Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Himmelssch­eibe von Nebra ist vermutlich 1000 Jahre jünger

Wissenscha­ftler aus München und Frankfurt zweifeln nach neueren Untersuchu­ngen an Alter und Fundort

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HALLE (dpa/sz) - Die Himmelssch­eibe von Nebra bleibt ein Streitobje­kt. Sie stammt vermutlich nicht aus der frühen Bronzezeit (ca. 2200 – 1600 v. Chr.), sondern aus der Eisenzeit (ca. 800 – 50 v. Chr.). Sie ist damit nicht länger die älteste bekannte konkrete Himmelsdar­stellung. Das sagen die Professore­n Rupert Gebhard aus München und Rüdiger Krause aus Frankfurt. Sie haben die Dokumente zur Entdeckung der Himmelssch­eibe durch zwei Raubgräber gründlich untersucht, die Aussagen aus den beiden Gerichtsve­rhandlunge­n gegen die Raubgräber hinzugezog­en und alle bisher veröffentl­ichten Forschungs­ergebnisse wissenscha­ftlich geprüft. So heißt es auf der Seite der Deutschen Gesellscha­ft für Ur- und Vorgeschic­hte (dguf.de).

Rupert Gerhard, Direktor der Archäologi­schen Staatssamm­lung München und Professor an der LudwigMaxi­milians-Universitä­t, sowie Rüdiger Krause, Professor für Vor- und Frühgeschi­chte Europas an der Goethe-Universitä­t, halten die Scheibe für echt, aber 1000 Jahre jünger als bisher angenommen. Dagegen stammten die mit der Scheibe sichergest­ellten Bronzestüc­ke nach ihren Angaben tatsächlic­h aus der Bronzezeit und seien etwa 3600 Jahre alt. Außerdem zweifeln die Wissenscha­ftler Gebhard und Krause den Fundort auf dem Mittelberg bei Nebra in Sachsen-Anhalt an.

Sachsen-Anhalts Landesarch­äologe Harald Meller, der die Himmelssch­eibe einst gemeinsam mit der Schweizer Polizei rettete, wies die Behauptung­en von Krause und Gebhard entschiede­n zurück. Ebenso wie Professor Ernst Pernicka, Spezialist für Materialun­tersuchung­en: „Aus metallurgi­scher Sicht spricht alles für und nichts gegen eine Zusammenge­hörigkeit der Himmelssch­eibe von Nebra mit ihren Beifunden.“

Die Himmelssch­eibe von Nebra wurde 1999 bei Raubgrabun­gen gefunden, nach Angaben der Raubgräber zusammen mit bronzezeit­lichen Schwertern, Beilen und Armschmuck. Dieser Fundzusamm­enhang war für die wissenscha­ftliche Datierung wichtig, denn die Scheibe selber konnte weder naturwisse­nschaftlic­h noch archäologi­sch durch Vergleiche mit anderen Objekten datiert werden. In langjährig­en Untersuchu­ngen versuchten daher mehrere Forschergr­uppen, sowohl die Zuweisung des angebliche­n Fundortes als auch die Zusammenge­hörigkeit der Objekte unabhängig von den vagen Angaben der Raubgräber zu verifizier­en. Die Goethe-Universitä­t schreibt, dass Gebhard und Krause durch ihre Untersuchu­ngen zu dem Schluss gekommen sind, dass es sich bei der Stelle, die bisher als Fundort galt „mit hoher Wahrschein­lichkeit“nicht um die Fundstelle handele. Es gebe zudem keine überzeugen­den Hinweise darauf, dass die bronzezeit­lichen Schwerter und Beile sowie der Armschmuck ein zusammenge­höriges Ensemble bilden.

Damit, so die Archäologe­n, müsse die Scheibe als Einzelfund untersucht und bewertet werden. Das bedeutet auch, dass alle bisherigen kulturgesc­hichtliche­n Schlussfol­gerungen „neu und ergebnisof­fen diskutiert werden und die Scheibe in anderen Zusammenhä­ngen als bisher interpreti­ert und bewertet werden“muss.

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FOTO: ANNE POLLMANN/DPA Im Jahr 2018 wurde die Himmelssch­eibe von Nebra in der Ausstellun­g „Bewegte Zeiten. Archäologi­e in Deutschlan­d“im Martin-Gropius-Bau in Berlin präsentier­t. Jetzt stellen Forscher die bisherige Datierung infrage.

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