Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Hälfte der Kunden kommt vielleicht wieder“
Tätigkeitsverbot und Corona-Auflagen: Krise hat Kosmetikbranche im Kreis hart getroffen
WOLPERTSWENDE - Kosmetikerinnen sind aufgrund der Nähe zur behandelnden Person in besonderem Maße von der Corona-Krise betroffen. Dazu kommt, dass kosmetische Behandlungen nicht lebensnotwendig sind und daher wenig nachgefragt werden, wenn das öffentliche Leben fast zum Stillstand kommt. Wie ist die Situation aktuell?
Am 11. Mai durften in BadenWürttemberg Kosmetik- und Nagelstudios wieder den Betrieb aufnehmen. Daniela Amri war bis März 2020 nebenberuflich selbstständig als Kosmetikerin in Wolpertswende tätig. Während des Lockdowns hat sie ihr Kleingewerbe abgemeldet. Ihrer Ansicht nach wurde ihre Branche durch das Tätigkeitsverbot unverhältnismäßig getroffen, denn es werde ohnehin schon sehr hygienisch gearbeitet. So habe sie auch schon vor Corona mit Handschuhen und Mundschutz gearbeitet und ihre Hände sowie alle benutzten Gerätschaften nach jeder Kundin desinfiziert.
Dadurch, dass sie monatelang nicht arbeiten konnte, seien ihre Pflegeprodukte nicht mehr verwendbar, da diese einem Haltbarkeitsdatum unterliegen. Auch der Schulungs- und Weiterbildungsbereich liegt laut Amri weitgehend brach, denn bei so großer Unsicherheit möchte niemand in teure Schulung investieren. „Alle haben Angst, die Kundschaft bleibt weg, weil es ja auch mal ohne Kosmetik geht. Die Kolleginnen verkaufen, weil sie finanziell am Limit sind und keine Hoffnung mehr haben.“
Die Zeit der Ausgangssperre hat Daniela Amri als „komplett tot“erlebt. „Das Schlimme war: Viele Kunden hatten Probleme, weil angefangene Behandlungen Fortsetzung gebraucht hätten. Man hätte die Chance haben sollen, die Behandlungen fertig zu machen“, so Amri. Nur medizinische Fußpflege sei bis Anfang Mai zulässig gewesen. Mit einem neuen Start ihres Studios möchte Amri noch warten. Sie möchte jetzt kein Material bestellen, das dann noch einmal kaputt geht und damit Kosten verursacht ohne Gewinn. Viele ihrer Kolleginnen arbeiten im Home-Studio in Teilzeit und ohne Angestellte. Die Kundschaft sei oft jung und wolle sparen. „Wenn ich abends nicht ausgehen kann, dann investiere ich ja auch nicht in Kosmetik hohe Summen“, meint Daniela Amri.
Wie geht’s weiter? Ist die Branche nachhaltig geschädigt? Die Weiterbildungen sind teuer, bis zu 15 000 Euro kostet eine Schulung zum Thema Permanent-Make-up. Die Hälfte der Kunden kommt vielleicht wieder, wenn alles wieder normal ist, sagen die Kolleginnen. Nach wie vor dürfen die Kundinnen ihre Kinder nicht mitbringen, denn Begleitpersonen sind nicht erlaubt. Damit hat manche junge Mutter ein Terminproblem. Eine Alternative zu direktem Kontakt gibt es in der Branche nicht. Von der Handwerkskammer habe sie sich allein gelassen gefühlt. „Viele haben die Sofortgelder schamlos ausgenutzt. Andererseits: Mit Studio im eigenen Haus und ohne Angestellte konnten wir keine Unterstützung beantragen, hatten aber kompletten Verdienstausfall“, erklärt Daniela Amri.
Aus Sicht der Handwerkskammer Ulm sind die Eintragungen in der Kosmetikbranche im Vergleich zum Vorjahr stabil. Aktuell sind 272 Betriebe im Landkreis Ravensburg im Kosmetik-Gewerbe tätig. Im Vorjahr gab es im ersten Halbjahr 70 Abmeldungen, 2020 waren es 69. Handwerksbetriebe, die unsicher sind, welche Unterstützung für sie möglich ist, können sich bei der Handwerkskammer beraten lassen. Laut Statistik haben 83 Prozent der Betriebe in der Kosmetikbranche, die Soforthilfe beantragt haben, zwischen ein und fünf Angestellte.
„Rund 10 000 Betriebe haben sich in dieser Zeit an ihre Kammer gewendet und beraten lassen, darunter auch viele Friseure und Kosmetiker“, teilt die Handwerkskammer Ulm mit. „Diese Branche war sicher vom Lockdown in besonderem Maße betroffen. Gleichzeitig haben sie in besonderem Maße profitiert von den schnellen und unbürokratischen Hilfestellungen für Unternehmen.“
Die Soforthilfe haben im Kammergebiet Ulm 7500 Handwerksbetriebe beantragt. Die Handwerkskammern in Baden-Württemberg haben im Frühjahr 2020 die Vorprüfung der Anträge für die L-Bank übernommen, damit die Gelder schnell an die Betriebe in Not ausgeschüttet werden konnten. 55 Millionen Euro sind laut Kammer Ulm nach durchschnittlich fünf Tagen Bearbeitungszeit an diese Betriebe ausgeschüttet worden. Welche Summe genau in die Kosmetikbranche floss, ist nicht erkennbar.