Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Dieter Hallervorden ist angesagt, Didi Meisenkaiser Vergangenheit
Palim, Palim – Der Schauspieler, Kabarettist und Theaterleiter wird 85 Jahre alt
BERLIN (epd) - Wer den Schauspieler Dieter Hallervorden kurz vor seinem 85. Geburtstag zum Interview treffen will, hat es nicht leicht. Es gebe sowieso „nüscht Neues“, wehrt er in einer Drehpause am Telefon ab. Über ihn sei „so viel geschrieben worden“in den vergangenen Jahren, und derzeit ließen ihm ein aktueller Filmdreh und die bevorstehende Wiedereröffnung des SchlossparkTheaters in Steglitz ohnehin keine Zeit „für so viele Presseanfragen“. Der gebürtige Dessauer und Gründer des Berliner Kabaretts „Die Wühlmäuse“ist auch kurz vor seinem Jubiläum mit Vorhaben eingedeckt und erkennbar im Stress.
Dieter Hallervorden ist für viele das unverwechselbare Gesicht der Blödel-Fernsehserie „Nonstop Nonsens“Ende der 70er-Jahre. Er selbst war nie ganz glücklich damit, auf die Ulknudel reduziert zu werden. Doch in Ost wie West war die ARD-Serie ein Straßenfeger. Ein chaotisch vertrottelter Didi Meisenkaiser etwa sorgte in aberwitzigen Kostümierungen für gut 40 Minuten kaum zu bremsenden Lachspaß.
Einige der Sketche in den 20 Folgen sind legendär – etwa die Kuh Elsa, der „ Gespielte Witz, die Flasche Pommes Frites oder eben das berühmte „Palim, Palim“, das heute gelegentlich sogar als Handy-Klingelton zu hören ist. Sprüche aus der Ulkserie fanden Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch, wie das empörte „Wie bitte? Ins Hotel?“Hallervorden war Erfinder, Hauptdarsteller und Co-Texter der populären Serie.
Dabei war und ist der Sohn einer Arzthelferin und eines Ingenieurs auch ein Charakterdarsteller. Dafür stehen in den zurückliegenden Jahren Filme wie die Alzheimer-Tragikomödie „Honig im Kopf “(2014) von Til Schweiger oder „Sein letztes Rennen“. In dem Film aus dem Jahr 2013 läuft Hallervorden als ehemaliger Champion Paul Averhoff im Alter von 77 Jahren noch einmal den Berlin-Marathon mit, mit dramatischem Einlauf ins Olympiastadion. Aktuell arbeitet er an einem Film, der das Thema Autismus auf komödiantische Weise verarbeitet.
Hallervordens Lebensweg steht dabei auch für manche Wendung in der deutsch-deutschen Geschichte. Nach der Schule in Dessau zog es ihn zum Studium an die Berliner Humboldt-Universität. Doch wegen der eingeschränkten Meinungsfreiheit in der DDR floh er 1958 nach WestBerlin und setzte sein Studium an der Freien Universität fort. 1960, ein Jahr vor dem Bau der Berliner Mauer, gründete Hallervorden dort das Kabarett „Die Wühlmäuse“. Der Bühne am Theodor-Heuss-Platz steht er noch heute als Direktor vor.
Politisches Kabarett machte Hallervorden auch im Fernsehen, etwa Ende der 90er- und Anfang der 2000er-Jahre mit „Hallervordens Spott-Light“im Ersten. Auch selbst engagierte er sich politisch bei der FDP.
Ende 2008 landete Hallervorden einen weiteren Coup in der Kulturlandschaft mit der Übernahme des Schlosspark-Theaters im Berliner Stadtteil Steglitz. Dort feiert er am 5. September, seinem Geburtstag, Premiere mit „Gottes Lebenslauf “. Aber vor allem die „Wühlmäuse“sind seine Herzensangelegenheit – „wie mein Kind“, sagt er, auch wenn ihm jüngst die Entlassung des vierköpfigen Ensembles etliche Negativschlagzeilen einbrachte. „Wir führen seit fünf Monaten mit zwei geschlossenen Theatern einen Überlebenskampf “, wehrte sich der Gründer in einem Zeitungsinterview gegen Vorwürfe der Herzlosigkeit.
Die Coronavirus-Pandemie hat dem Kulturbetrieb schwer zugesetzt. Viele könnten sich gar nicht vorstellen, „wie mühsam es ist, in dieser Phase zwei Theater am Leben zu halten“, sagte Hallervorden kürzlich der „Berliner Morgenpost“. Manchmal verstehe er auch „die Welt nicht mehr“, sagte er: Etwa, wenn Prostitution in Berlin wieder erlaubt werde, die Leute im Theater gegen alle ökonomische Vernunft aber anderthalb Meter Abstand halten müssten.