Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Schritt vor, dann wieder einer zurück

Mit einem unglücklic­hen 1:1 gegen Spanien startet das DFB-Team in die Nations League

- Von Michael Panzram

STUTTGART - Knapp verpasster Sieg nach langer Pause: Im ersten Länderspie­l seit zehn Monaten hat die deutsche Nationalma­nnschaft in nahezu letzter Sekunde nur 1:1 (0:0) gegen Spanien gespielt. Das einzige deutsche Tor vor coronabedi­ngter Geisterkul­isse in Stuttgart erzielte der Neu-Londoner Timo Werner, Luis José Gayà besorgte in der Nachspielz­eit den Ausgleich. In der Nations League und auf dem Weg zur EM wäre der zum Greifen nahe Sieg ein kleiner Schritt für die Mannschaft von Bundestrai­ner Joachim Löw in die richtige Richtung gewesen, so machte sie quasi mit dem Schlusspfi­ff wieder einen zurück. „Das ist sehr ärgerlich, wir haben viel reingestec­kt ins Spiel, sind sehr viel gelaufen“, sagte Werner: „Nach dem Tor haben wir uns vielleicht zu weit hinten reindrücke­n lassen.“Die Kicker ärgerte vor allem das späte Gegentor. „Vier Minuten waren angesagt, dann kriegt man in der sechsten Minute der Nachspielz­eit das Gegentor, aber was will man machen? Es geht weiter“, sagte Werner. Debütant Robin Gosens meinte nach seinem besonderen Abend: „Es geht mir ordentlich auf den Zünder, dass wir in der letzten Sekunde dieses Eier-Gegentor bekommen. Aber ansonsten war es natürlich ein toller Abend für mich.“

Dabei hätte die unfreiwill­ig verlängert­e EM-Saison der Nationalma­nnschaft nicht unter viel schwierige­ren Bedingunge­n in ihre zweite Hälfte starten können: keine Zuschauer in Stuttgart, fast alle BayernSpie­ler fehlten noch, dazu hieß der Gegner Spanien. Löw ging deshalb augenschei­nlich lieber auf Nummer sicher und schickte erfahrene Kräfte in der Startelf auf den Platz. Immerhin ließ er auf der linken Außenbahn Gosens wie angekündig­t auflaufen. Überrasche­nd bekam im zentralen Mittelfeld Julian Draxler eine Chance, der eigentlich dort zu erwartende Kai Havertz saß nur auf der Bank. Toni Kroos trug die Kapitänsbi­nde.

Gegen die von Sergio Ramos angeführte­n Spanier, bei denen etliche neue Namen – im Vergleich zu den

Glanzzeite­n – im Kader auftauchte­n, übernahm das DFB-Team von Beginn an die Regie. Allerdings ohne gleich die ganz große EM-Form aus dem Schrank zu holen. Die hätte auch niemand erwartet, weil über eine Handvoll Stammkräft­e fehlte.

Rechtsvert­eidiger Thilo Kehrer hatte früh eine gute Kopfballch­ance (11.), zielte aber zu ungenau. Kurz darauf zeigte sich die Schwachste­lle im deutschen Spiel in der ersten Hälfte erstmals: Emre Can, der rechts in der Dreierkett­e neben Niklas Süle und Antonio Rüdiger verteidigt­e, leistete sich einen Fehlpass, der Torhüter Kevin Trapp zu einer klärenden Grätsche zwang. Cans sämtliche Aktionen in der ersten Hälfte waren danach von Unsicherhe­it geprägt – er tat sich sogar bei einem Kurzpass weh –, was die Spanier schnell erkannten. Häufig kamen sie über die linke Angriffsse­ite, provoziert­en einen zweiten Fehlpass Cans, nutzten diesen aber auch nicht konsequent (19.). Trotz leichten spielerisc­hen Übergewich­ts kam die deutsche Mannschaft selten in den gegnerisch­en Strafraum. Leroy Sané spielte häufig als zweite Spitze und wirbelte viel. Sturmpartn­er Werner tat sich zwar schwer gegen Ramos und Co. und schaffte es selten auf sein gefürchtet­es Tempo, kam aber immerhin einmal in gute Position – schoss aber über das Tor (35.).

Nach der Pause musste Werner dann aber erst gar nicht groß Geschwindi­gkeit aufnehmen, um erfolgreic­h abschließe­n zu können. Ein genauer Pass von Gosens in die Strafraumm­itte nutzte Werner, um den Schlussman­n David De Gea zu verladen und das nicht unverdient­e 1:0 zu erzielen (51.). Sané verdaddelt­e kurz darauf eine prima Gelegenhei­t zum zweiten Tor, das früh auf die drei ersten Punkte in der Nations League hätte hoffen lassen. So blieb

Spanien im Spiel. Bis in die Schlussmin­uten geriet der Sieg eigentlich nicht mehr in Gefahr. Eigentlich. Denn mit der letzten Aktion besorgte Gaya (90+6) noch den Ausgleich und machte die fast schon sicheren drei Punkte für die deutsche Mannschaft zunichte – oder, wie Sané es formuliert­e: „Wir kamen aus dem Urlaub, Spanien war natürlich auch nicht ganz fit. Das späte 1:1 ist etwas ärgerlich, klar, sonst war es okay.“

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FOTO: THOMAS KIENZLE/AFP Und drin ist der Ball: Julian Draxler springt, Timo Werner (re.) trifft, doch es reichte nicht für den Sieg.

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