Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Hälfte der Kunden kommt vielleicht wieder“

Tätigkeits­verbot und Corona-Auflagen: Krise hat Kosmetikbr­anche im Kreis hart getroffen

- Von Michaela Miller

WOLPERTSWE­NDE - Kosmetiker­innen sind aufgrund der Nähe zur behandelnd­en Person in besonderem Maße von der Corona-Krise betroffen. Dazu kommt, dass kosmetisch­e Behandlung­en nicht lebensnotw­endig sind und daher wenig nachgefrag­t werden, wenn das öffentlich­e Leben fast zum Stillstand kommt. Wie ist die Situation aktuell?

Am 11. Mai durften in BadenWürtt­emberg Kosmetik- und Nagelstudi­os wieder den Betrieb aufnehmen. Daniela Amri war bis März 2020 nebenberuf­lich selbststän­dig als Kosmetiker­in in Wolpertswe­nde tätig. Während des Lockdowns hat sie ihr Kleingewer­be abgemeldet. Ihrer Ansicht nach wurde ihre Branche durch das Tätigkeits­verbot unverhältn­ismäßig getroffen, denn es werde ohnehin schon sehr hygienisch gearbeitet. So habe sie auch schon vor Corona mit Handschuhe­n und Mundschutz gearbeitet und ihre Hände sowie alle benutzten Gerätschaf­ten nach jeder Kundin desinfizie­rt.

Dadurch, dass sie monatelang nicht arbeiten konnte, seien ihre Pflegeprod­ukte nicht mehr verwendbar, da diese einem Haltbarkei­tsdatum unterliege­n. Auch der Schulungs- und Weiterbild­ungsbereic­h liegt laut Amri weitgehend brach, denn bei so großer Unsicherhe­it möchte niemand in teure Schulung investiere­n. „Alle haben Angst, die Kundschaft bleibt weg, weil es ja auch mal ohne Kosmetik geht. Die Kolleginne­n verkaufen, weil sie finanziell am Limit sind und keine Hoffnung mehr haben.“

Die Zeit der Ausgangssp­erre hat Daniela Amri als „komplett tot“erlebt. „Das Schlimme war: Viele Kunden hatten Probleme, weil angefangen­e Behandlung­en Fortsetzun­g gebraucht hätten. Man hätte die Chance haben sollen, die Behandlung­en fertig zu machen“, so Amri. Nur medizinisc­he Fußpflege sei bis Anfang Mai zulässig gewesen. Mit einem neuen Start ihres Studios möchte Amri noch warten. Sie möchte jetzt kein Material bestellen, das dann noch einmal kaputt geht und damit Kosten verursacht ohne Gewinn. Viele ihrer Kolleginne­n arbeiten im Home-Studio in Teilzeit und ohne Angestellt­e. Die Kundschaft sei oft jung und wolle sparen. „Wenn ich abends nicht ausgehen kann, dann investiere ich ja auch nicht in Kosmetik hohe Summen“, meint Daniela Amri.

Wie geht’s weiter? Ist die Branche nachhaltig geschädigt? Die Weiterbild­ungen sind teuer, bis zu 15 000 Euro kostet eine Schulung zum Thema Permanent-Make-up. Die Hälfte der Kunden kommt vielleicht wieder, wenn alles wieder normal ist, sagen die Kolleginne­n. Nach wie vor dürfen die Kundinnen ihre Kinder nicht mitbringen, denn Begleitper­sonen sind nicht erlaubt. Damit hat manche junge Mutter ein Terminprob­lem. Eine Alternativ­e zu direktem Kontakt gibt es in der Branche nicht. Von der Handwerksk­ammer habe sie sich allein gelassen gefühlt. „Viele haben die Sofortgeld­er schamlos ausgenutzt. Anderersei­ts: Mit Studio im eigenen Haus und ohne Angestellt­e konnten wir keine Unterstütz­ung beantragen, hatten aber kompletten Verdiensta­usfall“, erklärt Daniela Amri.

Aus Sicht der Handwerksk­ammer Ulm sind die Eintragung­en in der Kosmetikbr­anche im Vergleich zum Vorjahr stabil. Aktuell sind 272 Betriebe im Landkreis Ravensburg im Kosmetik-Gewerbe tätig. Im Vorjahr gab es im ersten Halbjahr 70 Abmeldunge­n, 2020 waren es 69. Handwerksb­etriebe, die unsicher sind, welche Unterstütz­ung für sie möglich ist, können sich bei der Handwerksk­ammer beraten lassen. Laut Statistik haben 83 Prozent der Betriebe in der Kosmetikbr­anche, die Soforthilf­e beantragt haben, zwischen ein und fünf Angestellt­e.

„Rund 10 000 Betriebe haben sich in dieser Zeit an ihre Kammer gewendet und beraten lassen, darunter auch viele Friseure und Kosmetiker“, teilt die Handwerksk­ammer Ulm mit. „Diese Branche war sicher vom Lockdown in besonderem Maße betroffen. Gleichzeit­ig haben sie in besonderem Maße profitiert von den schnellen und unbürokrat­ischen Hilfestell­ungen für Unternehme­n.“

Die Soforthilf­e haben im Kammergebi­et Ulm 7500 Handwerksb­etriebe beantragt. Die Handwerksk­ammern in Baden-Württember­g haben im Frühjahr 2020 die Vorprüfung der Anträge für die L-Bank übernommen, damit die Gelder schnell an die Betriebe in Not ausgeschüt­tet werden konnten. 55 Millionen Euro sind laut Kammer Ulm nach durchschni­ttlich fünf Tagen Bearbeitun­gszeit an diese Betriebe ausgeschüt­tet worden. Welche Summe genau in die Kosmetikbr­anche floss, ist nicht erkennbar.

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SYMBOLFOTO: INGA KJER/DPA Kosmetiker­innen arbeiten eng am Kunden. Durch den Lockdown waren sie im besonderen Maße betroffen.

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