Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Hisbollah lagerte Ammoniumni­trat im Südwesten

FDP fordert in Sachen Sprengstof­f und zu Aktivitäte­n der Terrororga­nisation weitere Aufklärung vom Innenminis­ter

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Vor einem Monat kam es zur verheerend­en Explosion im Hafen der libanesisc­hen Hauptstadt Beirut. Auslöser war ein Großlager von Ammoniumni­trat, das als Düngemitte­l, aber auch als Sprengstof­f dienen kann. Etliche Spuren führen zur schiitisch­en Hisbollah-Miliz, die eine Beteiligun­g bestreitet. Der israelisch­e Geheimdien­st Mossad hat deutsche Behörden offenbar vor Sprengstof­flagern der Hisbollah in Süddeutsch­land gewarnt. Das hatte die „Welt“unter Berufung auf die israelisch­e Geheimdien­stinformat­ionen und die „Times of Israel“berichtet. Auf Anfrage der FDP erklärt Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) nun: Ja, es gab solche Lager im Land.

Nach Erkenntnis­sen von Sicherheit­sbehörden des Bundes habe die Hisbollah sogenannte „Cold-Packs“in Baden-Württember­g gelagert, die unter anderem Ammoniumni­trat enthielten. „Die eingelager­ten ColdPacks sind bereits im Jahr 2016 wieder aus Deutschlan­d herausverb­racht worden“, erklärt Strobl und ergänzt: „Es liegen keinerlei Erkenntnis­se oder Anhaltspun­kte dazu vor, dass die hiesige Cold-Pack-Lagerung in einem Zusammenha­ng mit den Lagerungen im Hafen von Beirut stehen könnte.“

Mit dieser Antwort will sich FDPFraktio­nschef Hans-Ulrich Rülke nicht abfinden. „Es erstaunt, wie unbehellig­t die Terroriste­n der Hisbollah das hoch explosive Ammoniumni­trat in Baden-Württember­g lagern und danach offenbar außer Landes schaffen konnten. Das Innenminis­terium bleibt nun Antworten schuldig, ob ihm die Verantwort­lichen bekannt sind und welche Konsequenz­en die Beschaffun­g von Ammoniumni­trat für sie hatte“, erklärt er.

Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) hatte die islamistis­che Hisbollah in Deutschlan­d vergangene­n April verboten. Diese sei eine Terrororga­nisation und richte sich „gegen den Gedanken der Völkervers­tändigung“.

Zwar sehe die Polizei aktuell keine konkrete Gefahr für einen Anschlag im Land mit Ammoniumni­trat – weder durch die Hisbollah noch durch andere Terroriste­n. Aber: „Die abstrakte Gefahr für gezielte Terroransc­hläge in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d ist weiterhin unveränder­t hoch.“Zumal der Verfassung­sschutz im Land Propaganda­videos kenne, die zeigten, wie Sprengsätz­e auf Basis von Ammoniumni­trat hergestell­t und Explosione­n bewusst herbeigefü­hrt werden könnten.

Trotz des Verbots bleiben Anhänger der Hisbollah in BadenWürtt­emberg aktiv, so Strobl. „Von den bundesweit etwas mehr als 1000 Akteuren aus dem engeren Unterstütz­erkreis der Hizb-Allah sind 75 Personen in Baden-Württember­g aktiv, die die Bewegung finanziell und ideell unterstütz­en“, erklärt er. So würden etwa bestimmte libanesisc­he Scheichs zu Predigten und Vorträgen in baden-württember­gische Einrichtun­gen eingeladen und finanziell­e Mittel über Spendensam­mlungen akquiriert.

Das sei völlig inakzeptab­el, betont FDP-Fraktionsc­hef Rülke. „Innenminis­ter Strobl muss endlich handeln und unterbinde­n, dass der Hisbollah nahestehen­de Organisati­onen Hasspredig­er nach BadenWürtt­emberg einladen und Geld für Terrorzwec­ke sammeln.“

Für Rülkes Fraktionsk­ollege Nico Weinmann werfen Strobls Antworten etliche weitere Fragen auf. Weinmann ist Mitglied des Parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums (PKG) des Landtags, das den Verfassung­sschutz kontrollie­rt. „Wann wussten die Sicherheit­sbehörden von der Lagerung des Ammoniumni­trats und warum wurde dessen Ausfuhr nicht verhindert? Auf Basis welcher Erkenntnis­se schließt das Innenminis­terium aus, dass gegenwärti­g oder in Zukunft explosives Material über Deutschlan­d in den Nahen Osten zu Terrorzwec­ken verbracht wird?“Diese und viele weitere Fragen wolle er Strobl in der nächsten Sitzung des PKG stellen.

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FOTO: ZABI TAMANNA/IMAGO Ammoniumni­trat wird in der Landwirtsc­haft als Dünger verwendet. Außerdem wird mit dem Salz Sprengstof­f hergestell­t.
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