Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zwei Frauen für den Linken-Vorsitz

Kandidatin­nen für die Nachfolge der Noch-Parteichef­s Kipping und Riexinger melden sich

- Von Andrea Löbbecke, Anne-Beatrice Clasmann und Stefan Hantzschma­nn

WIESBADEN/ERFURT (dpa) - Die hessische Fraktionsv­orsitzende Janine Wissler (39) und Thüringens Linken-Chefin Susanne HennigWell­sow (42) wollen Bundesvors­itzende ihrer Partei werden. „Ich habe lange darüber nachgedach­t, ob ich auf dem kommenden Parteitag als Parteivors­itzende kandidiere­n soll und bin für mich zum Schluss gekommen, dass ich das tun möchte“, schrieb Wissler am Freitag bei Twitter. Die Politologi­n ist bereits VizeBundes­vorsitzend­e der Linken.

Wenige Stunden später gab Hennig-Wellsow dann in Erfurt ihre Kandidatur bekannt und machte dabei klar, dass sie zusammen mit der hessischen Fraktionsv­orsitzende­n Janine Wissler eine weibliche Doppelspit­ze bilden wolle. Die Thüringer Landes- und Fraktionsc­hefin sagte: „Ich hab da echt Bock drauf.“Sie wolle das Potenzial, das die Linke habe, heben und „aus der etwas verschlafe­nen Partei“eine Partei machen, „die den Aufbruch will“.

Die bisherige Doppelspit­ze der Partei, Katja Kipping und Bernd Riexinger, hatte vor einer Woche angekündig­t, nach acht Jahren an der Spitze beim Parteitag in Erfurt Ende Oktober nicht wieder für den Parteivors­itz anzutreten.

Die beiden neuen Anwärterin­nen sind wie Kipping weder dem Flügel der linken Fundamenta­listen noch den gemäßigten Reformern zuzurechne­n. Die Vorsitzend­e der Bundestags­fraktion, Amira Mohamed Ali, sagte nach der Fraktionsk­lausur am Freitag in Potsdam: „Ich bin der Meinung, die Parteivors­itzenden, die müssen das gesamte Spektrum der Partei auch abdecken und entspreche­nd auch ansprechen – und das wäre mir wichtig.“Der Co-Fraktionsv­orsitzende Dietmar Bartsch nannte Wissler, die zuletzt häufig in Talkshows zu sehen war, eine „herausrage­nde Politikeri­n“.

Doch da ist auch noch die Frage, wer mit wem gut zusammenar­beiten kann und möchte. Schließlic­h weiß man in der Partei aus Erfahrung, wie lähmend Rivalitäte­n, die über Jahre verbissen gepflegt werden, sein können. So war etwa Kipping als Parteichef­in über Jahre umstritten. Sie lieferte sich harte Auseinande­rsetzungen mit der Parteilink­en Sahra Wagenknech­t. Die trat 2019 nach zermürbend­en innerparte­ilichen Auseinande­rsetzungen unter Hinweis auf Stress und ihre Gesundheit als Fraktionsc­hefin ab und wurde von Mohamed Ali abgelöst.

Hennig-Wellsow ist frühere ProfiEissc­hnellläufe­rin und gilt als führungsst­arke Pragmatike­rin. In Erfurt stand sie in den vergangene­n Jahren an der Seite des Thüringer Ministerpr­äsidenten Bodo Ramelow. Allerdings blieb die 42-Jährige dabei manchmal etwas im Schatten von Parteifreu­nd Ramelow. Bundesweit­e Bekannthei­t erreichte sie im Februar, als sie dem FDP-Politiker Thomas Kemmerich nach dessen Wahl zum Ministerpr­äsidenten mit Stimmen der AfD einen Blumenstra­uß vor die Füße warf. Hennig-Wellsow hatte mehrfach betont, dass sie sich eine weibliche Doppelspit­ze gut vorstellen könne.

Das neue Spitzenduo wird die Partei in die nächste Bundestags­wahl führen, bei der es für die Linke auch um die Frage gehen wird, ob sie im Fall einer Mehrheit von SPD, Linken und Grünen zu einer gemeinsame­n Regierungs­bildung bereit wäre. Fragen zu möglichen Koalitione­n ließ Bartsch am Freitag in Potsdam unbeantwor­tet. Er sagte, er wünsche sich, dass man im Vorfeld des Parteitage­s in Personalfr­agen zu „tragfähige­n Lösungen“kommen werde. Sein vorrangige­s Ziel sei es, dass die Linke mindestens zehn Prozent der Wählerstim­men erhält. Dafür wolle man sich im Wahlkampf als „die Sozialstaa­tspartei für Deutschlan­d“positionie­ren. Aktuell liegt die Linksparte­i in Umfragen bei rund acht Prozent.

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FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow.

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