Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ende eines Familienun­ternehmens

Claire Williams tritt ab, US-Investoren wollen den Ex-Weltmeiste­r flottmache­n

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MONZA (SID/dpa) - Triumphe und Tragödien, viel Drama und am Ende ein rasanter Absturz – die Familie Williams hat viel erlebt in der Formel 1. Sir Frank Williams führte sein Team in den 80er-Jahren an die Spitze des Sports, später starb in seinem Auto der legendäre Ayrton Senna. Zuletzt wurde der einst stolze Rennstall zum belächelte­n Hinterherf­ahrer, zum Besenwagen der Formel 1.

43 Jahre lang hatte stets die Familie das Sagen, eine Ära, die nun endet. Nach dem Großen Preis von Italien am Sonntag (15.10 Uhr/RTL und Sky) tritt Claire Williams als Teamchefin ab. Damit endet eine Ära, es bleibt nur noch der ikonische Name. Vor zwei Wochen hatte das US-amerikanis­che Investment-Unternehme­n Dorilton Capital den Rennstall übernommen. „Die Zukunft des Teams ist nun gesichert“, sagte Claire Williams, „und es ist der richtige Moment für uns, den Sport zu verlassen. Wir waren mehr als vier Dekaden dabei, wir sind unglaublic­h stolz auf die Erfolge und auf unser Vermächtni­s.“

Das Team wurde 1977 vom damaligen Chef Frank Williams und Patrick Head gegründet. Insgesamt neunmal holte Williams den Konstrukte­urs-Titel, siebenmal den des besten Fahrers. Die letzte Einzel-WM gewann 1997 der Kanadier Jacques Villeneuve. Frank Williams, der seit einem Unfall 1986 im französisc­hen Le Castellet im Rollstuhl sitzt, trat 2012 aus dem Vorstand zurück und machte den Weg für seine Tochter frei. 2013 stieg sie zur Co-Teamchefin auf.

Topstars wie Nelson Piquet, Nigel Mansell, Alain Prost oder Senna trugen die Farben, auch zahlreiche deutsche Piloten feierten Erfolge mit dem Team aus dem englischen Grove: Ralf Schumacher holte seine sechs Rennsiege für Williams, Heinz-Harald Frentzen wurde 1997 Vize-Weltmeiste­r. Auch Nick Heidfeld, Nico Rosberg und Nico Hülkenberg fuhren für Williams. Von 2000 bis Ende 2005 arbeitete das Team, das heute Antriebe von Mercedes bezieht, auch mit Autobauer BMW zusammen. „Eine Ära endet“, befand Heidfeld, der 2005 im Williams die einzige Pole Position seiner Karriere holte.

Die schwärzest­e Stunde des Teams schlug am 1. Mai 1994, Ayrton Senna starb nach einem Unfall in Imola. „Viele gaben uns die Schuld dafür. Als hätten wir der Welt ein Gemälde von Michelange­lo gestohlen“, sagte Frank Williams später rückblicke­nd.

Ab 2008 rutschte Williams immer weiter zurück in der WM-Wertung, seit 2018 ziert der einstige Branchenfü­hrer nun durchgehen­d das Ende des Feldes. Der Niedergang hatte viel mit fehlendem Geld zu tun. Williams kam zuletzt gerade so über die Runden, machte sich abhängig von Großsponso­ren

(Martini) oder Gönnern (Lawrence Stroll), nachhaltig stabiler wurde es dadurch nicht. „Es ist traurig, dass die Williams-Familie abtritt, aber die Historie von Williams wird überdauern. Wir bleiben noch Williams Racing“, sagte der Brite George Russell, der mit dem Kanadier Nicholas Latifi die aktuelle Fahrerpaar­ung beim Hinterbänk­lerteam bildet. „Wir werden weiter kämpfen und den Namen der Familie repräsenti­eren.“

Der bleibt unter Dorilton Capital erhalten, ebenso die Zentrale in Grove. Ab nächster Saison führt die Formel 1 eine Kostenober­grenze ein, die das Feld nach Jahren der Dominanz durch Mercedes, Ferrari und Red Bull wieder ausgleiche­n soll. „Dies mag das Ende der Ära als familienge­führtes Team sein“, sagte Claire Williams: „Aber es ist der Beginn einer neuen Ära für Williams Racing.“

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FOTO: JEANLOUP GAUTREAU/DPA Schwarzes Kapitel in der Williams-Ära: Ayrton Senna vor dem Start des Rennens in Imola am 1. Mai 1994, in dem er tödlich verunglück­te.

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