Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ein Schritt vor, dann wieder einer zurück
Mit einem unglücklichen 1:1 gegen Spanien startet das DFB-Team in die Nations League
STUTTGART - Knapp verpasster Sieg nach langer Pause: Im ersten Länderspiel seit zehn Monaten hat die deutsche Nationalmannschaft in nahezu letzter Sekunde nur 1:1 (0:0) gegen Spanien gespielt. Das einzige deutsche Tor vor coronabedingter Geisterkulisse in Stuttgart erzielte der Neu-Londoner Timo Werner, Luis José Gayà besorgte in der Nachspielzeit den Ausgleich. In der Nations League und auf dem Weg zur EM wäre der zum Greifen nahe Sieg ein kleiner Schritt für die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw in die richtige Richtung gewesen, so machte sie quasi mit dem Schlusspfiff wieder einen zurück. „Das ist sehr ärgerlich, wir haben viel reingesteckt ins Spiel, sind sehr viel gelaufen“, sagte Werner: „Nach dem Tor haben wir uns vielleicht zu weit hinten reindrücken lassen.“Die Kicker ärgerte vor allem das späte Gegentor. „Vier Minuten waren angesagt, dann kriegt man in der sechsten Minute der Nachspielzeit das Gegentor, aber was will man machen? Es geht weiter“, sagte Werner. Debütant Robin Gosens meinte nach seinem besonderen Abend: „Es geht mir ordentlich auf den Zünder, dass wir in der letzten Sekunde dieses Eier-Gegentor bekommen. Aber ansonsten war es natürlich ein toller Abend für mich.“
Dabei hätte die unfreiwillig verlängerte EM-Saison der Nationalmannschaft nicht unter viel schwierigeren Bedingungen in ihre zweite Hälfte starten können: keine Zuschauer in Stuttgart, fast alle BayernSpieler fehlten noch, dazu hieß der Gegner Spanien. Löw ging deshalb augenscheinlich lieber auf Nummer sicher und schickte erfahrene Kräfte in der Startelf auf den Platz. Immerhin ließ er auf der linken Außenbahn Gosens wie angekündigt auflaufen. Überraschend bekam im zentralen Mittelfeld Julian Draxler eine Chance, der eigentlich dort zu erwartende Kai Havertz saß nur auf der Bank. Toni Kroos trug die Kapitänsbinde.
Gegen die von Sergio Ramos angeführten Spanier, bei denen etliche neue Namen – im Vergleich zu den
Glanzzeiten – im Kader auftauchten, übernahm das DFB-Team von Beginn an die Regie. Allerdings ohne gleich die ganz große EM-Form aus dem Schrank zu holen. Die hätte auch niemand erwartet, weil über eine Handvoll Stammkräfte fehlte.
Rechtsverteidiger Thilo Kehrer hatte früh eine gute Kopfballchance (11.), zielte aber zu ungenau. Kurz darauf zeigte sich die Schwachstelle im deutschen Spiel in der ersten Hälfte erstmals: Emre Can, der rechts in der Dreierkette neben Niklas Süle und Antonio Rüdiger verteidigte, leistete sich einen Fehlpass, der Torhüter Kevin Trapp zu einer klärenden Grätsche zwang. Cans sämtliche Aktionen in der ersten Hälfte waren danach von Unsicherheit geprägt – er tat sich sogar bei einem Kurzpass weh –, was die Spanier schnell erkannten. Häufig kamen sie über die linke Angriffsseite, provozierten einen zweiten Fehlpass Cans, nutzten diesen aber auch nicht konsequent (19.). Trotz leichten spielerischen Übergewichts kam die deutsche Mannschaft selten in den gegnerischen Strafraum. Leroy Sané spielte häufig als zweite Spitze und wirbelte viel. Sturmpartner Werner tat sich zwar schwer gegen Ramos und Co. und schaffte es selten auf sein gefürchtetes Tempo, kam aber immerhin einmal in gute Position – schoss aber über das Tor (35.).
Nach der Pause musste Werner dann aber erst gar nicht groß Geschwindigkeit aufnehmen, um erfolgreich abschließen zu können. Ein genauer Pass von Gosens in die Strafraummitte nutzte Werner, um den Schlussmann David De Gea zu verladen und das nicht unverdiente 1:0 zu erzielen (51.). Sané verdaddelte kurz darauf eine prima Gelegenheit zum zweiten Tor, das früh auf die drei ersten Punkte in der Nations League hätte hoffen lassen. So blieb
Spanien im Spiel. Bis in die Schlussminuten geriet der Sieg eigentlich nicht mehr in Gefahr. Eigentlich. Denn mit der letzten Aktion besorgte Gaya (90+6) noch den Ausgleich und machte die fast schon sicheren drei Punkte für die deutsche Mannschaft zunichte – oder, wie Sané es formulierte: „Wir kamen aus dem Urlaub, Spanien war natürlich auch nicht ganz fit. Das späte 1:1 ist etwas ärgerlich, klar, sonst war es okay.“