Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ein Verbrechen, das fassungslos macht
Eine 27-Jährige soll fünf ihrer Kinder getötet haben – Mutter wollte sich umbringen
SOLINGEN (dpa/AFP) - Eine Mutter aus Solingen soll fünf ihrer sechs Kinder getötet haben. Die Kinder wurden am Donnerstag in einer Wohnung in der Stadt im Bergischen Land gefunden, wie die Polizei in Wuppertal bestätigte.
Die tatverdächtige 27-jährige Mutter hatte sich später laut NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) im Düsseldorfer Hauptbahnhof vor einen Zug geworfen und schwer verletzt überlebt. Die Mutter begleitet hatte zunächst ein weiteres Kind (11), das wohlauf sei. Die toten Kinder seien 8, 6, 3, 2 Jahre beziehungsweise ein Jahr alt gewesen.
Der Tatort liegt im Solinger Stadtteil Hasseldelle. Die dicht bebaute Siedlung steht schon länger im Ruf, ein sozialer Brennpunkt zu sein, aber es habe sich einiges getan und es sei investiert worden, schildern Ortskundige.
Die 160 000-Einwohner-Stadt ist für ihre Klingenindustrie – Messer und Scheren – bekannt. Aber auch für den fremdenfeindlichen Brandanschlag auf die türkischstämmige Familie Genc im Jahr 1993. Und nun erschüttert das Drama um die fünf toten Kinder die Republik.
Die Leichen wurden in einem Mehrfamilienhaus entdeckt. Die Großmutter, die im 60 Kilometer entfernten Mönchengladbach lebt, soll die Polizei kurz vor 14 Uhr informiert haben. Vor dem Haus in Solingen waren am Nachmittag zahlreiche Polizei- und Rettungswagen zu sehen. Der Tatort wurde weiträumig abgesperrt.
Bei den toten Kindern handele es sich um drei Mädchen im Alter von eineinhalb, zwei und drei Jahren sowie um zwei sechs und acht Jahre alte Jungen, so die Polizei.
„Was wir tatsächlich wissen, ist, dass ein sechstes Kind, ein elfjähriger Junge, überlebt hat“, sagte der Polizeisprecher. Das Kind befinde sich in einem „sicheren Familienumfeld“.
Auch die Rolle und die Person des Vaters blieb zunächst im Dunkeln. Ein Polizeisprecher sagte lediglich, man habe Kontakt zu ihm aufgenommen. Ansonsten hielt er sich aber in dieser Frage völlig bedeckt.
Die tatverdächtige Mutter soll mit dem Elfjährigen zum Düsseldorfer Hauptbahnhof gefahren sein. Danach fuhr der Junge offenbar mit einem anderen Zug Richtung Mönchengladbach zur Großmutter.
Die 27-Jährige warf sich den Angaben der Ermittler zufolge gegen 14 Uhr vor eine S-Bahn der Linie 1. Laut einem Feuerwehrsprecher wurde die Frau zwischen zwei Gleisbetten gerettet und verletzt in ein Krankenhaus gebracht. Die Frau ist laut Polizei Deutsche. Ob der Junge dabei war, als seine Mutter sich vor den Zug warf, konnte die Polizei zunächst nicht mit Sicherheit sagen. „Das können wir im Moment nur vermuten“, so der Sprecher. „Wir versuchen, den genauen Ablauf zu klären.“
„Wir nehmen eine Straftat an und werden die Mutter dazu befragen müssen, im Moment ist sie aber noch nicht vernehmungsfähig“, sagte Polizeisprecher Stefan Weiand in Solingen. „Was wann genau warum passiert ist, wissen wir noch nicht, nur, dass es eine sehr tragische Situation ist.“Auf Gerüchte, wonach die Kinder mit Tabletten getötet worden sein könnten, gingen die Ermittler nicht ein. „Wir wissen nicht, wie sie ums Leben gekommen sind“, sagte ein Sprecher.
Bis in den Abend war die Spurensicherung vor Ort. Die Leichen waren bis dahin noch nicht abtransportiert. Solingens Oberbürgermeister Tim
Kurzbach (SPD) war nach einem Besuch am Tatort sichtlich schockiert. „Heute ist ein Tag, an dem wir in Solingen sehr traurig sind, weil eine Tat geschehen ist, die uns tief ins Herz getroffen hat“, sagte Kurzbach Journalisten vor Ort.
Solingen liegt im Bergischen Land, rund 25 Kilometer von Düsseldorf entfernt. Der für Solingen zuständige Wuppertaler Polizeipräsident Markus Röhrl sagte vor Ort: „Das ist eine erschütternde Dimension.“Seines Wissens sei „bei uns im Bergischen noch nie zuvor je so etwas vorgekommen“. Es seien belastende Bilder für die Beamten, heißt es.
Auch Landesinnenminister Reul zeigte sich erschüttert: „Das Familiendrama von Solingen erfüllt mich mit großer Trauer und im Moment bin ich mit meinen Gedanken und mit meinem Gebet bei fünf kleinen Kindern, die so furchtbar früh aus dem Leben gerissen wurden.“
Immer wieder lösen Fälle, bei denen Elternteile ihre Kinder töten, Entsetzen aus. In Nordrhein-Westfalen hatte zuletzt im vergangenen April ein 41-Jähriger seine Frau sowie drei Kinder getötet und sich von einer Brücke in den Tod gestürzt.