber im ökologischen Sinne. Man stelle „derzeit auf nachhaltig produzierte und zertifizierte Textilien um“, erklärte die Hotelgruppe mit Sitz in Köln. Wenn Bettlaken und Kopfkissenbezüge neu beschafft werden, sollen sie deshalb das Textilsiegel Grüner Knopf tragen. Auch die Arbeitskleidung sämtlicher 4500 Beschäftigter kaufe man nach und nach so ein, dass sie aus verantwortungsvoller Produktion stamme.
Der Grüne Knopf ist nun fast ein Jahr auf dem Markt. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) rief ihn ins Leben und präsentierte ihn am 9. September 2019. Um das staatliche Siegel zu erhalten, müssen die Produzenten und Händler 26 Prüfkriterien für den jeweiligen Artikel erfüllen. In den asiatischen Zulieferfabriken sollen zum Beispiel genug Feuerlöscher hängen, bestimmte gesundheitsschädliche Chemikalien werden verboten, Gewerkschaftsfreiheit, gesetzmäßige Arbeitszeiten und Mindestlöhne sind zu gewährleisten. Zusätzlich müssen die Firmen jeweils 20 Kriterien auf der Ebene des Unternehmens einhalten, etwa einen Beschwerdemechanismus
für die Beschäftigten einrichten. Durch die Kombination der Produkt- und Unternehmenskriterien geht der Grüne Knopf über andere private Siegel hinaus und soll damit den Verbrauchern insgesamt eine bessere ökologische und soziale Qualität garantieren.
45 hiesige Textilunternehmen haben das Zertifikat inzwischen beantragt und erhalten. Die Zahl der Teilnehmer hat sich seit Beginn fast verdoppelt – und steigt weiter. Mit dabei ist neuerdings beispielsweise der Dessousund Unterwäschehersteller Mey GmbH im baden-württembergischen Albstadt. „Das staatliche TextilSiegel schafft Vertrauen“bei den Konsumentinnen und Konsumenten, heißt es dort. Durch das neue Label erhoffen sich Händler wie Mey Vorteile bei Umsatz und Gewinn. Auch der Outdoor-Ausrüster Jack Wolfskin macht mittlerweile mit – neben Unternehmen wie Aldi, Lidl, Rewe und Tchibo. Die Verbraucher finden den Grünen Knopf in den Geschäften an den einzelnen Produkten.
Trotzdem ist das Siegel „bei den großen Textilketten noch nicht angekommen“, bemängelte Philipp von Bremen, der für die Verbraucherzentralen im Beirat des Grünen Knopfes sitzt. Filialisten wie H&M, Zara oder Primark halten sich zurück. Außerdem fehle „ein klar definierter Sanktionskatalog“, um die Händler zu Verbesserungen zu zwingen, so von Bremen. Gisela Burckhardt von der Kampagne für Saubere Kleidung kritisierte, dass der Grüne Knopf bisher nicht die gesamte Herstellungskette vom Baumwollanbau bis zum Verkauf abdecke, sondern nur das Färben und Nähen. Aber auch dann bliebe der Grüne Knopf allerdings eine freiwillige Veranstaltung. „Umso wichtiger ist deshalb ein Lieferkettengesetz, das alle Unternehmen der Textilbranche verpflichtet, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten einzuhalten“, sagte von Bremen.