Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Kalte Dusche“für die Kanaren
Quarantänepflicht für Heimkehrer – Viele Veranstalter sagen ihre Reisen ab
MADRID - Nach der deutschen Reisewarnung herrscht auf den Kanarischen Inseln Bestürzung und Katerstimmung. Diese Nachricht aus Berlin, die am Mittwochabend bekannt wurde, sei eine „kalte Dusche“für die spanischen Urlaubsinseln, bedauerte die regionale Hotelvereinigung. Die Inselzeitung „Canarias7“bezeichnete das Veto als „neuen Keulenschlag“für den bereits schwer angeschlagenen spanischen Tourismussektor. Zudem, weil befürchtet wird, dass weitere europäische Länder nun ebenfalls eine Warnung aussprechen.
Deutschland ist nach Großbritannien der zweitwichtigste Reisemarkt für die Kanarischen Inseln. Im Juli hatte bereits London eine Reisewarnung mitsamt Quarantänepflicht für Rückkehrer beschlossen. Nun folgte Berlin. Die Verschärfung der deutschen Reisehinweise hat Konsequenzen für Tausende von Deutschen, die sich derzeit auf der Inselgruppe aufhalten. Für sie gilt nun bei Heimreise ebenfalls eine Test- beziehungsweise Quarantäneverpflichtung.
Die Kanaren waren zuletzt noch die einzige spanische Urlaubshochburg, für die noch keine deutsche Reisewarnung galt.
In den letzten Wochen hatte die Reisebranche immer noch gehofft, dass die neue Corona-Welle, die diesen Sommer durch Spanien rollt, nicht die zwei Flugstunden vom spanischen Festland entfernt liegenden Kanaren erreichen wird. Doch das Virus verschonte die Inselgruppe, Europas beliebtestes Winterreiseziel, nicht. Nun fürchten die Hoteliers, dass die kommende Hauptsaison auf den Vulkaninseln, die im November beginnt, komplett ins Wasser fallen wird. Im Winter herrscht auf den Kanaren ein mildes Klima und zuweilen sogar sommerliches Strandwetter.
Bereits Stunden nach Verkündung der deutschen Reisehinweise reagierten die Reisekonzerne mit Absagen. Tui, Europas größter Urlaubsanbieter, teilte auf seiner Webseite hinsichtlich der Kanaren mit: „Das Auswärtige
Amt warnt vor nicht notwendigen touristischen Reisen in dieses Zielgebiet. Aus diesem Grund sagt Tui alle Tui-Pauschalreisen und NurHotel-Buchungen ab sofort bis einschließlich 12.09.2020 ab und storniert die Reisen.“Soweit sich die Lage nicht entspannt, muss auch mit der Stornierung späterer Reisen gerechnet werden.
Ähnlich reagierten andere Veranstalter, die durchweg kostenlose Umbuchungen anbieten. Nach einer offiziellen Reisewarnung besteht zudem ein Recht auf Rückerstattung. Aber nicht alle Konzerne sagten ihr Programm ab. Alltours zum Beispiel überlässt es den Reisenden, ob sie ihren Kanarenurlaub antreten wollen, oder nicht. „Auf Kundenwunsch werden Reisen auf die Kanarischen Inseln durchgeführt“, heißt es bei Alltours.
Bereits nach der Reisewarnung für Mallorca und für das spanische Festland Mitte August hatte Deutschlands Gesundheitsminister Jens Spahn eingeräumt, dass eine Warnung kein Reiseverbot sei. Aber wer trotzdem fahre, müsse sich des Risikos bewusst sein, mit der gebotenen Vorsicht reisen und bei Rückkehr die Test- und Quarantänepflicht erfüllen.
Wie im Falle Mallorcas weisen auch auf den Kanarischen Inseln vor allem die größeren Städte bedenkliche Infektionsraten auf. In den außerhalb liegenden Tourismusorten sieht die Lage sehr viel besser aus. Betroffen sind vor allem die Inselhauptstädte Las Palmas auf Gran Canaria, Santa Cruz auf Teneriffa und Arrecife auf Lanzarote.
Die relativ hohe Zahl der aktiven Corona-Fälle in diesen Ballungsgebieten treibt den statistischen Risikowert, der für die gesamte Inselregion berechnet wird, in die Höhe. Am Donnerstag lag dieser Referenzwert laut spanischem Gesundheitsministerium bei 93,5 Fällen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen – das ist gut zehnmal höher als zum Beispiel in Deutschland. Ab der Schwelle von 50 Fällen, die auf den Kanaren bereits vor fast zwei Wochen überschritten wurde, denken Deutschland und andere Länder über eine Reisewarnung nach.