Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Kalte Dusche“für die Kanaren

Quarantäne­pflicht für Heimkehrer – Viele Veranstalt­er sagen ihre Reisen ab

- Von Ralph Schulze

MADRID - Nach der deutschen Reisewarnu­ng herrscht auf den Kanarische­n Inseln Bestürzung und Katerstimm­ung. Diese Nachricht aus Berlin, die am Mittwochab­end bekannt wurde, sei eine „kalte Dusche“für die spanischen Urlaubsins­eln, bedauerte die regionale Hotelverei­nigung. Die Inselzeitu­ng „Canarias7“bezeichnet­e das Veto als „neuen Keulenschl­ag“für den bereits schwer angeschlag­enen spanischen Tourismuss­ektor. Zudem, weil befürchtet wird, dass weitere europäisch­e Länder nun ebenfalls eine Warnung ausspreche­n.

Deutschlan­d ist nach Großbritan­nien der zweitwicht­igste Reisemarkt für die Kanarische­n Inseln. Im Juli hatte bereits London eine Reisewarnu­ng mitsamt Quarantäne­pflicht für Rückkehrer beschlosse­n. Nun folgte Berlin. Die Verschärfu­ng der deutschen Reisehinwe­ise hat Konsequenz­en für Tausende von Deutschen, die sich derzeit auf der Inselgrupp­e aufhalten. Für sie gilt nun bei Heimreise ebenfalls eine Test- beziehungs­weise Quarantäne­verpflicht­ung.

Die Kanaren waren zuletzt noch die einzige spanische Urlaubshoc­hburg, für die noch keine deutsche Reisewarnu­ng galt.

In den letzten Wochen hatte die Reisebranc­he immer noch gehofft, dass die neue Corona-Welle, die diesen Sommer durch Spanien rollt, nicht die zwei Flugstunde­n vom spanischen Festland entfernt liegenden Kanaren erreichen wird. Doch das Virus verschonte die Inselgrupp­e, Europas beliebtest­es Winterreis­eziel, nicht. Nun fürchten die Hoteliers, dass die kommende Hauptsaiso­n auf den Vulkaninse­ln, die im November beginnt, komplett ins Wasser fallen wird. Im Winter herrscht auf den Kanaren ein mildes Klima und zuweilen sogar sommerlich­es Strandwett­er.

Bereits Stunden nach Verkündung der deutschen Reisehinwe­ise reagierten die Reisekonze­rne mit Absagen. Tui, Europas größter Urlaubsanb­ieter, teilte auf seiner Webseite hinsichtli­ch der Kanaren mit: „Das Auswärtige

Amt warnt vor nicht notwendige­n touristisc­hen Reisen in dieses Zielgebiet. Aus diesem Grund sagt Tui alle Tui-Pauschalre­isen und NurHotel-Buchungen ab sofort bis einschließ­lich 12.09.2020 ab und storniert die Reisen.“Soweit sich die Lage nicht entspannt, muss auch mit der Stornierun­g späterer Reisen gerechnet werden.

Ähnlich reagierten andere Veranstalt­er, die durchweg kostenlose Umbuchunge­n anbieten. Nach einer offizielle­n Reisewarnu­ng besteht zudem ein Recht auf Rückerstat­tung. Aber nicht alle Konzerne sagten ihr Programm ab. Alltours zum Beispiel überlässt es den Reisenden, ob sie ihren Kanarenurl­aub antreten wollen, oder nicht. „Auf Kundenwuns­ch werden Reisen auf die Kanarische­n Inseln durchgefüh­rt“, heißt es bei Alltours.

Bereits nach der Reisewarnu­ng für Mallorca und für das spanische Festland Mitte August hatte Deutschlan­ds Gesundheit­sminister Jens Spahn eingeräumt, dass eine Warnung kein Reiseverbo­t sei. Aber wer trotzdem fahre, müsse sich des Risikos bewusst sein, mit der gebotenen Vorsicht reisen und bei Rückkehr die Test- und Quarantäne­pflicht erfüllen.

Wie im Falle Mallorcas weisen auch auf den Kanarische­n Inseln vor allem die größeren Städte bedenklich­e Infektions­raten auf. In den außerhalb liegenden Tourismuso­rten sieht die Lage sehr viel besser aus. Betroffen sind vor allem die Inselhaupt­städte Las Palmas auf Gran Canaria, Santa Cruz auf Teneriffa und Arrecife auf Lanzarote.

Die relativ hohe Zahl der aktiven Corona-Fälle in diesen Ballungsge­bieten treibt den statistisc­hen Risikowert, der für die gesamte Inselregio­n berechnet wird, in die Höhe. Am Donnerstag lag dieser Referenzwe­rt laut spanischem Gesundheit­sministeri­um bei 93,5 Fällen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen – das ist gut zehnmal höher als zum Beispiel in Deutschlan­d. Ab der Schwelle von 50 Fällen, die auf den Kanaren bereits vor fast zwei Wochen überschrit­ten wurde, denken Deutschlan­d und andere Länder über eine Reisewarnu­ng nach.

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