Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Putin hat weder mit Mord noch mit Lüge ein Problem“
BERLIN - Der Menschenrechtspolitiker der Unionsfraktion, Michael Brand (CDU), warnt den Westen im Gespräch mit Ellen Hasenkamp davor, die russische Entschlossenheit zu unterschätzen.
Herr Brand, ist der in Russland vergiftete Alexej Nawalny jetzt ein deutscher Fall?
Es ist jedenfalls einer, der von uns klare Haltung fordert. Wir können nicht länger übersehen, dass wir uns mitten in einem kalten Krieg befinden. Der findet eben nicht mit Panzern und Raketen statt, wie in Syrien und der Ostukraine, sondern mit digitalen Waffen der Desinformation, Manipulation von Wahlen – und inzwischen auch mit Ermordung von Regimegegnern. teils ganz offen, selbst Rechtsextremisten in Europa. Es ist kein Zufall, dass russische Fahnen dabei waren, als Extremisten auf die Treppen des Reichstags stürmten.
Was wird Russland tun? Was Putin immer tut: Ablenken und diffamieren. Der Kreml hat die Verleumdungskampagne gestartet, der Giftanschlag sei ausgerechnet in Deutschland erfolgt. Wie abstrus. Putin hat weder mit Mord noch mit Lüge ein Problem. Russen sagen: „Es gibt keine ehemaligen KGB-Agenten“, will sagen: Putin steckt in dieser Welt fest.
Also muss die Reaktion nun auch härter ausfallen?
Es braucht gezielte Sanktionen gegen Täter wie Auftraggeber. Ich setze mich mit anderen bei der Bundeskanzlerin seit Längerem für ein europäisches Magnitski-Gesetz ein, benannt nach dem in russischer Haft ums Leben gekommenen Korruptionsbekämpfer. Dann kann die EU schnell handeln und muss nicht jeden Einzelfall zeitintensiv abstimmen. Für die deutsche EURatspräsidentschaft wäre das ein deutliches Signal an Putin. Dazu wären auch das Einfrieren der illegalen Milliarden der Putin-Clique im Westen und Einreiseverbote ein wirksames Gegengift gegen Giftanschläge als Mittel der Politik.
Was ist mit Nord Stream 2? Natürlich kann niemand von heute auf morgen alle Gaslieferungen einstellen. Aber es ist ökonomisch wie politisch riskant, trotz aller Erkenntnisse zu Putins Eskalation, um jeden Preis an Nord Stream 2 festzuhalten. Putin wird uns erpressen, wenn er kann. Aber er ist beim Verkauf von Gas und Öl auch schwach: Russland ist abhängig von Rohstofferlösen, der russische Staatshaushalt und damit Putins politische Zukunft hängen daran.