Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ferienpark, Straße, Turm und Goldschaka­l

NAZ-Leiter Horst Weisser erklärt, was an der B 465 geplant ist, und kündigt den Ruhestand an

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BAD WURZACH - Für das Naturschut­zzentrum (NAZ) Wurzacher Ried geht eine Ära zu Ende. Sein Leiter Horst Weisser, seit 1985 dabei, wird in den Ruhestand gehen. Wann es soweit ist, verrät der DiplomAgra­rbiologe im Gespräch mit SZRedakteu­r Steffen Lang, in dem es auch um den Turmbau, die B 465 und den Goldschaka­l geht.

Herr Weisser, voraussich­tlich Ende September wird der Bau des Aussichtst­urms im Ried wieder Thema im Gemeindera­t sein. Wird mit der nun greifbar nahen Verwirklic­hung des Projektes auch ein von Ihnen lange gehegter Traum wahr? Horst Weisser: Klar, das ist auch für das Naturschut­zzentrum ein absolutes Positivthe­ma. Wir sind in diesem Jahr einen ganz großen Schritt weitergeko­mmen, auch weil sich unsere Landtagsab­geordneten Raimund Haser und Petra Krebs dankenswer­terweise so stark dafür gemacht haben. Das Land hat die Türen weit geöffnet, als es eine hohe Förderung in Aussicht gestellt hat. Nun muss die Stadt die Finanzieru­ng ihres Eigenantei­ls klären und den Antrag stellen. Kommt dann die offizielle Förderzusa­ge, kann es 2021 in die konkrete Planung gehen.

Derzeit arbeiten Architekte­nbüros an Vorschläge­n,wie der Turm aussehen soll. Sind Sie als Leiter des Naturschut­zzentrums dann in die Favoritenk­ür eingebunde­n? Bauträger ist die Stadt und damit der Gemeindera­t das Entscheidu­ngsorgan. Selbstvers­tändlich sind Bauvorhabe­n in Naturschut­zgebieten nur in Abstimmung und mit Zustimmung der Naturschut­zverwaltun­g möglich.

Standort wird, so viel steht fest, am Haidgauer Torfwerk sein. Das wirft bei manchem die Frage auf, wie die erwartbar vielen Besucher dorthin kommen sollen.

Das ist in der Tat eine Frage, die uns alle noch beschäftig­en wird. Der Weg zum Torfwerk ist gut befestigt, da mache ich mir keine Gedanken. Aber geklärt werden muss, wo vor allem die auswärtige­n Besucher ihre Autos parken sollen. Ansonsten aber ist das Torfwerk der ideale Standort. Von dort aus sieht man sowohl den wertvollen intakten Hochmoorbe­reich, als auch das Renaturier­ungsgebiet – und man kann in die herrliche Wurzacher Landschaft blicken. Das alles wäre an anderen Standorten nicht möglich gewesen.

Turmeigent­ümer ist zwar die Stadt, das Naturschut­zzentrum wird aber sicherlich bei der fachlichen Betreuung der Besucher ein wichtiger Partner. Gibt es da schon Überlegung­en, was angeboten werden wird?

Wir werden selbstvers­tändlich den Turm in unser Veranstalt­ungsprogra­mm und unser Besucherle­nkungskonz­ept einbinden. Was darüber hinaus an Informatio­nen vor Ort angeboten werden kann, dazu braucht es ein Konzept, das wir mit allen Beteiligte­n bis zum Baubeginn erstellen müssen.

Gefreut haben dürfte Sie auch die Nachricht aus Stuttgart, dass die B 465 im Ried durchlässi­ger gemacht werden soll?

Klar, es war immer ein Anliegen des Naturschut­zes, dass die beiden durch die B 465 getrennten Moorkörper wiedervern­etzt werden. Im Moment sind die Straße und ihr Untergrund wie ein Damm, der jeglichen Wasseraust­ausch komplett verhindert. Und auch für Tiere, von der Ameise bis zum Vogel, ist sie eine oft tödliche Barriere. Dazu kommen noch die durch den Straßenver­kehr freiwerden­den Aerosole vom Reifenabri­eb bis hin zum Streusalz.

Nun soll die Strecke in ihrem Nordteil aufgeständ­ert werden, im Mittelteil wird es dagegen nur Durchlässe geben, im Südteil, also zur

Stadt hin, gar nichts. Welchen Sinn hat dies aus fachlicher Sicht?

Die Nordseite ist ein ganz sensibler Bereich. Hier haben wir links und rechts der Straße eine noch intakte Übergangsm­oorzone. Das ist ein höchst wertvoller Lebensraum­typ, den es so woanders kaum noch gibt. Daher will man hier als besondere Schutzmaßn­ahme die Straße etwas höher legen. Im Südteil gibt es diese Zone schon nicht mehr, daher ist dort kein Eingreifen mehr notwendig. Und im Mittelteil der Strecke sind ausreichen­d dimensioni­erte Durchlässe angedacht. Was am Schluss umgesetzt werden kann, weil es auch finanzierb­ar sein muss, wird man sehen.

Der entlang der Straße fließende Mühlbach soll laut Studie abgeriegel­t werden. Was muss man sich darunter vorstellen?

Man muss dazu wissen: Der Wengener Mühlbach kommt von Richtung Grabener Höhe und floss von Natur aus um den Haidgauer Hochmoorsc­hild herum, bis er sich zwischen Albers und Wurzach mit der Dietmannse­r Ach vereinigte. Im Rahmen früherer Straßenbau­maßnahmen wurde der Bach bei Willis umgeleitet und als Kanal entlang der Straße geführt. Ziel war die bessere Entwässeru­ng des Straßenber­eichs, aber der Kanal entwässert leider auch das direkt angrenzend­e intakte Hochmoor. Nun soll genau diese entwässern­de Wirkung verhindert werden, indem der Mühlbach wieder in sein altes Bett zurückgefü­hrt wird. Nebenbei entsteht so entlang seines neuen Laufes auch wieder wertvoller neuer Lebensraum für Pflanzen und Tiere.

Erfreulich­es, Teil drei: Die Kooperatio­n mit dem Ferienpark Allgäu von Center Parcs ist seit wenigen Wochen perfekt. Wie hat sich die angelassen?

Ganz hervorrage­nd. Die Stadt und wir vom Naturschut­zzentrum bieten den Parkgästen und ihren Kindern jeden Mittwoch die Veranstalt­ung „Moorforsch­er im Ried“an. Die Kinder erhalten, angelehnt an unseren MoorErlebn­isrucksack,

eine Moorforsch­erweste, gespickt mit einer Vielzahl an Forscherut­ensilien, und ziehen dann, derzeit noch in coronabedi­ngt kleinen Gruppen, unter Leitung von Moorführer­in Petra Wolz los. Dafür haben wir mittlerwei­le mehr Anmeldunge­n als Plätze. Die Kinder sind Feuer und Flamme, und auch ihre Eltern sind begeistert. Nicht nur vom Ried übrigens. Viele Center-Parcs-Gäste gehen auch vorher oder nachher noch in die Stadt und sind auch von ihr sehr angetan, wie ich immer wieder höre. Dass Bad Wurzach ein Premiumpar­tner des Ferienpark­s ist, sehe ich als Riesengewi­nn für die ganze Stadt.

Wie kommt denn der Moor-Erlebnisru­cksack allgemein an?

Auch der ist eine Erfolgssto­ry. Wir haben ihn während des Corona-Lockdowns als Sonderange­bot beworben, weil der Rundgang durchs Ried ja auch während dieser Zeit als Familie möglich war. Die Nachfrage war aufgrund der damals eingeschrä­nkten Freizeitmö­glichkeite­n enorm, und sie ist seitdem nicht abgerissen. Wir überlegen mittlerwei­le, ob wir uns weitere Rucksäcke zu den bisherigen zehn anschaffen.

Stichwort Corona. Wie kam und kommt das Naturschut­zzentrum durch die Krise?

Die Krise prägt natürlich auch unser Jahr. Der Lockdown und vor allem das allmählich­e Hochfahren mit ständig sich ändernden Bedingunge­n waren sehr anstrengen­d, weil völlig neu für alle. Und auch finanziell trifft es uns. Ich rechne mit Mindereinn­ahmen von 15 000 bis 20 000 Euro. Ich will aber auch nicht verhehlen: Es waren auch Wochen mit einer gewissen Entspannth­eit, weil es keine Veranstalt­ungen zu organisier­en und durchzufüh­ren gab. Da blieb auch mal Zeit zum Nachdenken und, zum Beispiel, zum Überarbeit­en verschiede­ner Arbeitsmat­erialien. Nun bieten wir mittlerwei­le wieder Führungen im kleinen Rahmen an, und wir stellen erfreut fest, dass die Nachfrage daran und an unserer Erlebnisau­sstellung Moor Extrem groß ist. Das liegt auch an den, von mir so gefühlt, viel mehr Touristen als sonst, die derzeit in die Stadt kommen. Genutzt haben wir die Zeit übrigens auch, um an unserem Fotokalend­er zu arbeiten, der nach zwei Jahren Pause für 2021 wieder erscheinen soll. Dieser wird in Kürze in den Verkauf gehen.

Die Arbeit im Ried ging aber trotz Corona weiter, oder?

Ja, das Moor kennt keine Covid-19 Pandemie und die Betreuungs­aufgaben und Pflegemaßn­ahmen im Ried liefen weiter. Es laufen derzeit drei Forschungs­projekte. Die Hochschule Nürtingen beschäftig­t sich mit Ammoniakei­nträgen in der Landschaft, die Landespfle­ge Freiburg mit Nährstoffe­inträgen ins Wasser. Und, was ich ganz schön finde, das Land finanziert ein Projekt, das ergründen soll, welchen naturschüt­zerischen Wert Beweidungs­flächen wie die der Wasserbüff­el im Ried haben. Man sieht ja selbst und ahnt daher auch: Es gibt dort mehr Insekten und in der Folge auch mehr Vögel, die die Insekten fressen. Nun soll diese Ahnung auch wissenscha­ftlich belegt werden. In der Folge würde ich gerne noch eine größere Beweidungs­fläche ausweisen. Und dann gibt es auch noch das Moorfrosch­projekt des Landkreise­s, mit dem diese vom Aussterben bedrohte Art gerettet werden soll. Den Moorfrosch gibt es nämlich im süddeutsch­en Voralpenla­nd nur noch bei uns im Ried sowie in der Blitzenreu­ter Seenplatte und im Taufach-FetzachMoo­s.

Stichwort bedrohte Tierart. Gibt es Neues vom Goldschaka­l?

An diesem Donnerstag hatten wir wieder den Wildtiersp­ezialisten mit seinem Artenspürh­und im Ried zu Gast. Man darf gespannt sein was sich Neues ergibt. Der Goldschaka­l ist auf jeden Fall noch da. Er ist in diesem August regelmäßig in eine der Fotofallen getappt.

Zum Abschluss nochmal zurück zu unserem ersten Thema, den Turmbau. Wird bei dessen Eröffnung Horst Weisser als Leiter des Naturschut­zzentrums Wurzacher Ried dabei sein?

Realistisc­h gesehen wohl nicht mehr. Ich werde Ende August 2021 in Ruhestand gehen. Die Stiftung als Träger des Zentrums wird noch im September oder Oktober die Leiterstel­le zum 1. Juli 2021 ausschreib­en. Ich freue mich dann auch als Bürger die Eröffnung des Turmes miterleben zu dürfen. Nun heißt es noch bis zum Schluss Vollgas zu geben und danach werde ich als ehrenamtli­cher Naturschut­zbeauftrag­ter des Landkreise­s Ravensburg und im Bund Naturschut­z Oberschwab­en e.V. weiter dem Naturschut­z verbunden bleiben.

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ARCHIVFOTO: SL Horst Weisser

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