Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Für Trump sind Gefallene „Verlierer“
Der Präsident soll laut einem Bericht getötete US-Soldaten verhöhnt haben
WASHINGTON - Bereits vor zwei Jahren hatte die kurzerhand abgesagte Reise des US-Präsidenten Donald Trump zu einem amerikanischen Soldatenfriedhof in Frankreich Verwunderung ausgelöst. Die offizielle Begründung von damals wiederholte Trump am Donnerstagabend, kaum dass er nach einer Wahlkundgebung in der Nähe von Pittsburgh wieder in Washington gelandet war. Es habe heftig geregnet an jenem 10. November 2018, weshalb ein Flug mit dem Helikopter nicht möglich gewesen sei. Eine Autofahrt hätten ihm seine Personenschützer ausgeredet, denn dafür hätte man im Pariser Stau zwei Stunden gebraucht.
Eine inoffizielle Version, die auch schon seit Längerem kursiert, sorgt nun im Wahlkampf für Wirbel, zumal ein hochangesehener, bestens vernetzter Journalist sie mit Details angereichert hat. Und zumal sich Jeffrey Goldberg, Chefredakteur der Zeitschrift „The Atlantic“, gleich auf vier Zeugen aus dem damaligen Beraterkreis um den Staatschef beruft.
Demnach soll Trump Pläne, den Friedhof Aisne-Marne zu besuchen, über den Haufen geworfen haben, weil er es nicht für wichtig hielt, Amerikas Kriegstote zu ehren. Er wisse nicht, was er auf dem Friedhof solle, „er ist gefüllt mit Verlierern“, soll er seinen Mitarbeitern gesagt haben. Zudem habe er befürchtet, dass der Dauerregen seiner Frisur schaden könnte. Der ehemalige Stabschef im Weißen Haus, John Kelly, ließ sich ebenso wenig wie Joseph Dunford, seinerzeit Generalstabschef der Streitkräfte, vom Wetter von einem Besuch der Gräberfelder in der Nähe des Flusses Marne abhalten. Dort sind Marine-Infanteristen bestattet, die 1918 im Wald von Belleau eine Offensive deutscher Truppen stoppten.
Dass der US-Präsident dort keinen Kranz niederlegte, erklären die vier Insider weniger mit logistischen Problemen als vielmehr mit grundsätzlicher Geringschätzung. Trump verstehe nicht, warum sich jemand aufopfere, wenn für ihn selber dabei nichts herausspringe. „Die Idee, dass man etwas nicht nur für sich selbst tut, begreift er nicht“, zitiert Goldberg einen mittlerweile pensionierten Viersternegeneral, den er – wie auch seine anderen Informanten – nicht beim Namen nennt. „In jedem, der etwas tut, woraus er keinen unmittelbaren persönlichen Nutzen zieht, sieht er einen Trottel.“Auf seiner Frankreich-Reise soll er denn auch angemerkt haben, dass er Soldaten, die eine Schlacht nicht überlebten, für Einfaltspinsel halte.
Schon zuvor hatte es ähnliche Episoden gegeben. 2015, da war er noch Kandidat, verhöhnte Trump den mittlerweile verstorbenen Senator John McCain, der fünfeinhalb Jahre in vietnamesischer Kriegsgefangenschaft verbrachte. Ihm seien Leute lieber, die sich nicht gefangen nehmen ließen, sagte Trump damals.
2017 am Memorial Day, an dem das Land nach alter Tradition seiner
Toten gedenkt, ließ Trump sich zum Friedhof Arlington am Rande Washingtons fahren. Zum Abschnitt 60, zu den Gräbern der Soldaten, die im Irak und in Afghanistan ums Leben kamen. Auch Robert Kelly, der am Hindukusch getötete Sohn John Kellys, hat dort seine letzte Ruhestätte gefunden. Als er mit Kelly senior, damals noch Minister für Heimatschutz, an dem Grabstein stand, soll Trump einmal mehr sein Unverständnis zum Ausdruck gebracht haben. „Ich begreife das nicht. Was hatten sie denn davon?“
Die Enthüllungen sind schon deshalb brisant, weil sie einen Blick hinter die Kulissen eines Präsidenten werfen, der gern von sich behauptet, dass niemand die Armee besser verstehe als er. Ein erklärter Freund von Militärparaden, verlangte er, begeistert von einer besonders imposanten in Paris, solche Paraden nun endlich auch in den Straßen der amerikanischen Hauptstadt zu veranstalten. Mit einer Einschränkung, wie der „Atlantic“im Nachhinein berichtet: Veteranen mit sichtbaren Kriegswunden, etwa amputierten Gliedmaßen, dürften auf keinen Fall teilnehmen. Deren Anblick könne man den Zuschauern nicht zumuten: „Niemand will so etwas sehen.“
Trump wies die Vorwürfe zurück. „Das ist eine Fake-Story von einem Magazin, dass wahrscheinlich nicht mehr lange da sein wird“, sagte er am Freitag im Weißen Haus. Zuvor hatte er bereits getwittert: „Ich habe unsere großartigen gefallenen Soldaten nie etwas anderes als Helden genannt.“Den Bericht in der Zeitschrift „The Atlantic“nannte Trump „einen schändlichen Versuch, die Wahl 2020 zu beeinflussen“.
Trump wies auch zurück, dass er den verstorbenen Senator und Veteranen John McCain als „Verlierer“bezeichnet und sich gegen die Trauerbeflaggung nach dessen Tod gewehrt haben soll.