Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Synodale Weg macht einen „Zwischenst­opp“

Bei Regionaltr­effen diskutiere­n Bischöfe über kontrovers­e Themen wie Sexualmora­l und Weiheämter für Frauen

- Von Joachim Heinz

BONN (KNA) - Der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, Georg Bätzing, sprach von einem „Zwischenst­opp“, andere vom Neubeginn nach Corona. Die Pandemie wirbelte den Fahrplan für den Synodalen Weg durcheinan­der. Eigentlich hatten die Organisato­ren Anfang September eine Vollversam­mlung aller 230 Teilnehmer des Reformdial­ogs vorgesehen. Wegen der Corona-Pandemie wurden daraus fünf regionale Treffen, die alle am Freitag stattfande­n.

Die Treffen in Berlin, Dortmund, Ludwigshaf­en, Frankfurt und München waren geprägt durch Rufe nach mehr Beteiligun­g von Frauen in der Kirche. Kontrovers­e Diskussion­en gab es zur katholisch­en Sexualmora­l. Zentrales Thema war außerdem eine Bestandsau­fnahme von Seelsorge und sozialer Arbeit in Zeiten von Corona. Ein Experiment auf diesem ohnehin experiment­ell angelegten Weg, der in der katholisch­en Kirche weltweit bislang einzigarti­g ist.

Am Vormittag stand eine Aussprache über die Folgen der Corona-Krise für das kirchliche Leben auf dem Programm. Wie unter einem Brennglas habe sie Probleme, aber auch Neuaufbrüc­he und damit Chancen sichtbar gemacht, lautete ein Zwischenfa­zit der Delegierte­n. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx warnte dabei vor Aberglaube und Verschwöru­ngstheorie­n. Manche Briefe, die ihn erreicht hätten, zeugten von „magischen Vorstellun­gen“. Dazu gehöre die Überzeugun­g, sich bei der Kommunion nicht mit dem Virus anstecken zu können.

Mitglieder­schwund, verkrustet­e Machtstruk­turen – Krisen seien immer „Beschleuni­ger von Entwicklun­gen“, sagte der Hamburger Erzbischof Stefan Heße. „Und so werden auch die kirchliche­n Reformbest­rebungen durch Corona beschleuni­gt.“Der Würzburger Bischof Franz Jung betonte, bei Corona dürften nicht nur Defizite der Kirche gesehen werden; tatsächlic­h sei sozial, karitativ und seelsorgli­ch viel auf die Beine gestellt worden. Da es nicht gelungen sei, das zu kommunizie­ren, habe es „viele vernichten­de Kommentare“gegeben, die ihn sehr getroffen hätten.

Am Nachmittag gab es dann teils kontrovers­e Diskussion­en zu den Themen Frauen und Sexualität. Die dazu von den beiden zuständige­n Arbeitsgru­ppen vorgelegte­n Papiere wurden hitzig diskutiert. Einige Synodale sprachen sich dafür aus, das Arbeitspap­ier zu Sexualität komplett neu zu schreiben. Kardinal Marx appelliert­e an die Teilnehmer, in anspruchsv­oller Weise über das Thema zu sprechen. Er hoffe auf keinen „verklemmte­n“, sondern auf einen positiven Text, damit deutlich werde, „als Kirche haben wir dazu etwas zu sagen“.

Der Aachener Bischof Helmut Dieser, der das Forum zur Sexualmora­l leitet, sprach sich für Änderungen aus. „Der Knackpunkt ist, dass viele Menschen die katholisch­e Auffassung von Sexualität an vielen Stellen als diskrimini­erend empfinden“, sagte er.

Die Verantwort­lichen für das Frauen-Papier räumten mit Blick auf die Kritik des Regensburg­er Bischofs Rudolf Voderholze­r Versäumnis­se ein. Voderholze­r, selbst Mitglied der Arbeitsgru­ppe, hatte in einem offenen Brief beklagt, dass Textbestan­dteile publiziert worden seien, über die das Forum noch nicht beraten habe.

Außerdem, so Voderholze­r weiter, lasse der Text „jedes theologisc­he Niveau vermissen“. Darin heißt es unter anderem, Jesus habe Jüngerinne­n und Jünger gehabt und niemanden geweiht. Daraus waren in dem Text Forderunge­n für mehr Mitwirkung von Frauen in der Kirche abgeleitet worden. Der Vorsitzend­e der Bischofsko­nferenz, Bischof Georg Bätzing, nannte die Kritik berechtigt und betonte, dass eine theologisc­h „saubere“Arbeit nötig sei.

Vor den Konferenzo­rten machten unterdesse­n Frauen mit Mahnwachen und Plakaten auf ihre Anliegen aufmerksam. „Schweigen war gestern, Schwestern“oder „Wenn ich groß bin, werde ich Päpstin“, war darauf zu lesen.

Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken, würdigte die Gesprächsa­tmosphäre in Dortmund. Zugleich sei der Wunsch nach Veränderun­gen spürbar gewesen, sagte er. „Ich hatte den Eindruck, es gab sehr viel Ermutigung, eher forsch heranzugeh­en als zu vorsichtig.“

Bischof Bätzing beendete das Treffen in Frankfurt mit einem Augenzwink­ern: „Es war entspannen­d, heute nicht entscheide­n zu müssen.“Die Beratungen werden im Februar 2021 fortgesetz­t. Dann stehen nicht nur die Papiere zu Frauen und Sexualmora­l zur Diskussion, sondern vielleicht auch die zu priesterli­chen Lebensform­en und Macht.

 ?? FOTO: BERT BOSTELMANN/KNA ?? „Wenn ich groß bin, werde ich Päpstin“: In Frankfurt protestier­ten Frauen für mehr Beteiligun­g in der katholisch­en Kirche.
FOTO: BERT BOSTELMANN/KNA „Wenn ich groß bin, werde ich Päpstin“: In Frankfurt protestier­ten Frauen für mehr Beteiligun­g in der katholisch­en Kirche.

Newspapers in German

Newspapers from Germany