Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Boeuf à la Mielé
Der bekanntlich unumkehrbare technische Fortschritt macht auch vor der Küche nicht halt – sehr zum Leidwesen traditionsbewusster Menschen. Einst wurde ja sogar die Geschirrspülmaschine verteufelt. Die Oma des Autors dieser Zeilen war beispielsweise bis an ihr Lebensende felsenfest davon überzeugt, dass Teller zwingend vorgespült werden müssen, bevor sie in das verabscheuungswürdige und ebenso unzuverlässige wie überflüssige Gerät verfrachtet werden.
Doch was der altehrwürdige Küchengerätehersteller Miele nun plant, rüttelt am Selbstverständnis ganzer Berufs- und Bevölkerungsgruppen. Künftig soll im Reich der Kreativität verstärkt Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen, etwa das „Smart Browning System“. Was das heißt? Der Ofen erkennt das Lebensmittel automatisch und schlägt ein passendes Garprogramm vor. Eine Kamera überwacht, ob die Pizza oder der Zwetschgenkuchen braun genug ist – und schaltet dann auch ab. Da kann nichts mehr anbrennen! Auf dem Kochfeld wird es noch dramatischer: Mit einer App geht es Schritt für Schritt durch den, wie die
Firma es nennt, „gesamten Bratprozess“. Prozess! Für Köchinnen und Köche dürfte dies die Höchststrafe sein! Da wird die Küche zur computerisierten Gourmet-Geisterbahn. Und, ganz am Rande, was wird aus Lafer, Lichter oder Mälzer?
Nicht, dass Oma mit der Spülmaschine richtig gelegen hätte, aber Boeuf à la Mielé, Bauknecht-Steak, Bosch-Borschtsch, Boeuf StrogaNeff oder zäher Zanker-Zander? Auch auf die Gefahr, als Ewiggestriger zu gelten: Lieber nicht! (jos)